G-20 nehmen Großbanken an die Kandarre
07.09.2009Die G-20 wollen große Banken in Zukunft an die kurze Leine nehmen und deutlich höhere Eigenkapitalpuffer von systemrelevanten Instituten fordern. Das könnte nach Informationen des "Handelsblatt" aber bis 2012 dauern, um die Kreditvergabe der Institute nicht zu früh zu erschweren.
Die Finanzminister und Notenbankchefs der G-20 seien sich nach ihrem Treffen in London am Samstag weitgehend einig, dass Banken, die so bedeutend sind, dass ihr Kollaps die Stabilität des Finanzsystems gefährden würde, deutlich mehr teures Eigenkapital für riskante Geschäfte zurücklegen müssen, erfuhr das "Handelsblatt" aus Verhandlungskreisen.
Dies sei der Preis für das Privileg, im Notfall auf Staatshilfen vertrauen zu können. Konkret diskutieren die G-20, ob systemrelevante Banken künftig mehr als die Hälfte ihres Gewinns zur Stärkung der Eigenkapitalquote verwenden sollen. Dem Druck der Aktionäre, einen möglichst hohen Teil des Jahresgewinns auszuschütten, dürfe nicht mehr nachgegeben werden, hieß es in den Kreisen.
Mit der Umsetzung ihres Plans wollen die G-20 allerdings warten, bis die Banken die Folgen der Verwerfungen an den Märkten verkraftet haben, um eine Kreditklemme zu verhindern. "Die Krise ist noch nicht vorbei, die Institute haben noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Deshalb hat man keinen bestimmten Zeitpunkt festgelegt, ab dem die zusätzlichen Eigenkapitalvorschriften umgesetzt sein müssen", hieß es in den Verhandlungskreisen.
Die neuen Regeln sollten jedoch spätestens ab dem Jahr 2012 angewendet werden. Das internationale Finanzmarktstabilisierungs-Gremium FSB werde Details zu den künftigen Eigenkapitalanforderungen von systemrelevanten Banken ausarbeiten. Dabei soll auch definiert werden, welche Finanzinstitute als systemrelevant gelten. Nicht einigen konnten sich die G-20 dagegen auf Grenzen für die Bezahlung von Bank-Managern.
US-Finanzminister Timothy Geithner hatte viele seiner Kollegen einen Tag vor dem Gipfel mit seinem Vorstoß für die Eigenkapitalregeln überrascht. Einige europäische Regierungen kritisierten, dass die bereits angebrachten Änderungen am bestehenden Regelwerk "Basel II" ausreichten. Ein Vertreter des US-Finanzministeriums erklärte unterdessen, die USA hielten sich weiter an die geplante Umsetzung von "Basel II".
Seit dem letzten G-20-Treffen zur Wirtschaftskrise im April hat sich der Konjunkturausblick deutlich verbessert. Doch die Politiker fürchten, die Erholung mit einem verfrühten Ausstieg aus der Krisenpolitik auszubremsen. "Es hat niemand gesagt dass die Krise schon vorbei ist", sagte der deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Es sei aber eine Stabilisierung zu erkennen. "Es hat niemand gesagt, dass man heute die expansiven Maßnahmen der Geldpolitik, der Fiskalpolitik und der Finanzmarktstabilisierung zurückziehen soll." Die G-20 seien sich aber einig, dass ein gemeinsamer, koordinierter Ausstieg in der Zukunft vorbereitet werden solle.
"Boni dürfen kein Scheitern belohnen"
Großbritanniens Premierminister Gordon Brown warnte die G-20 vor Selbstzufriedenheit angesichts der ersten Anzeichen für einen Aufwärtstrend der Weltwirtschaft. Brown stimmte in die Empörung über milliardenschwere Prämien für Bank-Manager ein. "Gehalt und Boni dürfen kein Scheitern belohnen oder zu Risiken ermutigen", sagte Brown.
Es sei eine Beleidigung für die Steuerzahler, deren Geld mehrere Banken vor dem Kollaps bewahrt habe. Riskante Geschäfte gelten als Ursache der Finanzkrise, die die Weltwirtschaft auf einen steilen Sinkflug geschickt hat. Doch auf eine Obergrenze für die Gehälter in der Finanzbranche konnten sich die Gipfelteilnehmer nicht einigen. Als Kompromiss soll nun die Expertengruppe FSB solche Limits und die gesamte Frage weiter prüfen.
Die Finanzminister und Notenbankchefs bereiten in London den G-20-Weltfinanzgipfel Ende des Monats in den USA vor. Dort werde mit "maßgeblichem Fortschritt" bei der Frage nach einer Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) gerechnet, hieß es am Samstag weiter. Der Einfluss der Schwellenländer solle deutlich steigen. Die BRIC-Länder - Brasilien, Russland, Indien und China - hatten genaue Forderungen für ihren Stellenwert auch bei der Weltbank vorgelegt. Konkrete Pläne für die Reform wurden in London jedoch nicht festgelegt.
Banken haben angesichts des Treffens der G-20-Finanzminister vor schärferen Auflagen für die Kreditwirtschaft gewarnt. Falls sich die G-20 auf strengere Eigenkapitalvorschriften für Banken einigten, sei laut dem deutschen Zentralen Kreditausschuss (ZKA) eine "drastische Verknappung der Kreditvergabemöglichkeiten" zu befürchten, berichtete die "Stuttgarter Zeitung".
Der ZKA, dem alle Banken und Sparkassen in Deutschland angehörten, habe dies in einem Brief an das Berliner Kanzleramt und das Finanzministerium geschrieben. "Vor der andauernden Diskussion um eine mögliche Kreditklemme in Deutschland sind die diskutierten Vorschläge mehr als kontraproduktiv", erklärte der ZKA demnach.
Internationale Bankenaufsicht will Regeln verschärfen
Die weltweit führenden Zentralbanken haben unterdessen ebenfalls strengere Regeln für die Aufsicht von Finanzinstituten vorgeschlagen. Demnach sollen Banken mehr Geld als Puffer für Krisenzeiten zurücklegen und Obergrenzen für eine Schuldenaufnahme erhalten. Die Vorgaben sollten helfen wirtschaftliche und finanzielle Belastungen zu verhindern oder zumindest abzumildern, erklärte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht.
Bis Jahresende sollen die Vorschläge abschließend ausgearbeitet sein. "Die heutige Einigung unter den 27 führenden Ländern der Welt ist deshalb entscheidend, weil sie neue Standards für die Bankenregulierung und Aufsicht auf einer globalen Ebene setzt", erklärte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet als Ausschussvorsitzender.
Die Vorschläge beinhalten neben höheren Kapitalanforderungen und Verschuldungsgrenzen, Mindestanforderungen für die Liquidität bei Finanzierungsgeschäften und Rahmenbedingungen, um die Anfälligkeit von Banken bei Wirtschaftskrisen zu verringern. Zudem werden zusätzliche Kapitalanforderungen für systemrelevante Banken erwogen, um die Risiken für den internationalen Finanzmarkt einzudämmen.
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht wurde 1974 in Reaktion auf eine Reihe von Bankpleiten ins Leben gerufen. Das Gremium ist bei Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelt, der ältesten globalen Finanzinstitution. Das Institut wird auch als Bank der Notenbanken bezeichnet und dient als internationales Forum der Geldpolitik.
Harsche Kritik von Nobelpreisträger Phelps
Wirtschaftsnobelpreisträger Edmund Phelps hatte bereits im Vorfeld des G-20-Gipfels schärfere Regeln für Banken gefordert. "Im Finanz- und Unternehmenssektor gibt es nach wie vor keine Abkehr vom kurzfristig orientierten Denken", sagte der amerikanische Ökonom dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Die G-20-Staaten müssten Regeln beschließen, die "Banken daran hindern, vollkommen bizarre Wetten auf Schuldenbasis zu machen, um damit irreale Renditeziele zu erreichen".
Zudem müssten die Vorschriften für das Eigenkapital der Banken verschärft und Bonussysteme auf die langfristige Entwicklung ausgerichtet werden. Eine Deckelung der Boni-Höhe sei dagegen nicht notwendig. Die Folgen der Krise schätzt er vor allem für sein Heimatland dramatisch ein. "Es wird in den USA rund 15 Jahre dauern, bis die privaten Ausgaben wieder auf dem Niveau von vor der Krise angekommen sind", sagte er. "Genau so lang wird es dauern, bis der finanzielle Schaden durch Haus-, Vermögens- und Aktienverluste ausgeglichen ist."