Die Finanzbranche wehrt sich nach Kräften gegen eine starke Regulierung und warnt vor gravierenden Folgen für die Weltwirtschaft. Der Internationale Bankenverband IIF sieht "sehr reale Risiken", dass einige Reformvorschläge das Wachstum wieder abwürgen könnten. Die Geldhäuser müssten auch unter den neuen Regeln in der Lage sein, die Unternehmen mit Krediten zu versorgen, betonte IIF-Chef Josef Ackermann in Istanbul. Sparkassen-Präsident Heinrich Haasis sprach gar von einem dauerhaften Kreditengpass, sollten den Banken zu enge Zügel angelegt werden.
Die Branche reagiert mit ihren Warnungen auf die weltweite Debatte über Bonus-Begrenzungen, schärfere Kapitalanforderungen und eine strengere Kontrolle von Banken im Zuge der schwersten Finanzkrise in der Nachkriegsgeschichte. Die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) hatten vor einer Woche härtere Regeln angekündigt. Konkrete Vorgaben sollen in den nächsten Monaten ausgearbeitet werden, mit der Umsetzung wird erst nach der Krise gerechnet.
"Die Reformen müssen sorgfältig kalibriert werden", mahnte Ackermann, der auch Chef der Deutschen Bank ist. So dürften etwa höhere Anforderungen an das Eigenkapital nicht überstürzt eingeführt werden. "Wer hier verfrühte Änderungen vornimmt, schafft nur neue Probleme", sagte der Schweizer. Die Banken fordern zudem einen international abgestimmten Ansatz für Reformen. Dies gelte auch für einheitliche Bilanzstandards in Europa und den USA, wo es Ackermann zufolge noch einige Hürden zu überwinden gebe. Es müsse verhindert werden, dass Länder mit laxeren Regeln andere ausspielen könnten.
Am Rande der Herbsttagung der Internationalen Währungsfonds in Istanbul äußerten einige Top-Banker die Sorge, dass die europäischen Banken am Ende als Verlierer dastehen könnten. "Die US-Banken werden die Regulierungsdebatte sicher wieder stärker in ihre Richtung lenken können", betonte ein Bankvorstand. Dies gilt besonders für die Frage nach der künftig geforderten Qualität des Kernkapitals. Hier wird damit gerechnet, dass etwa die in Deutschland weit verbreiteten stillen Einlagen nicht mehr hinzugezählt werden dürfen. In Verbindung mit einer generellen Anhebung der geforderten Kernkapitalquote würde das besonders Landesbanken hart treffen, da sie viele solcher Einlagen haben.
"Dramatische Auswirkungen"
Daher läuft Sparkassen-Präsident Haasis Sturm gegen solche Überlegungen. Sollte es zu einer derartigen Reform kommen, würde in Deutschland Kernkapital - wie etwa stille Einlagen - in "sehr hoher zweistelliger Milliardenhöhe" nicht mehr zur Verfügung stehen, sagte der Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Die Auswirkungen für die Kunden wären dramatisch. Die Sparkassen gehören zu den größten Kreditgebern in Deutschland. Haasis zufolge verringert jeder Euro, der nicht mehr als Kernkapital anerkannt werden kann, die Kreditvergabemöglichkeiten um mindestens das 12,5-fache. Banken müssen Kredite mit Eigenkapital unterlegen.
Im Zentrum der Reformdebatte stehen auch die Vergütungsstrukturen bei den Banken. Denn überzogene Boni gelten als eine Ursache der Krise. Der IIF hat eigene Vorschläge gemacht, wie die Boni künftig stärker am langfristigen Erfolg eines Instituts ausgerichtet werden können. Ackermann kündigte an, dass der mehr als 375 Banken vertretende Verband in einigen Monaten einen Fortschrittsbericht zur Umsetzung dieser und anderer Reformen vorlegen werde.