Der Notenbankgouverneur fordert schnelleres Handeln von der Politik.
Angesichts der Schuldenkrisen in Europa und USA, Konjunktursorgen und Börseabstürzen drängte der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und EZB-Rat Ewald Nowotny am Dienstag die Politiker, schneller und entschiedener gegenzusteuern. In Europa müsse die Politik die Beschlüsse des Eurogipfels vom Juli wirklich rasch umsetzen, hier gebe es Verzögerungen und Unsicherheit. Alle Staaten müssten ihre Finanzen stabilisieren. Nowotny zeigte sich im ORF-Mittagjournal sehr besorgt und er ortet bereits gewisse Parallelen zu der Krise nach der Lehman-Pleite. Der Notenbanker verteidigte zudem die Anleiheaufkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB).
Ob die Krise schon so schlimm sei wie "Lehman" 2008, wurde Nowotny in dem Interview gefragt: "Das würde ich derzeit nicht sagen" - realistischerweise müsse man aber sehen, dass es "gewisse Parallelen" gebe. Beispielsweise, dass die Banken in ihrer Kreditvergabe vorsichtig werden, und dass sie in zunehmendem Maß Geld bei der EZB parkten. Die Einlagen bei der EZB seien massiv angestiegen. "Das ist kein gutes Zeichen".
Wichtig sei es, hier Stabilität und Sicherheit herzustellen, mahnte Nowotny.
Keine Prognose
Ob die Kursstürze an den Börsen weitergehen, dazu vermag er keine Prognose abzugeben. Börsen seien sehr sensibel und oftmals irrational. Das Börsegeschehen sei durch Erwartungen bestimmt, und eine Beeinflussung dieser Erwartungen sei nur im begrenzten Maß möglich. Der unmittelbare Anlass jetzt sei ja die Budgetproblematik in den USA gewesen und das politische Tauziehen um die dortige Schuldengrenze. Zudem herrschen Sorgen um die US-Konjunktur, obwohl die sich ja nicht so abrupt verändere. Jetzt stiegen aber die Befürchtungen, dass es international wieder zu einem Abwärtstrend kommen könnte. Für Europa gelte das von der Prognoseseite her nicht, aber natürlich würden "Europa und damit auch Österreich von dieser Entwicklung mitgezogen".
Realistisch gesehen sei man hier in einer schwierigen Situation. Hier gelte es "mit Klugheit und Entschlossenheit" zu agieren. Im EZB-Rat sei sehr ausführlich diskutiert worden, welche Risiken mit den jüngsten Aktionen (neue Anleihe-Aufkäufe, Anm.) verbunden seien. "Natürlich hat jedes Handeln Risiken", räumte Nowotny heute ein. Aber es sei besser als "Nicht-Handeln". In dieser Situation gebe es keine Maßnahme, die ohne Risiko sei. Nowotny bekräftigte aber, dass es damit zu keiner Ausweitung der Geldmenge komme, es sei damit keine Inflationsproblematik verbunden.
Staatsanleihen kaufen
Die EZB hatte am Sonntagabend signalisiert, dass sie nun auch Staatsanleihen der großen Euroländer Italien und Spanien kaufen will. Händler hatten gestern berichtet, dass mehrere europäische Zentralbanken italienische und spanische Bonds aufkauften. Die EZB selber will vorerst bis Anfang kommender Woche keine Angaben über das Ausmaß ihrer indirekten Hilfen für die unter Druck geratenen Schuldenländer Italien und Spanien machen. "Wir sind auf dem Sekundärmarkt aktiv. Aber ich sage nicht, was wir kaufen", sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Dienstag dem Radiosender Europe 1. Am kommenden Montag will die EZB laut dpa aber einen Betrag nennen.