Nobelpreisträger erklärt die Krise: Wie Euro noch zu retten ist.
Ist unser Euro noch zu retten? Jetzt meldet sich der erste Top-Experte zu Wort, der sagt: Die gesamte Währungsunion ist eine Fehlkonstruktion. Der anerkannte US-Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman (58) sagt im Interview mit dem deutschen Handelsblatt: „Es gibt keinen gemeinsamen homogenen Wirtschaftsraum. Damit fehlte auch die Voraussetzung für eine gemeinsame Währung. Deshalb war das Euro-Projekt ein schrecklicher Fehler.“
Wetten auf Staatspleiten müssen gestoppt werden
Aber da der Euro ohne schwere wirtschaftliche Folgen nicht mehr abgeschafft werden kann, müsse nun alles zu seiner Rettung getan werden, sind sich die meisten Experten einig. Gefordert wird von vielen, dass einfach mehr Geld gedruckt werden solle, um Schuldenländern aus der Patsche zu helfen. „Einziger Ausweg ist jetzt die Abzahlung von Schulden durch eine Erhöhung der Geldmenge“, fordert etwa die konservative britische Zeitung The Times. Dagegen stemmen sich vor allem die Deutschen – weil das die Inflation steigert.
Auch Krugman fordert, dass jetzt mehr Geld gedruckt wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) solle damit in großem Stil Staatsanleihen des größten Krisenlandes Italien aufkaufen, um den Wetten auf eine Italien-Pleite ein Ende zu machen.
Das sei gegen die Regeln, aber die Situation sei so dramatisch, dass man „alle Regeln vergessen“ müsse. Sonst sei der Euro am Ende, warnt er.
Krugman: »EZB muss jetzt sehr radikale Dinge tun«
Dieses Interview sorgt für Furore: Dem Handelsblatt sagte der amerikanische Nobelpreisträger Paul Krugman: Voraussetzungen für eine gemeinsame Währung fehlen in Europa:
Frage: Wir haben einen neuen Krisenherd: Italien. Was wird passieren?
Paul Krugman: Das hängt von der EZB ab. Sie wird alles tun, um eine italienische Kernschmelze zu verhindern. Wenn Italien einen Schuldenschnitt machen müsste, würde der Euro zerbrechen.
Frage: Was die EZB um jeden Preis verhindern will?
Krugman: Am Ende wird die EZB in den Abgrund blicken und sagen: „Vergessen wir alle Regeln, wir müssen die Anleihen kaufen.“ Der Ansturm auf Italien muss gestoppt werden. Sonst scheitert das ganze Euro-Projekt.
Frage: Gescheitert war das Projekt schon am Anfang.
Krugman: Ja, es gibt keinen gemeinsamen homogenen Wirtschaftsraum. Damit fehlte auch die Voraussetzung für eine gemeinsame Währung. Deshalb war das Euro-Projekt ein schrecklicher Fehler.
Frage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB die Währungsunion tatsächlich mit einem massiven Aufkauf von Staatsanleihen rettet?
Krugman: Die Notenbank muss außerdem noch die Märkte davon überzeugen, dass sie deren Angriffen auf jeden Fall standhalten wird. Anders gesagt muss die EZB klarmachen: „Wir kaufen so viel, wie eben nötig ist.“
Frage: Deutschland könnte sagen: „Wir wollen nicht zahlen.“
Krugman: Nehmen wir an, man würde sich gegen die Anleihekäufe der EZB wehren. Was würde passieren? Es gäbe einen Run auf italienische Banken. Institute müssten geschlossen werden. Die Renditen der Staatsanleihen würden nach oben schießen. Kaum vorstellbar, dass sich Kanzlerin Merkel bei diesem Ausblick gegen den Euro wendet.
Frage: Der letzte Vorschlag für einen griechischen Schuldenschnitt waren 50 Prozent. Reicht das?
Krugman: Sogar mit 50 Prozent senkt man die Schuldenquote im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung nur sehr moderat. Es bleibt noch ein hoher Schuldenberg für eine längere Zeit. Man kann deshalb gute Argumente für einen höheren Schnitt von etwa 70 Prozent finden.
Frage: Griechenland ist klein. Was ist mit anderen Wackelkandidaten?
Krugman: Auch Portugal ist fundamental insolvent, eventuell auch Irland. Aber das gilt nicht für Italien und Spanien. Wenn beide Länder nicht unter einer spekulativen Attacke der Märkte zusammenbrechen, können sie es schaffen. Sowohl Spanien als auch Italien haben bei Anleiherenditen von bis zu vier Prozent eine gute Überlebenschance. Bei sieben Prozent allerdings funktioniert das nicht. Da kommt dann eben die EZB ins Spiel.
Frage: Was wäre der Worst Case für kommende Jahre?
Krugman: Italien verlässt den Euro. Kunden ziehen Einlagen ab. Banken schließen. Spanien wird mit nach unten gezogen. Wahrscheinlich fällt Frankreich. Konsequenz: Der Euro mutiert zur erweiterten Deutschen Mark. Ich kann kaum glauben, was ich sage. Auch wenn es schwerfällt: Das hat eine Wahrscheinlichkeit von bis zu 40 Prozent.
Frage: Wie wäre das zu verhindern?
Krugman: Die EZB müsste sehr radikale Dinge tun, müsste großflächig Staatsanleihen aufkaufen. Der Rettungsschirm ist im Vergleich weniger wichtig.