Prozessauftakt gegen AWD steht bevor
21.10.2009
Morgen (22.10.) startet ein möglicherweise langwieriger Prozess gegen den angeschlagenen Finanzdienstleister AWD.
Der VKI wirft dem AWD vor, Anleger bei der Vermittlung von Immofinanz-Aktien systematisch fehlberaten zu haben, was der Finanzberater bestreitet. Der VKI hat bereits 2 Sammelklagen im Namen von insgesamt 270 Anlegern mit einem vermuteten Gesamtschaden von 4 Mio. Euro eingebracht.
Am Wiener Handelsgericht geht es morgen darum, ob die Form der Sammelklage überhaupt zulässig ist. Bei dem Prozess handelt es sich um das zweitgrößte Zivilverfahren der Zweiten Republik. Lediglich der WEB-Prozess in Salzburg hatte mit 3.200 Kleinanlegern mehr Betroffene. Wegen AWD haben sich beim VKI nun 2.500 Kunden gemeldet, die sich falsch beraten fühlen. Den Gesamtschaden beziffern die Konsumentenschützer mit 30 Mio. Euro.
Der VKI will, dass die Causa als Sammelklage abgewickelt wird, dies sei prozessökonomischer und kostengünstiger. Der AWD hingegen pochte in der Vergangenheit darauf, die Fälle einzeln abzuhandeln und stellte wiederholt die Zulässigkeit der Sammelklage, also der Abtretung der Ansprüche der mutmaßlich Geschädigten an den VKI und die Klage in Form einer Klagshäufung, infrage.
In der Klagebeantwortung habe der AWD "über weite Strecken nicht zu den einzelnen Fällen Stellung genommen, sondern die Sammelklage bekämpft", sagte VKI-Chefjurist Peter Kolba. Der AWD wollte dazu keine Stellungnahme abgeben.
Kürzlich war ein Wiener Anwalt, der dem VKI untersagen lassen wollte, für die AWD-Sammelklage zu werben, beim Handelsgericht abgeblitzt. Auch das OLG hat seinen Antrag auf einstweilige Verfügung abgelehnt. Das Handelsgericht werde dazu Stellung nehmen, ob es die VKI-Sammelklage zulässt, so Kolba. Es stehe also die sogenannte vorbereitende Tagsatzung an. Entscheidet der Richter im Sinne des VKI, werde er wahrscheinlich als zweiten Punkt das Prozessprogramm festlegen. Dieses bestimme, wann die nächste Verhandlung stattfindet und welche Zeugen geladen werden.
"So sicher wie ein Sparbuch"
Im Laufe des Prozesses wollen die Konsumentenschützer ihre Vorwürfe mit Zeugenaussagen von 10 ehemaligen AWD-Beratern untermauern. Der VKI beschuldigt den AWD, Immofinanz-Papiere an Personen, die mit dem Thema Veranlagung wenig Erfahrung haben, als mündelsicher und "so sicher wie ein Sparbuch" verkauft zu haben. Die Berater sollen ihren Kunden empfohlen haben, ihr für die Veranlagung verfügbares Geld zur Gänze oder in erheblichem Ausmaß in Immofinanz-Aktien zu investieren. Weiters hätten die AWD-Mitarbeiter argumentiert, es könne keine Vermögensverluste geben, da Immobilien nicht an Wert verlieren können, so der VKI. Nach dem Einbruch des Immofinanz-Kurses hätten die Berater ihren Kunden zum Halten der Aktien geraten, so ein weiterer Vorwurf.
Dem Prozessstart war ein monatelanges Gezänk zwischen VKI und AWD vorangegangen. Beide Parteien bedauern, die Causa überhaupt vor dem Kadi ausfechten zu müssen. Der VKI fände es "für alle vernünftiger, wenn wir schon längst eine außergerichtliche Einigung erzielt hätten", sah sich aber aufgrund der "starren Haltung" des AWD genötigt zu klagen, weil ansonsten eine Verjährung drohen könnte. Der AWD findet es wiederum "bedauerlich, dass der VKI eine rasche gemeinsame Lösung unter Prüfung jedes einzelnen Falles ablehnte".
Der VKI ist nicht der einzige, der gegen den AWD rechtliche Schritte gesetzt hat. Der oberösterreichische Anwalt Michael Poduschka etwa vertritt zwei AWD-Kunden, die einer Unterschriftenfälschung zum Opfer gefallen sein sollen. Ein Mandant habe wegen der Kursstürze Geld verloren und vom AWD seine Anlegerprofile angefordert. Dann habe sich herausgestellt, dass der Berater ihn ohne sein Wissen als risikobereit eingestuft und auf dem entsprechenden Protokoll seine Signatur nachgeahmt hat, so Poduschka. In der Folge habe der Berater dem Kunden 15.000 Euro angeboten und gedroht, dass er, wenn er das Geld nicht annehme, sich selbst wegen Urkundenfälschung und den Kunden wegen Erpressung anzeigen werde.
Unterschriften angeblich gefälscht
Der Kunde habe dann einen Anwalt eingeschaltet, am Freitag fand die erste Verhandlung am Wiener Handelsgericht statt. Der AWD hatte vergangene Woche von einem "Einzelfall" gesprochen. Der Berater habe lediglich das angeblich inhaltlich richtige Gesprächsprotokoll im Nachhinein angefertigt und die Unterschrift gefälscht. Der Mann sei nach wie vor bei dem Unternehmen tätig, er habe sich in der Vergangenheit nichts zuschulden kommen lassen, hieß es.
Eine andere Mandantin Poduschkas habe herausgefunden, dass ihr AWD-Berater viel mehr Geld als vereinbart bei Immofinanz veranlagt hat. Die Unterschrift der Oberösterreicherin sei ebenfalls gefälscht worden, so Poduschka, der auch in dieser Causa Klage eingereicht hat. Laut "News" soll der Berater 500 Mal selbst Hand angelegt haben. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Auch an anderer Front hat AWD Probleme: Für die Bilanz von 2008 hat der Finanzdienstleister kein uneingeschränktes Testat bekommen. Die Wirtschaftsprüfer konnten nicht abschätzen, ob die Rückstellungen in der Höhe von 2 Mio. Euro für die Schadenersatzforderungen ausreichen. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ist 2008 um 91 % auf 2,9 Mio. Euro eingebrochen. Zudem hatte die deutsche Mutter von AWD vergangene Woche mit einer schweren Datenpanne zu kämpfen. Die Österreich-Tochter ist davon allerdings nicht betroffen.