Vom Vorwurf des Insiderhandels freigesprochen.
Der Chef der Raiffeisen Bausparkasse, Manfred Url, ist am Montag am Landesgericht Wien vom Verdacht des Insiderhandels freigesprochen worden. Richterin Claudia Moravec-Loidolt sah vor allem den Bereicherungsvorsatz für nicht gegeben an. Url hatte im November 2009 500 Aktien der damaligen Raiffeisen International (RI) mit einen Gewinn von knapp 5.000 Euro verkauft. Knapp davor fand allerdings eine Vorstandsklausur statt, auf der die ersten Schritte zur Fusion der Raiffeisen Zentralbank (RZB) und RI zur Raiffeisenbank International (RBI) beschlossen wurden. An der Klausur nahm auch Url teil. Diesbezüglich spreche viel für das Vorliegen von Insiderinformationen, so die Richterin. Allerdings habe ihm der Bereicherungsvorsatz gefehlt. Url hätte im schlimmsten Fall zu bis zu drei Jahre Haft verurteilt werden können.
"Es gibt kein Verbot des Handelns mit eigenen Aktien", führte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung nach gut vier Stunden Verhandlung aus. Die Beurteilung von Insiderhandel bringe aber immer wieder Schwierigkeiten mit sich. Im Falle von Url sei der Tatbestand des Insiderhandels laut Börsegesetz §48b nicht erfüllt worden, denn dazu hätte Url einerseits eine Insiderinformation ausnützen und sich gleichzeitig vorsätzlich bereichern müssen. Url habe es mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 18.000 Euro jedenfalls an dieser subjektiven Tatseite gefehlt. Er habe keinen Vorsatz gehabt, so die Richterin.
Die Zeugen, darunter Walter Rothensteiner, Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes, und der langjährige frühere RBI-Chef Herbert Stepic, die an der Vorstandsklausur im November 2009 ebenfalls teilnahmen, trugen mit ihren Aussagen eher zur Entlastung des Angeklagten bei.
Ob die auf dieser Klausur getroffenen Beschlüsse schon eine Insiderinformation waren, war laut Richterin nicht mit Sicherheit festzustellen, und somit auch nicht, ob eine solche Information ausgenutzt worden sei. Diesbezügliche Gesetzesbestimmungen würden sehr viele unbestimmte Begriffe aufweisen.
Das Gericht sei aber angehalten, eine sehr genaue Beurteilung zu machen. Einerseits müsse eine Insiderinformation "genau" sein, dass ein solcher Tatbestand eintritt. Andererseits müsse sie spezifisch genug sein, um sich auf den Aktienkurs auszuwirken. Die Kursrelevanz habe sich nach der im Februar 2010 erfolgten Adhoc-Mitteilung zur Fusion auch bewahrheitet, als der Kurs sank. "Es spricht schon viel für Insiderinformation", so die Richterin. Bei Strategieprojekten, die in mehreren Schritten umgesetzt werden, sei jeder Schritt zu beurteilen.
Sämtliche Zeugen - darunter auch drei für die Compliance in der RZB verantwortliche Personen - sagten, ihrer Meinung nach habe damals im November 2009 noch keine Insiderinformation vorgelegen, nicht einmal eine Compliance-relevante Information.
Die Richterin betonte, dass für Vorstandsmitglieder eines Unternehmens strengere Regeln gelten. Die bloße Aufhebung einer routinemäßigen Handelssperre exkulpiere Vorstände nicht von ihrer Verantwortung. "Der Vorstandsbereich ist immer ein Vertraulichkeitsbereich", betonte auch Anwalt Wolfgang Brandstetter, der Verteidiger von Url.