Zu Besuch bei Merkel
Faymann: So wird der Euro gerettet
01.12.2011
Ziele: Schuldenbremse für alle EU-Länder, Strafen und Finanz-Steuer bis 2014.
Knapp eineinhalb Stunden sprach Österreichs Kanzler Werner Faymann am Freitag in Berlin mit seiner deutschen Kollegin Angela Merkel. Wie ernst die Lage ist, zeigt die Delegation, die den Kanzler begleitete. Der Kanzler reiste zusammen mit seinen wichtigsten Wirtschaftsberatern, Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny und dem Wiener AK-Direktor Werner Muhm, an.
Merkel verriet Faymann beim Mittagessen (Thunfisch- und Lachstatar, Rinderroulade mit Rotkraut und Püree, Topfenmousse) die Maßnahmen, die kommende Woche beim EU-Gipfel in Brüssel beschlossen werden sollen – und wollte Österreich auf deutsch-französische Linie bringen.
Schuldenbremse für alle: Neuer EU-Vertrag kommt
Demnach soll es künftig eine Schuldenbremse für alle EU-Länder geben. Das heißt, alle EU-Länder sollen so wie Österreich eine Schuldenbremse in die Verfassung aufnehmen. Die Verletzung des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts soll künftig nicht mehr möglich sein.
Europäischer Gerichtshof soll Defizitsünder strafen
Dazu soll es strenge Kontrollen geben: Die EU-Kommission soll die Einhaltung der Budgets überprüfen und dafür sogar den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hinzuziehen. „Der EuGH wird aufzeigen, wenn ein Land gegen die EU-Kriterien verstößt. Es ist aber erstmal in der Verantwortung des Landes, diese Verfehlungen auszubessern. Auch die Möglichkeit, Strafen für Schuldensünder auszusprechen, steht zur Debatte“, erklärt Faymann den Plan im ÖSTERREICH-Interview.
Merkel betonte nach dem Gespräch noch einmal, dass der EU-Vertrag dafür geändert werden muss. Eine Volksabstimmung solle es in Österreich dazu aber nicht geben, so Faymann. Begründung: Diese werde erst dann notwendig, wenn die nationale Budgethoheit an Europa abgetreten wird.
Schulden-Bremse für alle Euro-Länder
Als wäre nicht ohnehin schon allen klar, dass Deutschland und Frankreich in der EU den Ton angeben: Jetzt wollen Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel am Montag gleich auch präsentieren, wie sie sich das Ergebnis des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag vorstellen.
"Klagsrecht" bei EuGH
Kurios: Die Grundzüge ihres Rettungsplans für den Euro haben Merkel und Sarkozy bereits gestern bekannt gegeben:
- Sie fordern, dass alle Euro-Länder eine Schuldenbremse bekommen, wie sie Österreich nun beschließen will. Das heißt, jedes Land muss sich dazu verpflichten, einen ausgeglichenen Haushalt als Verfassungsziel festzuschreiben.
- Die EU soll eine strenge Kontrolle über die Sparpläne und Budgets der Euro-Staaten ausüben dürfen. Dazu brauche es strengere Sanktionsmöglichkeiten.
- Um diese Sanktionen durchzusetzen, wollen Merkel und Sarkozy den EU-Vertrag ändern: „Es führt kein Weg daran vorbei, die europäischen Verträge zu ändern.“
- Und Merkel möchte ein „Klagsrecht“ gegen Defizitsünder vor dem Europäischen Gerichtshof durchsetzen.
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Für den Euro-Rettungsfonds ESFS soll zusätzliches Geld mobilisiert werden. Im Gespräch sind hier bis zu 2 Billionen Euro!
EU-Gipfel: Countdown zur Rettung des Euro
- Montag, 5. 12. Die deutsche Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy legen in Paris ihre Pläne für die EU-Vertragsänderung vor. In Brüssel treffen sich die EU-Außenminister. Und der deutsche Finanzminister Schäuble kommt zu Amtskollegin Fekter nach Wien.
- Dienstag, 6. 12. Telefonische Beratungen zwischen EU-Spitzenvertretern zur detaillierten Vorbereitung der Gipfelbeschlüsse.
- Mittwoch, 7. 12. Die internationalen Vorbereitungen für den Gipfel laufen weiter auf Hochtouren.
- Donnerstag, 8. 12. Zu Mittag entscheidet die EZB, ob sie die Zinsen erneut senkt. Abends treffen die Staatschefs der EU zum Gipfel in Brüssel ein.
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Freitag, 9. 12. Zweiter Gipfeltag: Die EU-Regierungschefs wollen das Maßnahmenpaket gegen die Schuldenkrise und die EU-Vertragsänderung beschließen.
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Faymann: "Strafen für Schuldensünder"
ÖSTERREICH: Was haben Sie mit der deutschen Bundeskanzlerin besprochen?
Werner Faymann: Wir haben besprochen, wie wir das Vertrauen in die europäischen Staatsanleihen wiederherstellen können. Dazu gibt es zwei Maßnahmen: strikte Disziplin beim Budget und strengere Finanzmarktregeln. Auch die Finanztransaktionssteuer wurde besprochen, für die sich auch die deutsche Bundeskanzlerin ausspricht. Ich will, dass diese Steuer bereits 2014 in Kraft tritt.
ÖSTERREICH: Was soll beim EU-Gipfel kommende Woche beschlossen werden?
Faymann: Wir brauchen eine Schuldenbremse, wie wir sie jetzt in Österreich beschließen werden, in allen Ländern Europas. Dazu gibt es auch Überlegungen, den EU-Vertrag zu ändern. Allerdings wird die Budget-Hoheit weiter bei den Staaten bleiben, daher braucht es in diesem Fall keine Volksabstimmung. Die 2. Diskussion, ob die Mitgliedsstaaten ihre Budgethoheit aufgeben – also die Vereinigten Staaten von Europa –, ist eine langfristige und bei diesem EU-Gipfel kein Thema. Da bräuchte es dann natürlich eine Volksabstimmung.
ÖSTERREICH: Die EU soll künftig also die Budgets überprüfen? Wie soll das Ihrer Meinung nach denn konkret funktionieren?
Faymann: Es muss überprüft werden, ob die Mitgliedsstaaten die Budgetdisziplin einhalten. Dabei steht eine stärkere Rolle des Europäischen Gerichtshofes zur Diskussion.
ÖSTERREICH: Und wie sollen Schuldensünder dann sanktioniert werden?
Faymann: Der EuGH wird aufzeigen, wenn ein Land gegen die EU-Kriterien verstößt. Es ist aber erstmal in der Verantwortung des Landes, diese Verfehlungen auszubessern. Auch die Möglichkeit, Strafen für Schuldensünder auszusprechen, steht zur Debatte.
ÖSTERREICH: Zuletzt wurden auch immer wieder sogenannte Elite-Bonds und Euro-Bonds vorgeschlagen.
Faymann: Zuerst brauchen wir ein gutes Fundament. Wenn wir das getan haben, können wir uns mit den gemeinsamen Anleihen beschäftigen. Wenn, dann müssten wir uns aber auf Euro-Bonds verständigen, denn Elite-Bonds der stärksten Euro-Staaten sind auch für Deutschland kein Thema.
Nächste Seite: Der LIVE-TICKER von Faymanns Berlin-Reise zum Nachlesen.
Der LIVE-Ticker zum Nachlesen:
14:17 Uhr: Damit ist die offizielle Visite von Werner Faymann in Berlin beendet. Der Kanzler tritt nun die Heimreise an. An dieser Stelle beenden wir die Live-Berichterstattung. Wir bedanken uns für Ihr Interesse.
14:06 Uhr: Faymann betont die enge Zusammenarbeit Österreichs mit Deutschland.
14:05 Uhr: Thema Volksbefragung: Sollte die Haushaltspolitik in der EU geändert werden, dann wären auch Volksbefragungen in Österreich und auch in Deutschland möglich, sagen sowohl Werner Faymann als auch Angela Merkel. Allerdings stellt sich derzeit nicht diese Frage, da die Budget-Hoheit bei den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bleiben wird.
14:02 Uhr: Damit ist die eigentliche Pressekonferenz auch schon beendet. Nun können Journalisten noch Fragen stellen.
14:01 Uhr: "Wenn man ein Haus baut, braucht man ein gutes Fundament". Mit diesen Worten erläutert Faymann auch die seiner Meinung notwendige Korrektur des EU-Regelwerkes. Damit ist der Kanzler klar auf der Linie von Angela Merkel, die ein neues EU-Vertragswerk anstrebt.
14:00 Uhr: Faymann bedankt sich für den freundlichen Empfang in Berlin.
13:59 Uhr: Nun hat Kanzler Werner Faymann das Wort.
13:58 Uhr: Merkel: "Es war ein gutes Gespräch mit Werner Faymann". Sie freut sich auf die Zusammenarbeit mit Österreich.
13:57 Uhr: Das Treffen diente auch der Vorbereitung des EU-Gipfels am 8. Dezember.
13:56 Uhr: Merkel betont die engen Beziehungen zwischen Österreich und Deutschland. Insbesondere ging es bei dem Treffen mit Faymann um die Eurokrise und Lösungsmöglichkeiten.
13:55 Uhr: Jetzt ist es soweit: Werner Faymann und Angela Merkel treten vor die Presse. Zuerst ergreift die deutsche Kanzlerin das Wort.
13:35 Uhr: Die Pressekonferenz verzögert sich um ca. 20 Minuten. Werner Faymann hatte sich bei seiner Ankunft in Berlin verspätet; dadurch haben sich alle Termine nach hinten verschoben.
13:30 Uhr: Der Presseraum im Berliner Kanzleramt ist voll: Unzählige Journalisten und Kamerateams warten hier auf den Auftritt von Bundeskanzler Werner Faymann und seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel. Ein letztes Mal wurden die Mikrophone getestet.
13:22 Uhr: In Kürze werden Faymann und Merkel vor die Presse treten und ein statement abgeben. Wir berichten hier im LIVE-TICKER und hier im LIVE-VIDEO.
13:14 Uhr: oe24.at hat das Menü des Arbeitsessens von Kanzler Faymann bei Angela Merkel: Vorspeise war "Marinierter Thunfisch mit Lachstatar", als Hauptspeise wurde eine "Rinderroulade mit Rotkraut und Erdäpfel-Pürree" gereicht. Zum Dessert gab es eine "Topfenmousse".
12:52 Uhr: Das beherrschende Thema bei dem Essen sind die Euro-Krise sowie die Vorbereitungen zum bes bevorstehenden EU-Gipfel am 8 Dezember in Brüssel.
12:48 Uhr: Jetzt beginnt das Arbeitsessen mit Angela Merkel im Berliner Bundeskanzleramt hinter verschlossenen Türen. Es wird ca. eine Stunde dauern. Faymann hatte sich etwas verspätet.
12:26 Uhr: Faymann ist im Berliner Kanzleramt eingetroffen. In Kürze beginnt das Treffen mit Angela Merkel.
12:14 Uhr: Der Berliner Terminplan des Kanzlers: Für 12:30 Uhr ist das Arbeitsessen mit Angela Merkel angesetzt. Dieses soll knapp eine Stunde dauern. Danach treten beide vor die Presse.
12:06 Uhr: Soeben ist die Kanzler-Maschine mit Werner Faymann und seiner Delegation an Bord in Berlin gelandet.
12:02 Uhr: Kanzler Faymann wird in Kürze in Berlin-Tegel landen. Dann geht es direkt ins Bundeskanzleramt zum Treffen mit Angela Merkel.
11:33 Uhr: Merkel spricht sich dafür aus, den Euro-Rettungsschirm ESM zu stärken. Er müsse zu einem schlagkräftigen Instrument für Notsituationen ausgebaut werden. Euro-Bonds lehnt die deutsche Kanzlerin erneut ab.
10:48 Uhr: Um 13.30 Uhr wird es eine Pressekonferenz von Angela Merkel und Werner Faymann geben. oe24.at überträgt das Pressegespräch hier im LIVE-TICKER.
10:14 Uhr: Kanzler Werner Faymann wird auch von Nationalbank-Präsident Ewald Nowotny begleitet.
09:55 Uhr: Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollen an diesem Montag in Paris ein Konzept für eine Reform der Währungsunion vorlegen. Angestrebt wird eine sogenannte Stabilitätsunion der 17 Euro-Länder mit schärferen Sanktionen gegen Haushaltssünder und einer strengeren Aufsicht über die Etatpläne einzelner Euro-Länder.
09:28 Uhr: Mit einem klaren Bekenntnis zum Euro beendet Angela Merkel ihre Rede.
09:27 Uhr: "Europa befindet sich in der wohl stärksten Bewährungsprobe", so Merkel. Sie stellt sich und die EU-Bürger auf ein zähes Ringen in der Euro-Krise ein. Es gebe keine schnellen Lösungen, so die deutsche Kanzlerin.
09:22 Uhr: Jetzt wird Merkel konkret: Der EU-Gipfel in Brüssel (8./9. Dezember) wird zum Ziel haben, die bestehenden EU-Verträge zu ändern oder gar einen neuen EU-Vertrag auszuarbeiten. Dabei gilt das oberste Prinzip, ein Auseinanderdriften der Union in Euroländer und Nicht-Euroländer zu vermeiden. Es wird darauf ankommen, die Wirtschafts- und Währungsunion zu stärken.
09:19 Uhr: Merkel spricht sich gegen eine gemeinsame Haftung der EU-Länder aus - und damit gegen Eurobonds. Sie warnt davor, die Möglichkeiten des neuen Euro-Rettungsfonds EFSF zu unterschätzen
09:17 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt zur Stunde eine Regierungserklärung im deutschen Bundestag ab.
09:06 Uhr: Der Kanzler wird zu Mittag am Flughafen Berlin-Tegel ankommen. Von dort geht es direkt ins Bundeskanzleramt. Dort findet das für eine Stunde angesetzte Arbeitsessen mit Merkel statt.
08:41 Uhr: Der Kurs des Euro hat heute vor der mit Spannung erwarteten Regierungserklärung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel leicht im Plus tendiert. Am Morgen kostete die Gemeinschaftswährung 1,3469 Dollar. Am Vortag war sie zwischenzeitlich über die Marke von 1,35 Dollar geklettert.
08:31 Uhr: Faymanns Berlin-Besuch findet dabei an einem entscheidenden Tag statt: Denn die deutsche Kanzlerin will heute vor dem Bundestag ihre Pläne für eine Fiskalunion erklären.
08:15 Uhr: Zu Mittag wird sich Österreichs Kanzler Werner Faymann in Berlin mit Merkel im Rahmen eines Arbeitsessens treffen. Merkel will mit Faymann die Vorgangsweise beim EU-Gipfel vorbesprechen – und Österreich auf Linie für die sogenannte „Super-EU“ bringen.
Hintergrund: Das sind Merkels Pläne
Merkel drängt darauf, scharfe Sanktionsregeln bei Verstößen gegen die Haushaltsdisziplin einzuziehen. Ein Plan, den auch Faymann unterstützen wird. Wie genau diese Sanktionen aussehen sollen, steht allerdings noch nicht fest. Fest steht allerdings, dass die Länder dafür ein Stück ihrer nationalen Finanzhoheit aufgeben müssen.
Sarkozy macht Druck
Auch Merkels engster Verbündeter, der französische Präsident Nicolas Sarkozy macht Druck in Sachen Euro-Rettung.
Er hielt am Donnerstagabend eine Grundsatzrede über die Zukunft der Europäischen Union in Toulon. Sarkozy sagte, Europa müsse sich neu erfinden. Dazu gehöre eine strengere Überwachung der Stabilitätsregeln, aber auch ein Überdenken der Regeln für die Schengengrenzen. Frankreichs Präsident nutzte die Rede aber auch, die Franzosen auf schmerzhafte Reformen vorzubereiten.
Indessen macht sich auch die Europäische Zentralbank für einen „Fiskalpakt“ stark. „Ich denke, unsere Währungsunion braucht eine neue Übereinkunft bei Fiskalfragen“, erklärte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag.
In die Rolle eines Staatsfinanziers will sich die EZB nicht drängen lassen: „Die EZB kann innerhalb des EU-Vertrags handeln. Daher sollte nichts von ihr verlangt werden, was nicht im Vertrag steht“, so Draghi. Die EZB hat bereits für mehr als 200 Milliarden Euro Staatsanleihen von Schuldenstaaten aufgekauft.