Haiders Banker
Kulterer: "Lebe von 1.000 Euro im Monat"
03.12.20103 Monate in U-Haft. Jetzt redet Wolfgang Kulterer – und sieht sich als Opfer.
Er hatte sich schon auf einen längeren Aufenthalt in der U-Haft eingestellt. Plötzlich kam alles anders. Die Enthaftung gegen eine Kaution von 500.000 Euro (das Geld stammt nicht von Ingrid Flick, sondern von Nachbarn) war für Wolfgang Kulterer (57) eine Überraschung.
Wieder in Freiheit will der Ex-Hypo-Alpe-Adria-Boss jetzt vor allem eines: seine Unschuld beweisen. Dafür investiert er sein ganzes Vermögen. 1,5 Millionen Euro hat er bis jetzt an Verfahrenskosten, Anwaltshonoraren und Gutachten bezahlt. „Ich habe alle meine Besitzungen verkauft, habe derzeit kein Einkommen und lebe von der Substanz“, sagt er zu ÖSTERREICH.
Der einst mächtige Banker lebt jetzt angeblich von 1.000 Euro im Monat. Sein Hobby Militaryreiten hat er aufgegeben. „Meine Pferde vermisse ich. Sonst habe ich mich mit der Situation abgefunden“, so Kulterer.
Seine Zukunft sieht er nicht im Geld-Business: „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und kann mir vorstellen, im Agrarbereich tätig zu werden.“
Vorab wird ihm der Prozess gemacht
Auch das ist kurios: Die Hypo versenkte Milliarden, macht auch heuer noch einen Verlust von bis zu 700 Millionen. Angeklagt hat die Justiz überraschenderweise bis jetzt nur einen: Wolfgang Kulterer. Und das für Kredite über vergleichsweise lächerliche 2,15 Millionen Euro. Weil er – auf Wunsch Jörg Haiders – Privatdetektiv Dietmar Guggenbichler Geld borgte. Und – ebenfalls auf Druck des Landeshauptmannes – die Pleite-Airline Styrian Spirit mit Krediten versorgte.
Bis zu zehn Jahre Haft drohen
Angst habe er keine, sagt er. Jetzt nicht mehr. 2006 war das anders. Da wurde sein Auto manipuliert, Schrauben an den Rädern gelockert. There’s no business like bank business.
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500.000 Euro Kaution – jetzt redet Ex-Hypo-Chef Kulterer
ÖSTERREICH: Herr Kulterer, haben Sie sich schon vom Schock der U-Haft erholt.
Wolfgang Kulterer: Das war wie der sprichwörtliche Blitzschlag aus heiterem Himmel. Ich war überzeugt, dass die Herren, die ich schon aus früheren Befragungen kannte, eine Hausdurchsuchung durchführen wollen. Aber man hat mir mitgeteilt, mich in die Justizanstalt mitzunehmen. Das war ein Schock. Und über die weiteren 48 Stunden, die sich dann abgespielt haben, will und kann ich nicht sprechen. Das sind Erlebnisse, die man erst aus einem gewissen Abstand heraus kommentieren kann.
ÖSTERREICH: War die Behandlung in der Polizeiverwahrung so menschenunwürdig?
Kulterer: Das war es absolut. Im Polizeigewahrsam wird man wie ein Schwerverbrecher oder ein Mörder behandelt. So etwas verdaut man erst nach Monaten.
ÖSTERREICH: Wie lange haben Sie in der U-Haft gebraucht, um sich an den Alltag zu gewöhnen?
Kulterer: In den ersten drei bis vier Tagen war ich in einer Art Schockzustand. Man stellt sich die Sinnfrage. Da schießen im Zeitraffer die letzten 25 Jahre durch den Kopf. Und man denkt sich: Das kann jetzt nicht möglich sein, dass ich hinter einem Fenster mit Gittern sitze und hinter einer Stahltür eingesperrt bin. In den ersten Tagen haben mir die Justizwachebeamten sehr geholfen, mental über die Runden zu kommen. Vor denen ziehe ich den Hut. Nach diesem ersten Schock beginnt dann der Kampf. Ich will nicht für etwas niedergeprügelt werden, was nicht mein Verantwortungsbereich ist. Es wird so getan, als wenn ich kurz vor der Verhaftung noch Hypo-Vorstand gewesen wäre. Aber ich bin seit über vier Jahren nicht mehr in der Bank tätig.
ÖSTERREICH: In der U-Haft ist man von der Außenwelt abgetrennt, wie kann man da kämpfen?
Kulterer: Das Gute an der U‑Haft ist, dass man volle Akteneinsicht bekommt. Und ich habe Tausende Seiten gelesen. Es waren 150 Ordner mit je 800 Seiten. Dann wollte ich auch Italienisch lernen. Wir haben einen Italienischlehrer beantragt, der wurde aber erst nach acht Wochen bewilligt. Der Lehrer wurde von mir bezahlt.
ÖSTERREICH: Wie gehen Sie mit Ihrem tiefen Fall vom Landeskaiser zum Buhmann um?
Kulterer: Das ist eine Tatsache, die man einfach akzeptieren muss. Das soll auch eine kleine Warnung an Manager sein. Wenn die Konstellationen so zusammenlaufen, dass ein Sog nach unten entsteht, dann kann das jedem passieren. Die Stärke von einem Menschen zeigt sich nicht, wenn man ganz oben steht auf der Leiter, sondern wenn man runterfliegt und die Kraft hat, wieder aufzustehen.
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ÖSTERREICH: Welche Konstellationen meinen Sie da konkret?
Kulterer: Im Jahr 2004 hatte ich eine sehr emotionale Scheidung, die mich sehr belastet hat. Nicht einmal 14 Tage später kam die Meldung, dass unsere Treasury-Abteilung mit den Swaps mit ein paar Hundert Millionen im Verlust steht. Gleichzeitig musste ich die Bank auf einen Börsengang vorbereiten. Es ist sprichwörtlich alles auf einmal zusammengekommen. Und da fragt man sich: Verflixt, warum passiert das? Heute glaube ich, dass es eine höhere Kraft gibt, die alles lenkt, und das Schicksal einem Prüfungen auferlegt.
ÖSTERREICH: Werden Sie auf der Straße schief angeschaut?
Kulterer: Ab September 2009 war es schon eine Überwindung und eine brutale Belastung. Denn alle haben mich schief angeschaut. Niemand hat akzeptiert, dass ich 2005 die letzte Bilanz als Vorstand unterschrieben habe. Die Tatsache, dass es nach mir vier Vorstände gab, wird in der Öffentlichkeit völlig ignoriert. Das lasse ich nicht mehr zu.
ÖSTERREICH: Sie betonen immer wieder, dass Sie fast mittellos sind. Was hat Sie härter getroffen: Ihre teure Scheidung oder die Kosten für Rechtsanwälte und Gutachter?
Kulterer: Die Scheidung war ein harter Schlag. Davon konnte ich mich jedoch finanziell wieder erholen. Aber die Kosten des Verfahrens und die Kosten der Rechtsanwälte und der Gutachten sind enorm. Durch den Wirbel seit 2009 habe ich viele meiner Kunden verloren. Deswegen musste ich mich von vielen Dingen trennen, um die laufenden Kosten für die Verfahren zu decken. Seit 30. 3. 2006 bis heute habe ich 1,5 Millionen Euro Kosten.
ÖSTERREICH: Was war der schlimmste Verlust für Sie?
Kulterer: Dass ich den Pferdesport aufgegeben musste.
ÖSTERREICH: Ein nicht gerade billiges Hobby ...
Kulterer: Ich habe immer junge Pferde gekauft, die nicht so teuer waren, und habe sie dann selbst ausgebildet.
ÖSTERREICH: Wie viel hat Ihr teuerstes Pferd gekostet?
Kulterer: 45.000 Euro.
ÖSTERREICH: Wovon leben Sie jetzt?
Kulterer: Von der Substanz. Ich habe kein Einkommen. Ich muss in den nächsten Monaten schauen, dass ich wirtschaftlich wieder die Füße auf den Boden bekomme.
ÖSTERREICH: Wie hoch ist Ihr Monatsbudget derzeit?
Kulterer: Ich habe keinen großen Aufwand. Ich lebe von 1.000 bis 1.500 Euro.
ÖSTERREICH: Sie betonen gerne, dass Sie nicht Jörg Haiders Bankier waren. Ist nicht alles in der Hypo auf Zuruf von Haider passiert?
Kulterer: Haider war ein Reibebaum für mich. Wir hatten ein sehr distanziertes Verhältnis und es gab keine Freundschaft zwischen uns. Aber es gab natürlich die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, wie es alle anderen Landesbanken auch machen, denn das Land war der Eigentümer der Hypo. Ich habe versucht, Haiders Einfluss abzublocken, wo er nicht im Sinne der Bank war. Und das ist mir oft genug gelungen.
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ÖSTERREICH: Sie waren bis zu Ihrer Festnahme Vorstand der Flick-Stiftung. Haben Sie schon mit Frau Flick telefoniert?
Kulterer: Ja, ich habe mich bei Frau Flick entschuldigt, dass ihr Name immer wieder hier genannt wird, obwohl sie nichts damit zu tun hat.
ÖSTERREICH: Am Tag Ihrer Pressekonferenz wurde bekannt, dass Sie einen Drei-Millionen-Euro-Koffer von der Hypo-Tochter in Liechtenstein abgeholt haben.
Kulterer: Ja, der Vorwurf ist wirklich der Gipfel (lacht). Erstens: Es gab keinen Koffer. Zweitens: Wie soll das gehen, dass ich von einer Bank drei Millionen mitnehme, und niemandem fällt es auf. Dass ein Bankdirektor so blöd ist, dass er die Überweisung von fünf Bankmitarbeitern unterschreiben lässt und dann mit dem Geld abhaut, wäre so ähnlich, wie wenn ein Bankräuber seine Visitenkarte am Tatort hinterlässt.
ÖSTERREICH: Sie behaupten, es sei ein Kundengeschäft gewesen. Wollen Sie, dass Sie vom Bankgeheimnis befreit werden, damit Sie den Kunden nennen können?
Kulterer: Wir haben schon beantragt, dass das Bankgeheimnis aufgehoben wird. Ich hoffe, es wird bewilligt, weil diese Geschichte die größte Blamage für die Bank und die Ermittler wird.
ÖSTERREICH: Für Sie ist die BayernLB die Schuldige?
Kulterer: Ich habe immer betont, dass ich voll zu meiner Verantwortung als Vorstand von 1992 bis September 2006 stehe. Vor meinem Rücktritt als Vorstand gab es Prüfungen von der Nationalbank über die Finanzmarktaufsicht bis hin zu den besten Wirtschaftsprüfungskanzleien. Das Ergebnis war immer das Gleiche: Alles in Ordnung. Nur das Risikomanagement sollte verbessert werden. Und das habe ich auch eingeleitet. Nach meinem Ausscheiden wurde dann von den deutschen Eigentümern der BayernLB das Geschäftsvolumen der Bank von 2006 bis Ende 2009 fast verdoppelt. Das soll risikolos gewesen sein? Noch dazu, wo gerade die Wirtschaftskrise ausgebrochen ist und alle anderen auf Sicherheit gesetzt haben? Das glaubt doch keiner!
ÖSTERREICH: Auf Untreue stehen bis zu zehn Jahre Haft. Haben Sie Angst vor dem Gefängnis?
Kulterer: Ich habe keine Angst vor der Haft, weil ich keine Untreue begangen habe.