Der OMV-Generaldirektor soll 2009 ein Insidergeschäft abgewickelt haben.
OMV-Generaldirektor Wolfgang Ruttenstorfer hat heute, zwei Monate vor seinem Ausscheiden aus dem börsenotierten Mineralölkonzern, Platz auf der Anklagebank genommen. Unter großem Medienandrang begann der auf einen Tag angesetzte Insider-Prozess im Straflandesgericht Wien unter Leitung von Richterin Claudia Moravec-Loidolt. Dem langjährigen OMV-Chef wird beim Kauf von Aktien seines Unternehmens vom 23. März 2009 ein Insidergeschäft vorgeworfen.
Ruttenstorfer bekennt sich nicht schuldig
Die Kaufentscheidung habe Ruttenstorfer nicht im Hinblick auf den bis dahin aus seiner Sicht noch immer unwahrscheinlichen MOL-Deal getroffen, sondern weil er am Vergütungsprogramm mitgearbeitet habe und dieses am 23. März 2009 konkretisiert wurde, sodass ein Eigeninvestment möglich war. Er wollte nach eigener Aussage als Chef dabei vorangehen. Die zu investierende Summe habe sich Ruttenstorfer noch im Auto am Morgen des 23. März ausgerechnet und dann die Kauforder gegeben. "Ich habe genau so viel gekauft, wie ich für das Programm benötigt habe", sagte Ruttenstorfer aus.
"Zwei Jahre haben wir versucht die MOL zu übernehmen, nun machen wir das Gegenteil", erklärte Ruttenstorfer der Richterin . Beim möglichen Verkauf von MOL-Anteilen würde auch eine strategische Frage zu klären sein. Deshalb wollte Ruttenstorfer vorfühlen, ob es einen "strategischen Aufschrei" im Aufsichtsrat gegeben hätte. Außerdem mache man derartige Geschäfte nicht, solange man sich "mit dem Gegenüber nicht auf einen Tisch zusammensetzt." Ziel der OMV war es, ihre Raffinerie Schwechat abzusichern, nur 50 Kilometer entfernt befindet sich die zur MOL gehörende Raffinerie Slovnaft. Daher habe diese Überlegung neben dem Preis beim Verkauf des MOL-Pakets eine wichtige Rolle gespielt, schilderte der OMV-Chef.
Nach der OPEC-Konferenz habe die Investmentbank eine Präsentation über die möglichen Verkaufsoptionen erstellt. Dies wurde nicht von der OMV beauftragt. Ein Verkauf des gesamten Pakets lag im Eigeninteresse der Investmentbank, weil sie nur damit Millionen verdienen könnte, so Ruttenstorfer in seiner Aussage. Hätten die Russen über die Börse verkauft, wäre JPMorgan leer ausgegangen. Der erste Kontakt mit Surgutneftegaz sei erst am 26. März in Moskau erfolgt. Auf die Frage der Investmentbank, ob man zu Gesprächen bereit gewesen wäre, sagte Ruttenstorfer am Wochenende vor seinem OMV-Aktienkauf am 23. März der Investmentbank zu.
Staatsanwalt: 44.000 Euro Vermögensvorteil
Staatsanwalt Michael Schön sagte, Ruttenstorfer habe bei seinem Kauf von OMV-Aktien am 23. März 2009 Insider-Wissen zu dem wenige Tage später erfolgten Verkauf des MOL-Anteils genutzt, das dem Kapitalmarkt nicht zur Verfügung gestanden sei. Dadurch habe sich der OMV-Chef einen Vermögensvorteil von rund 44.000 Euro verschafft, da er die Aktien günstiger erworben habe als dies eine Woche später nach Finalisierung des MOL-Verkaufs an die russische Surgutneftegaz möglich gewesen wäre.
"Damit hat Ruttenstorfer andere OMV-Aktionäre geschädigt", so der Staatsanwalt, nämlich jene, die sich damals von ihren OMV-Anteilsscheinen getrennt hätten: "Ruttenstorfer hat am 23. März billiger eingekauft als wenn er die Ad-hoc-Meldung am 30. März abgewartet hätte", mit der dann der MOL-Ausstieg offiziell bekannt gegeben wurde. "Ob er diese Aktien dann zwei oder drei Jahre hält oder lebenslang, ist unerheblich. Er hat den Gewinn schon am Anfang gemacht", so der Vertreter der Anklage.
Drei Jahre Behaltefrist
Der OMV-Chef hatte immer wieder damit argumentiert, dass der Verkauf des MOL-Anteils zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbar gewesen sei. Außerdem seien diese im Rahmen eines Vorstands-Vergütungsprogramms für 632.000 Euro erworbenen OMV-Aktien nicht für eine kurzfristige Spekulation geeignet, da sie mindestens drei Jahre behalten werden müssten, rechtfertigte sich Ruttenstorfer wiederholt.
"Marktteilnehmer getäuscht"
Mit seiner am 18. März in einem "profil"-Interview getätigten Aussage, die OMV werde ihren 21,2-prozentigen Anteil an der ungarischen MOL im Jahr 2009 "durchaus behalten", habe der OMV-Chef "die Marktteilnehmer getäuscht", so der Staatsanwalt am Donnerstag. Hätte der Kapitalmarkt gewusst, dass es schon Vorbereitungen für einen Verkauf des MOL-Ausstiegs gebe, hätten sie sich vielleicht anders verhalten und ebenfalls gekauft, gab der Anklagevertreter zu verstehen.
"Für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass Ruttenstorfer am 23. März, am Tag des Eigeninvestments, damit gerechnet hat, dass ein Deal zustande kommen kann", so Schön. Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Wien habe in der Verhandlung zu der rechtskräftig gewordenen 20.000-Euro-Strafe für den OMV-Chef wegen Marktmissbrauchs festgestellt, dass für Ruttenstorfer nicht erst am 23. März, sondern schon am 18. März 2009, festgestanden sei, dass eine Absicht bestehe, den MOL-Anteil zu veräußern. Bereits am 17. März hat die OMV wie bekannt an die Investmentbank JP Morgan eine konkrete Preisvorstellung in Höhe von 20.000 HUF je MOL-Aktie gefaxt.
"Insider-Information verwendet"
Selbst wenn der damaligen OMV-Aktienerwerb durch Ruttenstorfer "nur eine Ungeschicklichkeit" gewesen wäre, sei damals jedenfalls "eine Insider-Information grob fahrlässig verwendet" worden, und auch dies sei ein gerichtlich strafbarer Tatbestand, so der Staatsanwalt. Das Bewusstsein über die Wohlverhaltens-Regeln für Spitzenmanager (Compliance) sei in Österreich absolut unterentwickelt. Und, so fragt sich der Anklagevertreter, "würden die 27 Top-Manager", die nach der Anklage-Erhebung im Herbst 2010 Inserate zugunsten des OMV-Chefs geschaltet hatten, "auch so handeln?"
Die Finanzmarktaufsicht (FMA) stellte sich vollinhaltlich hinter die Anklage gegen Ruttenstorfer. Die FMA-Ermittlungen in der Causa hätten "schwerwiegende Verdachtsmomente" dafür ergeben, dass Insider-Handel vorgelegen sei. "Es geht auch um die nationale und internationale Reputation des Finanzplatzes Wien", so ein FMA-Vertreter in der Verhandlung am Donnerstag: "Missbrauch einer Insider-Information darf nicht zum Kavaliersdelikt werden."