Der Erwerb einer CD mit gestohlenen Daten mutmaßlicher Steuersünder durch österreichische Behörden wäre keine Hehlerei, weil die darauf befindlichen Daten keine bewegliche Sache seien, aber mit dem Datenschutz gäbe es Probleme, konstatierte Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk in der ORF-Sendung "Im Zentrum".
Würde Österreich eine derartige CD mit Steuersünderdaten angeboten bekommen, wäre es in einer "no-win-situation", wie in einer "Doppelmühle", äußerte ÖVP-Abgeordneter Günter Stummvoll "massive Bedenken" bei einem derartigen "unmoralischen Angebot".
Der Staat sei sogar verpflichtet, auch anonym zugegangene Daten auszuwerten, erläuterte Funk, alleine darauf dürfe sich aber keine Verurteilung stützen. Wenn der Staat Informationen von einer gestohlenen Steuer-CD verwerte, handle er nicht rechtswidrig - aber der Kauf sei ein Problem, denn eigentlich müsste derselbe Staat sofort gegen den Verkäufer ermitteln. Der Handel funktioniere also nur, wenn er außerhalb der Staatsgrenzen abgewickelt werde - für Funk ein Zeichen "gewisser Verlogenheit". Laut einem Bericht will Deutschland die angebotene CD mit Daten aus der Schweiz in Frankreich kaufen.
Derartige Bedenken stellen sich den österreichischen Behörden jedoch in diesem Fall nicht, erläuterte Moderatorin Ingrid Thurnher. Denn auf dem Weg der Amtshilfe würde Deutschland die Daten Österreich überlassen, ohne dass die heimischen Behörden dafür zahlen müssten. "Im Moment gibt es keine Hinweise, dass auf dieser CD österreichische Steuerflüchtlinge sind", sagte Stummvoll. Wenn es allerdings so wäre und das österreichische Finanzministerium die Daten erhielte, "dann ist es sicher klug, nicht allzu lange mit einer Reaktion zu warten", meinte der ÖVP-Politiker: "Keiner von uns will Steuerhinterziehung".
Selbstanzeige ermöglicht Straffreiheit
Eine "erhöhte Sensibilität" von Personen, die Geld im Ausland "steuerschonend" angelegt haben, konstatiert Steuerberater Roman Leitner, der sich auf die Beratung in Steuerstrafangelegenheiten spezialisiert hat. Österreich habe hier eine "wunderbare Amnestiebestimmung", eine rechtzeitig getätigte Selbstanzeige ermögliche Straffreiheit. Noch dazu sei diese Möglichkeit in Österreich erheblich billiger als in Deutschland.
"Natürlich gibt es eine große Verlockung im Ausland Geld anzulegen", berichtete Leitner aus der Praxis. Wenn dann allerdings das Geld "weiß" gemacht werde, führe dies bei den Betroffenen zu großer Erleichterung. Auch die Banken hätten Verantwortung, meint Leitner: Bankmitarbeiter dürften nicht unterstützen, dass zum Zweck der Steuerhinterziehung Transaktionen verheimlicht würden.
Die Rolle der Schweizer Banken im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung nahm
SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen aufs Korn. Große Schweizer Banken hätten
eigene spezialisierte Abteilungen, um Steuerzahler aus Deutschland,
Österreich oder anderen Ländern in die Schweiz zu locken. "Dieses
Geschäftsmodell ist im Kern parasitär", meinte Annen.
Die
Schweiz sollte nicht nur Steuerbetrug, sondern auch Steuerhinterziehung zur
Grundlage für den Datenaustausch mit anderen Ländern machen. Die
Entscheidung der deutschen Bundesregierung, die entwendete Steuer-CD
anzukaufen, entspreche dem Gerechtigkeitsempfinden in Deutschland, so der
SPD-Politiker.
Der Staat müsse bei dem Ankauf eine Abwägung treffen, wie auch in vielen Strafverfahren. Die allermeisten Leute würden ihre Steuer bezahlen, wer sich der Steuerpflicht entziehe aber gleichzeitig die von den Steuern bezahlte Infrastruktur nutze, auf die Polizei vertraue, seine Kinder zur Schule und zur Uni schicke ohne seinen Beitrag zu leisten, der begehe einen gravierenden Verstoß.
Verfassungsänderung notwendig
Entschieden für die Beibehaltung des Schweizer Bankgeheimnisses trat Hans Kaufmann, Schweizer SVP-Abgeordneter ein. Bei Verrat des Bankgeheimnisses drohe in der Schweiz eine Gefängnisstrafe, eine Abschaffung des Bankgeheimnisses setze eine Verfassungsänderung bzw. eine Volksabstimmung voraus. "Wenn unsere Regierung jetzt wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen reagiert, dann werden wir in zwei Jahren vielleicht einige Hühner auswechseln", meinte er.
Solange es andere Instrumente gebe, das Steueraufkommen zu sichern, sehe er eine Abschaffung der Privatsphäre nicht ein. Etwa 700 Mrd. Schweizer Franken (477 Mrd. Euro) von ausländischen Privatkunden befänden sich in der Schweiz, das seien 16 % der deponierten Vermögenswerte. Darunter sei sicher auch Schwarzgeld. Die Banken sieht Kaufmann aber nicht in der Pflicht: "Ich glaube nicht, dass es Aufgabe der Schweizer Bankiers ist, bei jedem zu fragen ob das Geld versteuert ist".
Für den Schwarzarbeits-Experten Universitätsprofessor Friedrich Schneider wäre es ein "Armutszeugnis", wenn der Staat auf eine gestohlene CD zurückgreife. Steuerleistung sei ein "Kontrakt", aber viele Steuerzahler seien unzufrieden mit der Gegenleistung, meinte er und forderte eine Vereinfachung des Steuersystems. Als unterste Schätzung für die dem deutschen Staat durch Steuerhinterziehung entgangenen Gelder nannte er eine Summe von 3 Mrd. Euro.