Millionen-Verluste

Banken schwanken in der Krise

10.10.2011

Erste-Group-Chef Treichl setzt "radikale Schritte": Hohe Abschreibungen.

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© dapd, AP Photo, Reuters
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Wegen der Staatsschuldenkrise und der schwierigen Situation in Osteuropa wird die Bilanz der Erste Group heuer tiefrot. Die Erste-Aktie stürzte ab.

Erste-Group-Chef Andreas Treichl redet nicht lange herum. „Wir haben uns zu radikalen Maßnahmen entschlossen, um uns auf die Auswirkungen der Staatsschuldenkrise auf die Realwirtschaft vorzubereiten“, so Treichl am Montag. Dass Großbanken ihre Gewinnprognosen nach unten korrigieren, ist derzeit an der Tagesordnung – was Treichl jetzt präsentierte, ist aber in der Tat „radikal“ und schockierte die Anleger an der Börse.

700 bis 800 Mio. Euro Verlust wird die Erste Group heuer schreiben, bisher war ein Nettogewinn in Höhe von 850 bis 950 Mio. erwartet worden. Schuld an dieser Radikalumkehr sind Sonderabschreibungen wegen der Krise und der schwierigen Situation in Osteuropa (u. a. mit Fremdwährungskrediten in Ungarn), wo die Erste stark engagiert ist.

Firmenwert-Abschreibungen bei den Tochterbanken in Ungarn und Rumänien belasten die Erste-Bilanz im 3. Quartal mit rund 1,5 Milliarden Euro.

Eine Dividende für die Aktionäre wird es für 2011 nicht geben.

Seinen Plan, die Staatshilfe (1,2 Mrd. Euro) heuer vorzeitig zurückzuzahlen, hat Treichl um mindestens ein Jahr aufgeschoben. Die Zinsen für das Staatskapital (heuer 90 Mio. Euro) wird er aber überweisen, obwohl er es nun, da die Bank Verluste schreibt, nicht müsste.

Dass er weitere Staatshilfe aufnimmt oder beim Euro-Rettungsschirm um Unterstützung ansucht, schließt Treichl aus. „Da müsste man uns hinprügeln.“

Raiffeisen: Auch Ungarn-Abschreibung, aber Gewinn
„Es stehen harte Zeiten bevor“, machte Treichl klar, „vielleicht mit Problemen, die wir uns noch gar nicht vorstellen können.“ „Daher werfen wir allen Ballast ab.“ Das sei „ein schmerzhafter, aber richtiger Schritt“. Und: Trotz allem bleibe die Kernkapitalquote der Erste Group mit 9,2 % gegenüber 2010 unverändert.

Die Raiffeisen Bank International (RBI) erwartet zwar in Ungarn ebenfalls „einen signifikanten zusätzlichen Wertberichtigungsbedarf“, 2011 werde das Institut aber einen Gewinn ausweisen.

Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny begrüßte die Aufräumaktion von ­Erste-Boss Treichl gestern ausdrücklich.
 

Erste-Chef Treichl über:

Die Eurokrise:
„Ohne eindeutige Richtungsentscheidung in Europa wird die Unsicherheit bleiben.“

Seine Bank-Bilanz:
„Es ist jetzt keine Zeit für Fragezeichen, erst recht nicht in Bankbilanzen. Wir setzen diesen schmerzhaften, aber richtigen Schritt und werfen allen Ballast ab. Wir sprechen die Probleme an, stärken uns als Finanzdienstleister für unsere Kunden.“

Österreichs Bonität
„Ich stelle momentan alles infrage, da kann man Österreichs Bonität nicht ausnehmen.“
 

Banken-Aktien stürzen ab

Wiener Börse verliert 1,14 Prozent. Minus bei Banken-Aktien ist schuld.

Die Verlust-Meldung der Erste Bank zog gestern auch die Wiener Börse ordentlich ins Minus. Die Aktie der Erste stürzte zwischenzeitlich um mehr als 16 Prozent ab, lag am Ende des Tages noch immer bei –9,2 Prozent. Auch die Raiffeisen Bank Internationale büßte fast fünf Prozent ein.

Während die internationalen Börsen gestern zulegten, zogen die heimischen Bankentitel den Wiener Börsen-Leitindex ATX ins Minus – die Banken-Aktien sind in Wien besonders stark gewichtet. Die Wiener Börse verlor am Montag 1,14 Prozent und sackte auf 1.975,32 Punkte ab.
 

Androsch: „Wir haben drei Jahre verschlafen“

ÖSTERREICH: Die Dexia Bank muss verstaatlicht werden, die Erste Bank rutscht in tiefrote Zahlen. Worauf müssen wir uns denn noch einstellen in der europäischen Bankenkrise?
Hannes Androsch: Wir müssen uns endlich auf die Realität einstellen. Nach der „Notfallmedizin“ im Herbst 2008 ist ja nix mehr geschehen. Und die Schönredereien, dass eh alles in Ordnung ist, haben sich bei der Dexia vor ein paar Tagen als Illusion erwiesen und jetzt auch bei der Erste Bank.

ÖSTERREICH: Die Banken haben aber bereits viel Geld aus den Staatskassen bekommen. Gerade die Erste Bank hat 2008 schon ein Hilfspaket von 1,2 Milliarden erhalten. Wo, fragt man sich, ist das ganze Geld denn hin?
Androsch: Ja, das ganze Geld ist drinnen und weg. Das war eben nur die Notfallverarztung. Die Banken hatten ein Problem mit dem Eigenkapital, weil sie natürlich mit viel zu wenig Eigenmitteln agieren. 


ÖSTERREICH: Aber was hat die Staatshilfe 2008 überhaupt gebracht, wenn die Banken jetzt schlechter dastehen als damals?
Androsch: Nichts, weil man eben nur den ersten Schritt gemacht hat. Und dann hat man drei Jahre verschlafen.

ÖSTERREICH: Sie finden, es ist zu viel Zeit vergeudet worden. Wie hätte man die Zeit nützen sollen?
Androsch: Man hätte die Banken in Ordnung bringen müssen – die hätten sich ihrem volkswirtschaftlichen Kerngeschäft zuwenden müssen und nicht die ganze Zeit Kasino spielen – mit Risiken, die sie nicht beurteilen können.
 

Europa in Angst vor Banken-Crash

Die Zeit wird knapp. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy konnten sich gestern nicht einigen und mussten den EU-Gipfel verschieben. Anleger glauben nicht an den Crash.

Die Entlastung entpuppte sich als Hiobsbotschaft. Denn obwohl sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Staatschef Nicolas Sarkozy am Sonntag noch zuversichtlich gaben, die Bankenkrise bei einem EU-Gipfel nun endlich anzugehen, stellte sich das Bild am Montag anders dar. Der Gipfel wird auf 23. Oktober verschoben, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy versuchte via Twitter, dem Rückschritt trotzdem Positives abzugewinnen: „Dieser Zeitplan wird es erlauben, unsere umfassende Strategie zur Euro-Schuldenkrise zu finalisieren.“

Doch manche Experten meinen: Es gibt keine Zeit mehr. Drastisch formuliert es Robert Shapiro, Berater des Internationalen Währungsfonds (IWF): „Wir werden innerhalb von zwei bis drei Wochen einen Zusammenbruch bei den Staatsschulden haben, was im gesamten europäischen Bankensystem zu einer Kernschmelze führen wird.“

Dexia wird ein Test für Europas Banken-Strategie
Wie schnell Banken fallen können, beweist derzeit die französisch-belgische Bank Dexia. Die nach ihrem Griechenland-Engagement ins Trudeln geratene Bank muss nun verstaatlicht werden – die Regierung in Brüssel übernimmt für vier Milliarden das Belgien-Geschäft, die Bank erhält Staatsgarantien von insgesamt 90 Mrd. Euro.

Pikant: Einen erst kürzlich durchgeführten Banken-Stresstest bestand die Bank mit Bravour, die Abwärtsspirale erfolgte erst danach rasant. Das Beispiel Dexia und ihre Rettung wird nun als Test dafür gewertet, ob es Europas Staaten gelingt, den Zusammenbruch der Banken im Sog der Staatsschulden zu verhindern.
Die Anleger an den Aktienmärkten aber glauben offenbar fest daran, dass Europa diese Aufgabe meistern wird. Denn die europäischen Aktienkurse stiegen gestern fast alle an – bis auf Wien, wo es im Abwärtssog der Erste-Aktie ein Minus gab.

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