Der weltweit viertgrößte Rückversicherer Hannover Rück will sich durch eine konservativere und weniger schwankungsanfällige Geschäftspolitik bei Anlegern interessanter machen. "Weil Investoren unsicher über die künftige Gewinnhaltigkeit sind, sind wir unterbewertet", sagte der neue Firmenchef Ulrich Wallin - der ein im Vergleich zu seinem Vorgänger zurückhaltenderes Auftreten angekündigt hat - in einem Agentur-Interview.
"Nun wollen wir die Gewinne verstetigen." Margenstarkes wie risikoreiches Geschäft soll aufgegeben und die Kapitalbasis gestärkt werden. Obwohl der neue Kurs kurzfristig Gewinn- und Dividendenverzicht bedeutet, sehen Analysten den Konzern damit auf dem richtigen Weg. "In den vergangenen fünf Jahren waren die erwarteten Gewinne durchschnittlich höher als die tatsächlichen - entweder gab es höhere Schäden aus Naturkatastrophen oder die Kapitalanlagen litten unter dem Einbruch der Märkte", sagt DZ-Bank-Analyst Thorsten Wenzel.
Unicredit-Analyst Bernd Müller-Gerberding ergänzt: "Bei der Bewertung von Hannover Rück gibt es bisher einen Abschlag, weil das Unternehmen weniger breit aufgestellt ist als andere und teilweise höhere Risiken aufnommen hat, etwa in der Rückversicherung von Naturkatastrophen." Daher steht der Konzern in Augen von Anlegern schlechter da als Konkurrenten. Dem Investorenservice StarMine zufolge, der die Schätzungen von Analysten nach deren in der Vergangenheit erreichter Präzision bewertet, wird Hannover Rück derzeit zum 5,8-Fachen des für die nächsten zwölf Monate erwarteten Gewinns gehandelt. Das ist weniger als bei Münchener Rück (7,5) und Swiss Re (8,7).
Hannover Rück steuert nun gegen. "Wir zeichnen weniger Geschäft im Bereich Naturkatastrophen-Deckungen, bauen das stabilere Lebens-Geschäft aus und legen unser Geld konservativer an", kündigt Wallin an. JP Morgan-Analyst Michael Huttner sieht es so: "Hannover Rück hat realisiert, dass sie nicht nur von Kaviar leben können, sondern auch Gemüse essen müssen."
Dabei sind manche der ersten Schritte auf dem neuen Kurs unfreiwilliger Natur. "Hannover Rück entgeht in diesem Jahr ein Gewinnbeitrag von rund 40 Mio. Euro, weil wir weniger Retrozession platziert haben als geplant", sagt Wallin. Um Geschäft zu generieren, kaufen Rückversicherer bisweilen bei Konkurrenten zusätzliche Risikodeckung ein, die sogenannte Retrozession. Gerade 2009 könnte die geringere Zeichnung des margenstarken Naturkatastrophen-Geschäfts bitter sein, denn: "Die Experten sagen eine unterdurchschnittliche Hurrikan-Saison voraus", sagt Wallin. Wenig Stürme bedeuten potenziell hohe Gewinne.
Zusätzliches Kapital notwendig
Um ohne eingekaufte Hilfe von Konkurrenten mehr Geschäft zeichnen zu können, braucht Hannover Rück zusätzliches Kapital. "Die Ausgabe neuer Aktien ist nicht geplant, aber wir wollen Gewinne einbehalten", sagt Wallin. Investoren schreckt der Schwenk auf den bereits von der großen Konkurrenz verfolgen Kurs nicht. "Die Münchener Rück kann ihr gesamtes Geschäft mit eigenen Ressourcen darstellen", sagt LBBW-Analyst Robert Mazzuoli. "Für Rückversicherer ist das auch sinnvoller." Mit seinem Mehrheitsaktionär hat sich Hannover Rück abgesprochen. "Das ist auch im Sinne von Talanx, denn die sind nicht an kurzfristig hohen, sondern an langfristig stabilen Dividenden interessiert."
Während die von Hannover Rück eingeleiteten Schritte die Aktie nach Einschätzung von Analysten langfristig tatsächlich interessanter machen könnten, wird das Papier möglicherweise schon bald - ohne eigenes Zutun - schlagartig an Aufmerksamkeit verlieren. Anfang September wird die Deutsche Börse über die Zusammensetzung des Leitindex Dax entscheiden. "Wir sehen uns als mittelständisches Unternehmen und werden daher mit dem voraussichtlichem Abstieg aus dem Dax gut umgehen können", sagt Wallin.