Wachstum nur noch 0,8%
Österreichs Wirtschaft stürzt ab
30.09.2011
Wifo und IHS revidieren ihre Wachstumsprognosen für 2012 extrem nach unten.
„Der Aufstieg war stärker als erwartet, aber auch kürzer“, brachte Wifo-Chef Karl Aiginger die düsteren Prognosen auf den Punkt. Denn das österreichische Wirtschaftswachstum, das dieses Jahr mit rund drei Prozent noch ordentlich brummt, soll bereits im kommenden Jahr eine Vollbremsung hinlegen.
Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und Institut für Höhere Studien (IHS) erwarten in ihrer Prognose für das Jahr 2012 nur mehr 0,8 beziehungsweise 1,3 Prozent reales Wirtschaftswachstum (ÖSTERREICH berichtete
). Im Vergleich zur letzten Prognose vor drei Monaten etwa eine Halbierung.
Vielleicht die allerletzte Chance für Reformen
Experten haben es vorab kommen sehen. Etwa der Industrielle Hannes Androsch: „Mich hat diese Prognose nicht überrascht. Wir müssen nun auf längerfristig ausgerichtete Mehrfachstrategien setzen. Es geht um ein Vertrauensdefizit, das behoben werden muss, die Konsolidierung der Finanzmärkte, wir müssen die total überschuldeten öffentlichen Finanzen wieder in den Griff bekommen und zugleich müssen Zukunftsausgaben wie in Bildung und Forschung verstärkt werden.“
Die düsteren Zahlen sind sogar noch optimistisch
Auch Aiginger bläst ins gleiche Horn: „Momentan ist der gefährlichste Zeitpunkt seit Krisenbeginn, aber er ist vielleicht die allerletzte Chance auf Reformen und Strukturverbesserungen.“
Die prognostizierten Wifo/IHS-Zahlen sind mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 (–3,9 Prozent) die schlechtesten Jahreswerte seit 2004, als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um 0,8 Prozent gewachsen war.
Dabei sind diese Zahlen noch optimistisch angenommen, denn sie gelten nur für den Fall, dass es keine ungeordneten Staatsbankrotte in der Eurozone gibt, dass die gemeinsame Währung in ihrer aktuellen Form fortbesteht, dass die Zinsen für die Staatsschulden nicht deutlich ansteigen und dass kein weiterer Aktienkursverfall stattfindet, betonten Aiginger und IHS-Boss Bernhard Felderer unisono.
In die Prognosen der Institute eingerechnet ist lediglich ein „geordneter Ausgleich“ Griechenlands, der zu einem 50-prozentigen Abschlag auf dessen Schulden führen würde.
Es gibt noch einen intakten „Österreich-Bonus“
Immerhin soll sich aber Österreich mit 0,8 % auch 2012 besser entwickeln als Rest-Europa (+0,5 % BIP im Euro-Raum). „Und dies zum zehnten Mal in Folge“, verweist Aichinger auf den intakten „Österreich-Bonus“. Doch auch dieser kann nicht verhindern, dass die Arbeitslosenquote (siehe Interview) wohl auf sieben Prozent ansteigen und ohne Reformen auch dort bleiben wird. Darin sieht Aiginger auch eine der großen Herausforderungen für die Politik, nämlich hier massiv entgegenzusteuern.
"Arbeitslosigkeit steigt auf 7 % an"
Wirtschafts-Forscher Karl Aiginger im Interview
ÖSTERREICH: Herr Dr. Aiginger, Sie prognostizieren einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf 7 %. Ist das schon das Worst-Case-Szenario?
Karl Aiginger: Es ist das realistische Szenario. Wenn allerdings Konjunktur und Finanzmärkte total einbrechen, kann es auch schlimmer sein.
ÖSTERREICH: Wie kann die Politik diesem Anstieg entgegenwirken?
Aiginger: Unter anderem muss die Schulreform vorangetrieben werden, die Unis brauchen mehr Geld und auch die Umweltziele müssten verschärft werden, dann gebe es mehr Bautätigkeit.
ÖSTERREICH: Was können einzelne Betroffene gegen die Arbeitslosigkeit tun?
Aiginger: Das Wichtigste ist es, sich weiterzubilden. Eine mögliche Arbeitslosigkeit sollte dazu verwendet werden, Qualifikationen zu erwerben, denn bei niedrig qualifizierten Kräften ist die Arbeitslosigkeit mit rund 10 % am höchsten.
Eva Pratsch