Migrationsrichtlinien
ÖGB und AK warnen vor EU-Lohndumping
05.10.2011
Vorschlag der EU-Kommission zur Saisonnier-Regelung "verfehlt".
Alles andere als begeistert sind Gewerkschaften und Arbeiterkammer über die von der EU geplanten Richtlinien betreffend Saisonniers und Konzernentsendungen. Sie befürchten Lohn- und Sozialdumping und verlangen "eine gänzliche Überarbeitung" der beiden Entwürfe. "Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in der EU halte ich die Saisonnierrichtlinie vom Zeitpunkt her für verfehlt", sagte der Arbeitsmarktsprecher des ÖGB, Rudolf Kaske, am Mittwoch vor Journalisten. Soziale Spannungen und rechtspopulistische Strömungen gebe es in der EU angesichts der aktuell rund 23 Millionen Arbeitslosen bereits genug. Derzeit seien bereits um rund 7 Millionen Menschen mehr arbeitslos als vor der (letzten) Krise.
"Ein Wettbewerb um die niedrigsten Löhne und sozialen Standards wird uns in Europa nicht aus der Krise führen", mahnte Kaske. Die Arbeitslosenquote in der EU betrage im Durchschnitt rund 10 Prozent, unter den Jugendlichen sogar mehr als 20 Prozent. "In Europa ist also jeder fünfte Jugendliche ohne Job", betonte der Gewerkschafter. In Spanien erreiche die Jugendarbeitslosigkeit sogar beinahe 50 Prozent - da sei "ein gewisser sozialpolitischer Sprengstoff vorhanden".
Auf der Grundlage der neuen EU-Richtlinie zu den Saisonniers sollen die Arbeitskräfte aus Drittstaaten befristet in die EU kommen und dann wieder zurückwandern. "Das hat bisher nicht funktioniert und wird auch in Zukunft kaum funktionieren", ist Kaske überzeugt. Vielmehr würden die Drittstaatenangehörigen oftmals in die Illegalität abgleiten. Die Integrationsperspektive fehle völlig.
"Weil die schlechten Jobs keiner machen will, holen wir Arbeitnehmer, denen es noch schlechter geht", kritisierte der Gewerkschafter. Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass den Betroffenen der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werde. Das erklärte Ziel müsse es sein, die Arbeitsbedingungen und die prekären Jobs zu verbessern, statt noch mehr prekäre Jobs zu schaffen.
Bei der Konzernentsendungsrichtlinie stoßen sich die Arbeitnehmervertreter vor allem am Adressatenkreis. Die Regelung soll dem aktuellen Entwurf zufolge für Führungskräfte, Fachkräfte und Trainees gelten. Die Fachkräfte seien aber nicht näher definiert und die Praktikanten (Trainees) würden oft als unterbezahlte normale Arbeitskräfte eingesetzt, befürchtet der Migrationsexperte der Arbeiterkammer Wien, Johannes Peyrl.
"Wir fordern, dass die Fachkräfte und die Trainees aus der Richtlinie herausgenommen werden." Sie solle nur für Manager von Konzernen gelten. Außerdem dürfe es aus konzerninternen Leiharbeitsunternehmen keinerlei Entsendungen geben, fordern AK und ÖGB.
Im Juli 2010 hatte die EU-Kommission die beiden Migrationsrichtlinien vorgelegt, 2012 sollen sie verabschiedet werden. Darauf folgt üblicherweise eine Umsetzungsfrist von zwei Jahren in den einzelnen EU-Staaten. "2014 oder 2015 werden die neuen Regelungen voraussichtlich in die Umsetzung kommen", erwartet Kaske.