Analyse
Die Euro-Krise nach Griechenland
18.06.2012
Der Euro ist durch die Wahl nicht gerettet - Griechenland auch nicht.
Griechenland hat gewählt – und nichts hat sich geändert. So kann man die Situation zusammenfassen. Weder ist ein anti-europäischer Radikalkurs eingeschlagen worden, noch ist mit dem Wahlsieg der pro-europäischen Nea Dimokratia die Krise gebannt. Von der „Richtungsentscheidung“ in Griechenland ist demnach noch nicht viel zu sehen. Der Chef der griechischen ND, Antonis Samaras, wird seine Landsleute durch ein rigoroses Sparprogramm durchpeitschen müssen, der proeuropäischen Mehrheit im griechischen Parlament steht eine gestärkte linke Opposition gegenüber, die vorerst kein Interesse zeigt, den Verbleib in der Eurozone zu unterstützen. Wahltaktisch ist das verständlich, mit jeder unliebsamen Reform strömen der SYRIZA neue Wähler zu.
Der Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone ist keineswegs gesichert, wenngleich Athen vorerst einmal Zeit gewonnen hat. Entsprechend verhalten fielen auch die Reaktionen aus, jene aus Brüssel ebenso wie die von den Märkten rund um den Globus.
Die Zeit, die Samaras auch für Nachverhandlungen des aus seiner Sicht konjunkturschädigenden Sparpakets nutzen will, ist knapp bemessen und umstritten. Während von einem gestärkten sozialistischen Präsidenten aus Frankreich hier grundsätzlich Bereitschaft signalisiert wird, blockt Deutschland rigoros ab: „Es sei nicht die Zeit für Rabatte“, tönt es aus Berlin.
Handlungsbedarf besteht trotzdem, denn die Euro-Krise ist mehr als nur Griechenland. Und hier werden die Streitpunkte zwischen Hollande und Merkel, beziehungsweise ihre Beilegung, darüber entscheiden, ob der Euro als Währung bestand hat, oder Währungsfond-Chefin Christine Lagarde mit ihrer Prognose über den Untergang des Euro recht behält.
Die Streitpunkte im Detail:
- EUROBONDS:
Merkel lehnt gemeinsame europäische Schuldscheine ab. Hollande bringt sie immer wieder ins Spiel, ohne ihre Ausgestaltung zu konkretisieren. Eurobonds laufen nach deutschem Verständnis auf eine inakzeptable Vergemeinschaftung der Schulden der Krisenländer hinaus. Hinter der Idee der Eurobonds steht die Hoffnung, dass die Kreditwürdigkeit der Eurozone als Ganzes von Finanzmärkten und Ratingagenturen höher eingeschätzt würde als die der Krisenstaaten. Länder wie Spanien oder Italien müssten bei der Ausgabe von Euro-Anleihen niedrigere Zinsen zahlen - Deutschland allerdings höhere als bisher. Es sind verschiedene Modelle im Gespräch.
- EZB:
Hollande will die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) ausweiten und ihr die weitreichenden Kompetenzen der US-Federal Bank auch bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen einräumen. Außerdem soll der neue Rettungschirm ESM eine Banklizenz erhalten, um sich bei der EZB direkt günstig refinanzieren zu können. Merkel will dagegen die Unabhängigkeit der EZB bewahren und sieht in der Verteidigung der Preisstabilität die zentrale Aufgabe der Zentralbank. Weniger Konfliktstoff gibt es wohl in der Frage, ob die EZB auch die Aufsicht für Geschäftsbanken im Euroraum übernehmen könnte.
- EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK
Hollande will das Wirtschaftswachstum unter anderem mit der Erhöhung des Kapitalstocks der Europäischen Investitionsbank anregen, die auch die beschlossenen europäischen Projektbonds steuern soll. Diese Bonds sollen neue Geldquellen für den Bau milliardenschwerer Infrastrukturprojekte in der EU erschließen. Wie bei Eurobonds übernähmen EU-Länder bei diesen Schuldscheinen ein gemeinsames finanzielles Risiko. Dieser Vorschlag ist kaum umstritten.
- POLITISCHE INTEGRATION
Merkel fordert sie, Hollande zögert. Er schlägt nach Informationen der Zeitung "Le Monde" aber "angepasste politische Institutionen" vor, ohne dies zu präzisieren. Die politische Integration soll verhindern, dass eine unkoordinierte nationale Schulden- und Finanzpolitik die gemeinsame Währung gefährdet.
- FISKALPAKT
Hollande will den unterzeichneten und in einigen Ländern bereits ratifizierten EU-Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin um eine Wachstumskomponente ergänzen. Merkel schließt Neuverhandlungen aus. Hier bietet sich eine Kompromisslinie an: Wenn man den alten Pakt nicht antastet, sondern einen Beschluss zum Wachstum danebenstellt, wird man beiden Seiten formal gerecht. Inhaltlich ist die Frage, worin die Wachstumspolitik konkret bestehen soll, damit allerdings nicht gelöst.
- PENSIONSREFORM
Sie gilt als ein Kernpunkt der geforderten "Strukturreformen" in den Euro-Krisenländern, stellt als nationale Angelegenheit im bilateralen Verhältnis aber keinen Streitpunkt dar. Während im deutschen Regierungslager mit einer Heraufsetzung der Altersgrenze geliebäugelt wird, geht Hollande in die entgegengesetzte Richtung. Als eine seiner ersten Maßnahmen setzte er das Pensionsantrittsalter für besonders früh ins Arbeitsleben eingetretene Arbeitnehmer von 62 auf 60 Jahre herab.
Sozialisten zu Regierungsbeteiligung bereit
Die griechischen Sozialisten sind grundsätzlich bereit, sich an einer Koalitionsregierung zu beteiligen. "Das Land muss bis morgen Abend eine Regierung haben", sagte der Chef der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK), Evangelos Venizelos, am Montag nach einem Treffen mit dem Vorsitzenden der konservativen "Neuen Demokratie" (ND), Antonis Samaras, dessen Partei als stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen vom Sonntag hervorgegangen ist.
Venizelos kritisierte das Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), weil es sich nicht an einer Regierungskoalition beteiligen will. Das sei eine "unverantwortliche Haltung", sagte Venizelos. Die Konservativen und Sozialisten haben im Parlament eine Mehrheit von 162 der 300 Sitze. Samaras, der von Staatspräsident Karolos Papoulias mit Sondierungsgesprächen zur Regierungsbildung beauftragt wurde, sicherte zu, seine Partei werde das von EU, EZB und IWF diktierte Sparprogramm wie versprochen umsetzen: "Das griechische Volk will unsere europäische Politik. Wir halten das Versprochene ein".