Hersteller schrauben an der Verpackungsgröße.
Preiserhöhungen sind riskant. Im schlimmsten Fall greift der Kunde zu einem anderen Produkt. Deshalb erliegen viele Hersteller der Versuchung zur "Preisschwellenakrobatik". Statt mit offenen Karten zu spielen, wird an der Verpackungsgröße geschraubt.
Schokolade in der 87-Gramm-Tafel, Bier in der 0,4-Liter-Flasche, Papiertaschentücher im 9er-Pack: Wer heute in deutschen Supermärkten einkauft, muss mehr denn je aufpassen. Denn immer häufiger finden sich in den Regalen statt der vertrauten Packungsgrößen ungewohnte Angebote. Und oft zahlt der Verbraucher dabei drauf.
"Die Methoden bei verdeckten Preiserhöhungen werden immer gewiefter und vielfältiger", beobachtet der Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale Hamburg, Armin Valet. Das ärgert ihn und viele Kunden. "Wir bekommen tagtäglich Beschwerden von Verbrauchern", sagte Valet. "Teilweise werden die Preise bei Verpackungsänderungen um 20 oder 25 Prozent erhöht. Das sind Aufschläge, die die Unternehmen nie durchkriegen würden, wenn sie sie einfach für jeden sichtbar draufschlagen."
Hersteller unter Druck
Aus der Sicht von Herstellern und Handel sieht die Sache allerdings etwas anders aus. Sie stehen oft unter Druck, steigende Rohstoffpreise und Personalkosten an die Kunden weitergeben zu müssen. Doch das wird spätestens dann schwierig, wenn Preisschwellen wie 99 Cent oder 1,99 Euro erreicht werden. "Die Unternehmen haben Angst über Preisschwellen zu gehen, weil sie Absatzeinbrüche befürchten", erklärt der Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU das Problem.
Die bequemste Antwort ist dann oft, die Füllmenge in der Packung zu verändern, um die Preiserhöhung zu verschleiern. So kunstvoll wird inzwischen mit den Verpackungsgrößen gespielt, dass das Fachblatt "Lebensmittel Zeitung" bereits von "Preisschwellenakrobatik" sprach. Und die Verbraucherzentrale rät Konsumenten inzwischen, bei Hinweisen wie "Neu", "Neue Rezeptur" oder "Neue Füllmenge" ganz besonders genau auf die Mengenangaben zu schauen.
"Schrumpfprinzip"
Neben dem klassischen "Schrumpfprinzip", bei dem einfach der Packungsinhalt verringert wird, ohne den Preis zu senken, gibt es der Verbraucherzentrale zufolge inzwischen eine Vielzahl anderer Methoden. Besonderer Beliebtheit erfreue dabei seit einiger Zeit der "Mehr-drin-Trick". Eine größere Füllmenge suggeriert ein Schnäppchen. Dabei übersieht der Verbraucher oft, dass der Preis überproportional gestiegen ist.
Das sogenannte "Upsizing" hat für die Hersteller und den Handel noch einen zweiten Vorteil. Ist die gefürchtete Preisschwelle erst einmal genommen, sind weitere Aufschläge in Zukunft deutlich einfacher. Ob die Anbieter aber auf Dauer gut beraten sind mit der Preisschwellenakrobatik, daran gibt es durchaus Zweifel. "Die Verbraucher fühlen sich betrogen", warnt Valet. Marketing-Experte Fassnacht empfiehlt den Unternehmen, mutiger zu sein: "Sie sollten den Schritt über die Preisschwelle gehen und darauf verzichten, die Verpackungsgröße zu reduzieren. Denn die Welt wird transparenter und die Kunden verzeihen so etwas weniger als früher."
Das haben wohl auch schon einige Hersteller gemerkt. Matthias Queck vom Marktbeobachtungsdienst Planet Retail sieht jedenfalls inzwischen bei manchem Anbieter das Bemühen, sich bei Preiserhöhungen weniger angreifbar zu machen. "Inzwischen werden die Veränderung der Packungsgröße und die Verteuerung des Produkts oft bewusst zeitlich entkoppelt", hat er beobachtet. "Damit soll der Verdacht aus der Welt geschafft werden, es gehe um eine heimliche Preiserhöhung."