Viele private Investoren wollen offenbar keine Aktie in London.
Der börsenotierte Online-Sportwettenanbieter bwin schließt sich mit der britischen PartyGaming zum Weltspielkonzern bwin.party digital zusammen und wird per 25. März die Wiener Börse verlassen, die neuen Titel werden im Londoner FTSE 250 notieren. Analysten wie auch Aktionärsvertreter sehen die Fusion als wichtigen Schritt nach vorne. Dennoch hat die bwin-Aktie seit Bekanntgabe des Mergers am 29. Juli 2010 - an diesem Tag schnellte der Kurs um 18 Prozent auf 42 Euro hoch - ordentlich an Wert eingebüßt. Derzeit notiert das Papier nur mehr bei 26,2 Euro.
"Nicht so gut gelaufen"
"Operativ ist es nicht so gut gelaufen wie damals erhofft", begründete Bank-Austria-Analyst Thomas Neuhold den Rückgang. Sowohl die Nettospielerträge als auch die Kostenseite seien in den vergangenen Quartalen hinter den Erwartungen geblieben. Und: "Die Ebit-/Ebitda-Entwicklung war bei weitem nicht so positiv wie viele Analysten zu Beginn des Jahres erwartet hatten." Ein Blick in die Vergangenheit zeige aber, dass dies bei bwin immer wieder passiert sei. "Phasenweise waren die Leute sehr optimistisch."
"Zocker"-Aktie
Die bwin-Aktie ist bei "Zockern" sehr beliebt: Anfang Dezember etwa notierte das Papier noch bei über 35 Euro, hat also innerhalb von gut zwei Monaten ein Viertel an Wert eingebüßt. Das Allzeithoch erreichte bwin aber bereits im Mai 2006 mit über 104 Euro.
Angst vor Regulierung
Für Verunsicherung könnte in den letzten Monaten auch die "steuerliche Situation in dem einen oder anderen Land", in dem bwin tätig ist, gesorgt haben, so Neuhold. Vor dem Hintergrund maroder Staatshaushalte wollen einige Länder auch im Glücksspielbereich an der Steuerschraube drehen. So habe man in Italien kurzfristig Wettumsätze mit einer Abgabe belegt, dann aber einen Rückzieher gemacht. Für Glücksspielanbieter hätte das wohl massive Einbußen bedeutet, da die Leute weniger gezockt hätten. "Die Angst war, dass das auch in Frankreich kommt." Das Thema Regulierung dürfte die Anleger ebenso beschäftigen wie bwin selbst.
Zu guter Letzt dürfte in den vergangenen Wochen wohl einigen österreichischen Investoren bewusstgeworden sein, dass die Titel aus Wien verschwinden. "Der ein oder andere Private hat sich vielleicht gedacht, ich will keine Aktie in London und hat verkauft", sagte Neuhold. Hinzu komme, dass Fonds, die nur österreichische Papiere halten dürfen, ihre bwin-Aktien nun abstoßen müssen.
Drohende Steuernachzahlung
Das Steuerrisiko in Österreich sei "nicht wirklich" Auslöser des Kursrückgangs, da das Thema schon länger bekannt sei, glaubt der Analyst. bwin droht ja in Österreich seit längerem eine Steuernachzahlung über 7 Mio. Euro. Die Finanz ist nämlich der Ansicht, dass bwin aufgrund seiner Serverfarm in Österreich steuerpflichtig geworden ist. bwin wendete dagegen beim Unabhängigen Finanzsenat (UFS) ein, seinen Sitz in Gibraltar zu haben. Sollte das Finanzamt Recht bekommen, müsste bwin schlimmstenfalls 130 Mio. Euro nachzahlen, wie es im bwin.party-Börseprospekt heißt. Neuhold: "130 Millionen ist kein Pappenstiel."
"Gute Chancen" in den USA
Damit es mit dem Kurs wieder bergauf geht, "wären zwei Sachen wichtig": Dass es operativ wieder besser läuft und dass der eine oder andere Markt - insbesondere Deutschland - reguliert wird. "Ende des Jahres könnte eine klare Regelung für den Glücksspielbereich kommen", so Neuhold. "Wenn sich in den USA was tut, wäre das auch sehr positiv". Dort hätte bwin.party "gute Chancen", denn der neue Konzern sei mit seiner Plattform sehr gut aufgestellt und könnte etwa im Business-to-Business-Bereich aktiv werden, also andere Anbieter mit der nötigen Infrastruktur versorgen.
Generell sei der Merger "absolut eine gute Sache". Im Internet sei Größe enorm wichtig. Insbesondere beim Online-Poker sei eine kritische Masse an Usern unabdingbar. Durch die Fusion entstehe auch einiges an Synergien - die IT der neuen Gesellschaft soll ja großteils aus Indien kommen -, ebenso auf der Umsatzseite.