FMA warnt vor neuer Phishing-Welle
02.10.2009
Die Finanzmarktaufsicht schlägt Alarm: Österreich ist wieder von einer Welle von Onlinebetrug erfasst. Die Opfer merken dies meist zu spät.
Es häufen sich grenzüberschreitende Anfragen bei den Aufsehern, Fälle von "unerlaubtem Betrieb" (Wertpapierdeals ohne Konzession) nehmen zu, Nachahmetäter des "Madoff"-Schneeballsystems sind aktiv.
Die beiden FMA-Vorstände Helmut Ettl und Kurt Pribil berichten von einer Häufung von Online-Betrugsfällen in den vergangenen Monaten. Eines haben die meisten Fälle gemeinsam: Bei der Kontaktaufnahme "wird die Gier im Menschen geweckt".
Wegen "unerlaubten Geschäftsbetriebs" von Finanzdienstleistungen wurden heuer von Jänner bis August in Österreich bereits 214 Ermittlungsverfahren eingeleitet, im ganzen Vorjahr waren es 174. Es wurden 21 Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, dreimal soviel wie im gesamten Jahr 2008. 27 Fälle hat die FMA an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. 20 Anbietern wurde die Tätigkeit untersagt.
Waren bisher 1 bis 2 Beschwerden pro Tag bei der FMA der Normalfall, so kam es über den Sommer zu mittlerweile 8 bis 10 Anfragen. Leider meldeten die Leute zu spät, haben bereits Zahlungen an verdächtige oder illegale Anbieter getätigt.
Der Rat der Aufseher: Vor Abschluss prüfen, Behörden- oder Marktinformationen einholen. Ungewöhnlich hohe Gewinn- oder Renditeversprechen von unbekannten Anrufern ("cold calling" ist in Österreich nach dem Telekommunikationsgesetz verboten) müssten ebenso Alarmglocken schrillen lassen wie Geschäftssitze in Steueroasen oder exzessive Verwendung von erfundenem englischen Fachvokabular. Besonders verdächtig: wenn Vorleistungen (lock-up-fees, Recherchekosten etc.) abverlangt werden.
Ein Totalausfall für den Anleger und ein Fall für die Justiz wurde heuer die
Causa "HCS Worldwide". Der von der FMA namentlich nicht genannte
Beschwerdeführer wurde von dem Anbieter mit scheinbar professioneller
Website und angeblichem Sitz in Mailand telefonisch kontaktiert, Monate
später wurden ihm "Goldminenaktien" aus Kanada verkauft, er
wurde dann zu Nachzahlungen überredet, angeblich um einen Ausfall zu
vermeiden.
Als der Kunde nach weiteren Überweisungsaufforderungen
stutzig wurde, war HCS Worldwide nicht auffindbar. Die FMA zeigte den Fall
an, setzte eine Investorenwarnung ab, das Geld des "Anlegers" ist
bis auf den letzten Cent weg. Es wird vermutet, dass die Anbieter unter
neuem Logo und altem Programm weitermachen.
Hunderte Millionen Euro Schaden
Auf 200 bis 300 Mio. Euro pro Jahr summierten sich die Schadenssummen aus solchem Internet-Finanzbetrug in Österreich. Die Dunkelziffer liegt bei einem Vielfachen. Nachdem oft unversteuerte Gelder im Spiel seien, sei die Neigung, einen Schaden anzuzeigen, wohl eher gering, weiß man bei der FMA. Eine Studie im Auftrag der Aufsicht soll bis 2010 Details über Summen und verbreitete Praktiken illegaler Anbieter in Österreich aufzeigen.
Besonders gewarnt wird aktuell davor, sich bei Online-Jobsuchen oder anderen Internetkontakten als "Finanzagent" missbrauchen zu lassen. Dabei knacken Kriminelle in der Regel über "Phishing" oder "Trojaner" beim Onlinebanking Konten, räumen die ab und lassen die Gelder auf das Konto eines meist unwissenden "Komplizen" (Finanzagent) überweisen, der - unter Provisionsversprechen oder nach Abzug von vielleicht 10 % Provision - das Geld entweder von seinem Konto ins Ausland weiter überweisen oder besser in bar abheben und dann überweisen soll. Zum einen ist nicht Konzessionierten das "Bankgeschäft" überhaupt verboten, vor allem aber geht es um zuvor "gestohlenes" Geld.
Bemerken die Phishing-Opfer, dass Geld vom Konto fehlt, sind Polizei und Aufseher am Wort. Finanzagenten fliegen dabei als erste auf. Kann der unfreiwillige Strohmann - Normalbürger, Kleinunternehmer mit Internetvertrieb etc. - bei einmaligem Vorfall "bedingten Vorsatz" nachweisen, wird er im Strafverfahren meist freigesprochen, empfindliche Bußgelder bleiben aber meist nicht erspart. Vor allem via Russland, Ukraine und China kommen in letzter Zeit solche Phishing-Deals ins Land. Dort ist es einfacher, mit gekaperten Geldern unterzutauchen.
Die Beschwerdestelle ist unter der Telefonnummer +43 (0)1 249 59 - 5108 erreichbar, suspekte Mails können an die Aufsicht weitergeleitet werden: fma@fma.gv.at.