München
ifo-Chef: "Dreht Griechen den Geldhahn zu"
05.06.2011
"Griechenland ist überschuldet und zu teuer", meint der Ökonom.
Der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn (Ifo) plädiert dafür, Griechenland den "Geldhahn allmählich zuzudrehen", in der "Wirtschaftswoche" kritisiert er auch die Europäische Zentralbank (EZB), die "die Staatengemeinschaft dazu drängt", die Finanzierung der Defizite in den Krisenländern mit öffentlichen Krediten fortzuführen. Auch Eurogruppen-Chef Jean Claude Juncker bekommt Kritik ab.
"Überschuldet und zu teuer"
"Griechenland ist überschuldet und zu teuer. Wenn man dem Land Schulden erlässt, würde das für eine Weile helfen, aber an der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit nichts ändern. Dazu braucht es eine Abwertung um 20 bis 30 Prozent gegenüber seinen Partnern im Euro-Raum. Die kriegt man nur hin, wenn man den Geldhahn allmählich zudreht", sagt Sinn im Interview mit der "WirtschaftsWoche".
Gegen einen Schuldenschnitt wehrt sich die EZB laut Sinn "aus eigenem Interesse". Der Präsident des ifo Instituts rechnet vor: "Ihr Eigenkapital liegt bei knapp 11 Mrd. Euro. Ein Schuldenschnitt von beispielsweise 40 Prozent würde bedeuten, dass sie auf die 45 Milliarden griechischer Staatspapiere, die sie angeblich besitzt, 18 Milliarden Euro abschreiben müsste. Dann wäre die EZB technisch pleite."
ifo-Chef fordert Wende
Der Ifo-Chef will von der EZB eine Umkehr: "68 Prozent der Kredite, die im Rahmen der Geldschöpfung der EZB entstanden sind, bestehen inzwischen gegenüber Portugal, Italien, Griechenland und Spanien. Nur noch 32 Prozent der von der EZB durch Kredit finanzierten Zentralbankgeldmenge oder 180 Milliarden Euro entfallen auf die restlichen Länder des Euro-Raums, obwohl diese 82 Prozent der Wirtschaftsleistung der Euro-Zone stellen. Wenn das Tempo der Kreditverlagerung in die Krisenländer, das durch die Target-Salden gemessen wird, zuletzt etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr, beibehalten wird, ist die EZB in zwei Jahren am Ende."
Dann, so Sinn, könne sie das Geld, das sie in den GIPS-Ländern (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien) zusätzlich druckt, um deren Importrechnung zu bezahlen, in den anderen Euro-Ländern nicht mehr einsammeln und müsse eine Inflation der Geldmenge in Kauf nehmen. Neue von Steuerzahlern finanzierte Rettungspakete dürften nicht die Lösung sein. Sinn: "Was die EZB hier tut, sehe ich mit großer Sorge. Es geht nicht an, dass die EZB eine fiskalische Kreditvergabe, die 2009 auf dem Höhepunkt der Krise berechtigt war, jetzt so fortsetzt."
Sinn: Juncker ist falsche Besetzung
Sinn hält zudem den luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker für die falsche Besetzung an der Spitze der Euro-Gruppe. "Die luxemburgischen Banken haben eine Bilanzsumme in Höhe des 18-fachen des Luxemburger Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland haben wir nur das Zweieinhalbfache. Der Vertreter eines solchen Landes kann nicht für Europa sprechen und den Steuerzahlern sagen, sie müssten bitte einen Bail-out des Bankensystems vornehmen", kritisiert Sinn im Gespräch mit der "WirtschaftsWoche". Juncker, sagt Sinn, "ist viel zu sehr Partei. Luxemburg ist mit Finanzinstitutionen überfüllt, ein Schiff, das bis zum Himmel mit Containern voll beladen wurde und bei der kleinsten Turbulenz umkippen kann". Zwar sieht auch Sinn Luxemburgs Banken bei einem griechischen Schuldenschnitt in Gefahr, sieht die Lösung aber eher in einem Sonderprogramm für das Großherzogtum: Sinn "Für Luxemburg müsste und könnte man ein Sonderprogramm auflegen: Wir können nicht den Lebensstandard ganzer Völker, die über ihre Verhältnisse leben, über Jahre hinaus mit immer mehr neuem öffentlichem Kredit aufrechterhalten, um Europas Banken zu retten. Die direkte Rettung der Banken ist immer der billigere Weg."