Russland reduzierte die Lieferungen nach Weißrussland erneut. Sie wurden auf 60 Prozent der normalen Menge eingeschränkt.
Im Streit mit Weißrussland hat Russland die Gaslieferungen an seinen finanzschwachen Nachbarn noch weiter gedrosselt. Minsk mache keine Anstalten, die geforderten Schulden in Höhe von 192 Mio. Dollar (157 Mio. Euro) zu bezahlen, teilte der Staatskonzern Gazprom am Mittwoch in Moskau mit. Deshalb sei die Zufuhr erneut auf nun nur noch 40 Prozent der üblichen Menge gesenkt worden. Statt täglich 45 Millionen fließen derzeit nur 18 Millionen Kubikmeter Gas. Durch Weißrussland führt eine wichtige Transitleitung in die EU, vor allem nach Polen und Deutschland. Österreich bezieht hingegen kein russisches Gas über die weißrussische Route.
Drosselung bis Schulden bezahlt
Die Lieferungen würden immer weiter gedrosselt, bis die Schulden bezahlt seien, warnte Gazprom-Chef Alexej Miller. Die Verhandlungen sollten aber fortgesetzt werden. Der Transit nach Westen läuft russischen Angaben zufolge derzeit ohne Probleme. Es bestehe daher keine Notwendigkeit, unabhängige europäische Beobachter einzusetzen, sagte Energieminister Sergej Schmatko.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mahnte Russland und Weißrussland zu einem baldigen Ende ihres Gasstreits. "Ich setze darauf, dass beide Seiten in diesem Streit rasch zu einer gütlichen Einigung finden", sagte Westerwelle in Berlin. Alle Beteiligten müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Die führenden deutschen Gasversorger sehen nach wie vor keine Auswirkungen des Gasstreits zwischen Russland und Weißrussland in Deutschland. "Wir bekommen weiter sämtliches Gas wie vertraglich vereinbart", sagte eine Sprecherin des ostdeutschen Versorgers VNG laut Reuters.
Russland will Dreier-Zollunion
Russland hat gedroht, die Lieferungen nach Weißrussland um bis zu 85 Prozent der üblichen Menge zu kürzen. Damit will Russland nach Ansicht von Beobachtern Weißrussland in eine von Moskau angestrebte Dreier-Zollunion mit Kasachstan zwingen. Der autoritäre Staatschef Alexander Lukaschenko in Minsk ist auf Unterstützung aus Moskau angewiesen, um seine Macht bei den bevorstehenden Präsidentenwahlen zu sichern.
Weißrussland ließ unterdessen keine weitere Schulden auflaufen. Gazprom bestätigte, Minsk habe wie vertraglich vereinbart 260 Mio. Dollar für das im Mai bezogene Gas überwiesen und damit den umstrittenen neuen Preis anerkannt. Für die ersten Monate dieses Jahres hatte Weißrussland 150 Dollar für 1.000 Kubikmeter Gas gezahlt und nicht wie von Russland gefordert 184 Dollar. Die von Gazprom geforderte Schuldsumme ergibt sich aus der Differenz.
Protest gegen Kürzung
Minsk hatte aus Protest gegen die Kürzung angekündigt, die Durchleitung nach Westen zu stoppen. Weißrussland wirft Gazprom vor, 260 Mio. Dollar für den Gastransit nicht beglichen zu haben. Russland hatte den finanzschwachen Nachbarn darauf hingewiesen, dass das gesamte weißrussische Pipelinenetz in russischem Besitz sei. Lukaschenko habe daher kein Recht, die Leitungen als Druckmittel in dem Streit zu nutzen. Notfalls will Russland mehr Gas über die Transitleitungen in der Ukraine liefern.
Europa erhält gut 6,25 Prozent seines Gases über Weißrussland. Deutschland bezieht zwischen 2 Millionen und 2,5 Millionen Kubikmeter Gas täglich auf diesem Wege und füllt vor allem seine Speicher auf. Russland deckt rund ein Viertel des Gasbedarfs in Europa, davon wiederum strömen vier Fünftel über die Ukraine. Im Winter 2009 war es wegen eines "Gaskriegs" zwischen Russland und der Ukraine zu Lieferengpässen auch in der EU gekommen.