Hypo Alpe Adria

Chronologie eines Bankskandals

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Erste Festnahmen im Hypo-Krimi. Was bisher geschah.

Im Hypo-Krimi setzte es Freitag Früh erste Festnahmen. Und gleich eine prominente: Ex-Chef Wolfgang Kulterer wurde festgenommen, mit ihm ein angeblicher Mitwisser. Zugleich wurde eine neue Welle von Razzien in Wien und Kärnten bekannt. Seit Ende Dezember der österreichische Staat die marode Kärntner Hypo Alpe Adria ihren zerstrittenen Alteigentümern (BayernLB, Grawe, Land Kärnten) über Nacht für symbolische 3 Euro abnehmen musste, überschlugen sich die Ereignisse: Hausdurchsuchungen, Anzeigen, Sonderkommissionen, U-Ausschüsse in München und Klagenfurt, spektakuläre Teilgeständnisse, Tagebuch-Fetzen, Schmiergeldvorwürfe und immer wieder Spuren nach Liechtenstein.
 
Enormer Schaden
Den Bayern hat die Fehlinvestition in Kärnten bereits mehr als 3,7 Mrd. Euro Schaden gebracht, die jetzige österreichische Staatsbank Hypo kämpft weiter mit Milliarden-Kreditaltlasten. Sie muss auf Geheiß der EU drastisch redimensioniert werden. Sie wird aber noch Jahre brauchen, bis sie verkaufsreif ist.
 
Als im Dezember 2009 in nächtelangen Krisensitzungen im Wiener Finanzministerium die Rettung verhandelt werden musste, schaltete sich sogar EZB-Chef Trichet ein. Ein Dominoeffekt auf dem Balkan wurde befürchtet, sollte die Hypo nach Milliardenabschreibungen unter ihren Verlusten zusammenbrechen. Unter diesem Druck einigten sich die Koalitionspartner in Wien, die Bank nicht fallen zu lassen.
 
   Die Festnahme des schillendenden Kärntner Ex-Managers Kulterer ist ein weiterer Höhepunkt in dem Bankskandal.

Der chronologische Rückblick:

1992: Knapp nachdem das Land Kärnten die Grazer Wechselseitige Versicherung (GraWe) als Miteigentümer ins Boot geholt hatte, beläuft sich die Bilanzsumme der Bank auf gerade einmal 1,87 Mrd. Euro (25,8 Mrd. Schilling). Wolfgang Kulterer wird als Vorstand installiert, die Hypo in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Unter Kulterer beginnt eine atemberaubend schnelle Expansion auf dem Balkan.
In rascher Folge werden Beteiligungen gekauft und Bankentöchter in Südosteuropa gegründet. 2005 ist die Bilanzsumme bereits auf 24,23 Mrd. Euro gepusht, 2008 liegt sie bei 42,3 Mrd. Euro.
 
2006: Im März werden teure Swap-Verluste bekannt, Kulterer gerät unter Druck. In der Folge muss die Bilanz 2004 neu erstellt werden, sie ist negativ. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) zeigt den gesamten Bankvorstand (Kulterer, Günter Striedinger und Thomas Morgl) wegen Bilanzfälschung an. Kulterer und Striedinger treten zurück. Siegfried Grigg übernimmt das Ruder, Kulterer wechselt an die Spitze des Aufsichtsrates, zieht im Hintergrund weiter die Fäden. Ein Börsengang wird zwar offiziell nicht abgeblasen, ist aber bereits vom Tisch. Im Dezember steigt der deutsche Investor Tilo Berlin mit 125 Mio. Euro von "vermögenden Privatpersonen" mit 4,5 Prozent bei der Bank ein.
 
2007: Die Grawe kündigt an, Hypo-Anteile an Berlin zu verkaufen. Hinter den Kulissen laufen schon längst Gespräche mit BayernLB-Chef Werner Schmidt, den Berlin von der baden-württembergischen Landesbank kennt. Nach einem weiteren Kapitaleinsatz hält die Berlin-Gruppe die Sperrminorität. Im Mai wird die Bank um 1,62 Mrd. Euro an die vom damaligen Landeshauptmann Jörg Haider favorisierte BayernLB verkauft. Binnen kurzer Zeit verdient die Gruppe um Berlin mit dem Deal rund 150 Mio. Euro, er selbst wird Vorstandschef der Hypo. Eine Untersuchung des Verkaufs im Kärntner Landtag bringt zunächst keine wesentlichen Erkenntnisse. Die BayernLB hält nun knapp über 50 Prozent, die Grawe 26,45 Prozent, das Land 20 Prozent, die Hypo-Alpe-Adria-Mitarbeiterstiftung 3,33 Prozent und Berlin & Co 0,22 Prozent. Ende November muss die BayernLB erstmalsgut 440 Mio. Euro frisches Kapital in ihre Kärntner Tochter pumpen, die Grawe knapp 160 Mio. Euro.
 
2008: Im November bekennen sich Kulterer und Morgl der Bilanzfälschung schuldig. Striedinger beharrt auf seiner Unschuld. Morgl nimmt Diversion an, Kulterer wird zu 140.000 Euro Geldstrafe verurteilt, Striedinger später zu 88.000 Euro Geldstrafe und vier Monaten bedingt. Er beruft dagegen. Die Bayern schießen wegen der Finanzkrise noch einmal 700 Mio. Euro in die Hypo. Morgl tritt per Jahresende zurück. Aus dem Bankenhilfspaket erhält die Hypo Group 900 Mio. Euro PS-Kapital vom Staat, der Anteil des Landes sinkt weiter und liegt nur noch bei 12,42 Prozent. Die BayernLB besitzt nun mehr als 67 Prozent.
 
Das Krisenjahr 2009:

25. Februar: Neue Hausdurchsuchungen

18. März: Die BayernLB bereitet gravierende Veränderungen in der Konzernstruktur vor. Berlin wirft das Handtuch und scheidet per April aus der Hypo aus.
 
1. April: Der zuvor von der ÖVAG zurückgetretene Banker Franz Pinkl wechselt an die Spitze der Hypo.
 
23. April: Die Bank schließt das Jahr 2008 mit einem Nettoverlust von 520 Mio. Euro.
 
Oktober: Hausdurchsuchungen in Bayern und Kärnten: Die Münchner Staatsanwaltschaft hegt den Verdacht, dass die BayernLB um 400 Mio. Euro zu viel für die Hypo gezahlt hat. Asset Screening in der BayernLB, auch Hypo im Fokus der KPMG-Wirtschaftsprüfer. Damit tauchen erste "Leichen" im Keller der Hypo auf.
 
November: Die Hypo Group kündigt an, 2009 ein Minus von "deutlich mehr als einer Milliarde" Euro zu schreiben. Die Bank benötigt eine neue Kapitalspritze in der Höhe von rund 1,5 Mrd. Euro. Der Poker eskaliert: Die Bayern wollen nicht alleine nachschießen. Kärnten verlangt, dass der Bund der Bank unter die Arme greift. In Finanzkreisen wird der Kapitalbedarf auf 1,5 bis 2 Mrd. Euro geschätzt. Das Bilanzloch ist so groß, dass die Hypo unter die Mindest-Kernkapitalquote fällt. Die Bankenaufsicht setzt ein Ultimatum. Das Land Kärnten verlangt vom Bund ein "Hilfspaket 2". Finanzminister Josef Pröll (V) sieht die Eigentümer in der Pflicht. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer will für die Hypo Unterstützung vom Bund in Österreich und Deutschland.
 
3. Dezember: Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon nennt den Hypo-Kauf öffentlich einen "Fehler".
 
4. Dezember: Moody's senkt das Hypo-Rating auf Schrottstatus.
 
8. Dezember: Verhandlungen um Staatshilfe laufen. Bayerns Opposition bringt Strafanzeigen gegen für den Hypo-Kauf Verantwortliche ein, auch Tilo Berlin ist darunter.
 
10. Dezember: Tauziehen zwischen Wien und München: Österreichs Polit-Spitze betont, vor einer Bundes-Hilfe müssten konstruktive Vorschläge von den Eigentümern zur Hypo-Rettung kommen. Bayerns Finanzminister BayernLB-Aufsichtsratschef Georg Fahrenschon (CSU) wiederum sagt, aus seiner Sicht sei jetzt einmal Wien am Zug. Ein Expertenpapier bringt indes zutage, dass der Hypo in den nächsten fünf Jahren 3,1 Mrd. Euro an Risikovorsorgen drohen. Ein mehrtägiger Sitzungsmarathon beginnt.
 
14. Dezember: Um 7.30 Uhr, eine halbe Stunde vor Schalteröffnung, verkündet Pröll die Einigung: Eine Pleite ist abgewendet, die Bank wird notverstaatlicht. Die bisherigen Eigentümer stellen 1,05 Mrd. Euro Kapital bereit, der Bund schießt bis zu 450 Mio. Euro ein. Am 30. Dezember tritt der Bund formell in die Eigentumsrechte ein.
 
2010:

22. Februar: Franz Pinkl muss per 31. März als Vorstandschef den Sessel räumen.
 
31. März: Horrorbilanz: Die Hypo schließt das Jahr 2009 mit 1,6 Mrd. Euro Verlust ab.
 
1. April: Neuer Bankchef ist der frühere KPMG-Chef Gottwald Kranebitter.
 
22. Juni:
Die EU-Kommission zieht die Überlebensfähigkeit der Bank in Zweifel.
 
4. August: Die EU-Kommission genehmigt formal die Verstaaatlichung.
 
13. August:
Erste Festnahmen im Hypo-Krimi, neuerliche Hausdurchsuchungen.

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