Forderungen
Europa nach IWF-Aufstockung in der Kritik
22.04.2012
Schwellenstaaten fordern Konjunkturprogramme gegen die Krise.
Auch nach dem Erfolg bei der kräftigen Aufstockung der IWF-Mittel zur Krisenbekämpfung bleiben die Europäer in der Kritik ihrer internationalen Partner. Der Lenkungsausschuss des Internationalen Währungsfonds, IMFC, der die 188 Mitglieder repräsentiert, forderte von den Europäern weitere Fortschritte bei der Rückgewinnung ihrer Finanzstabilität und mutige Strukturreformen. Immerhin würdigte der IMFC am Samstag Fortschritte in der Krisenbekämpfung in Europa. Generell müssten jedoch alle Industrieländer, auch die USA, eine Mittelfrist-Strategie zum Schuldenabbau verfolgen.
Forderungen
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wandte sich gegen Forderungen, Sparanstrengungen aus Rücksicht auf das Wachstum zu lockern. Für solche "Abenteuer" gebe es selbst in Ländern, die relativ solide daständen, wie Deutschland, keinen Raum. Schäuble ermahnte laut einem für ihn vorbereiteten Redetext für den IMFC die USA und Japan, auch im eigenen Land die Defizit- und Schuldenprobleme anzugehen. Er plädierte für eine Erneuerung der sogenannten Toronto-Ziele der G-20 von 2010, die die Halbierung der Defizite in den Industrieländern bis 2013 und die Stabilisierung der Schuldenquote bis 2016 vorsehen.
Angesichts der anhaltenden Wachstumsschwäche der globalen Wirtschaft - trotz zuletzt etwas besserer Aussichten - sehen etliche Länder die Notwendigkeit, mehr für das Wachstum zu tun. In der IMFC-Erklärung wird das aber nur zurückhaltend vertreten. Dort wird aber vor einer "exzessiven Sparpolitik" gewarnt. Der IWF plädiert seit längerem dafür, dass Länder, denen es finanziell besser geht, ihren Konsolidierungskurs lockern. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega nannte vor dem IMFC Deutschland und nordeuropäische Staaten, die an Konjunkturprogramme zur Wachstumsförderung denken könnten.
Der IMFC-Vorsitzende, Singapurs Finanzminister Tharman Shanmugaratnam, nannte es entscheidend, dass in zwei bis drei Jahren möglichst viele der Industrieländer wieder auf einen "normalen" Wachstumskurs zurückfänden. Andernfalls seien nachhaltig stabilere Finanzverhältnisse kaum zu erreichen. Auch er verwies darauf, dass es nicht nur die Europäer seien, die mehr für geordnete Staatsfinanzen tun müssten, sondern praktisch alle Industrieländer, auch die USA.
Zentrale Rolle
US-Finanzminister Timothy Geithner drängte die Europäische Zentralbank, weiter eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Finanzprobleme in Europa zu spielen. Der Erfolg hänge davon ab, dass die Europäer zusammen mit ihrer Zentralbank alle Instrumente nutzten. Dagegen machte Schäuble deutlich, dass die sehr expansiven und unkonventionellen Maßnahmen der EZB, wie massive Liquidität für die Märkte, nur für eine befristete Zeit gelten sollten, weil sie mit hohen Risiken verbunden seien.
Die großen Industrie- und Schwellenländer hatten sich am Freitag unerwartet schnell darauf geeinigt, dem IWF zusätzlich über 430 Milliarden Dollar zur Krisenbekämpfung zur Verfügung zu stellen. Damit verfügt der IWF, wie auch die Europäer, über eine finanzielle "Feuerkraft" von rund einer Billion Dollar, mit denen im Krisenfall gegengesteuert und geholfen werden kann.
Mehr Mittel nötig
Der deutsche Bundesbank-Präsident Jens Weidmann verwies darauf, dass die dem IWF gewährte Mittelaufstockung wahrscheinlich noch um einiges über die 430 Milliarden Dollar hinausgehen könnte. Einige Länder hätten ihre Zusagen erst allgemein angekündigt, aber noch nicht endgültig unter Dach und Fach gebracht, was aber bald geschehen sollte. Schäuble verwies darauf, dass die zusätzlichen Mittel für den Fonds der gesamten IWF-Mitgliedschaft zur Verfügung stünden und nicht auf Europa zielten. Dass die Europäer mit mehr als der Hälfte zur Mittelaufstockung beitrügen - allein 200 Milliarden Dollar kommen von den Euro-Staaten - sei auch eine Antwort der Europäer auf die Solidarität und Hilfen, die der IWF ihnen in der jüngsten Vergangenheit gewährt habe.
Die Schwellenländer erneuerten unterdessen ihre Forderung nach mehr Einfluss innerhalb des IWF durch eine Reform bei der Besetzung wichtiger Gremien. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega kritisierte am Samstag vor dem IWF-Lenkungsausschuss in Washington, die Unterstützung der Industrieländer für dieses Vorhaben sei meist nur verbal. "Das bloße ritualhafte Wiederholen solcher Art von Erklärungen ist auch nicht annähernd genug." Die Reform müsse internationalen Absprachen folgend im Herbst umgesetzt werden. An Europa werde das nicht scheitern, sagte Schäuble. Von den USA, ohne deren Zustimmung das Projekt nicht Wirklichkeit werden kann, blieben dagegen feste Zusagen aus.
Vor zwei Jahren vereinbart
Die IWF-Quoten- und Strukturreform war vor zwei Jahren zusammen mit einem Zeitplan für die Umsetzung vereinbart worden. Ihr Ziel ist es, den Schwellenländern gemäß ihrem steigenden Gewicht in der Weltwirtschaft mehr Stimmen und Einfluss im IWF zu geben. Unter anderem sollen Stimmgewichte im Fonds von rund sechs Prozentpunkten von den Industrieländern, namentlich den Europäern, weg auf große Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien verschoben werden. Zudem sollen die Europäer auf zwei ihrer acht Sitze im IWF-Führungsgremium verzichten. Die Umsetzung der Reform bedarf der Zustimmung in den nationalen Gremien. Dabei muss die Vereinbarung auch vom US-Kongress ratifiziert werden. Das dies noch rechtzeitig geschehen könnte, gilt wegen des angelaufenen US-Wahlkampfes als unwahrscheinlich.