Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser zur Krise der Währungsunion
ÖSTERREICH: Herr Grasser, wie hätten Sie als Finanzminister
auf die Griechenland-Krise reagiert?
Karl-Heinz Grasser: Die
einzige Lösung für Griechenland wäre eine geordnete Staatspleite. Ich hätte
den Griechen gesagt: Liebe Freunde, Ihr habt euch reingeschwindelt in die
Währungsunion, habt jahrelang über eure Verhältnisse gelebt – jetzt bleiben
nur Verhandlungen über Schuldennachlass, also eine Umschuldung, und das
Verlassen der Eurozone.
ÖSTERREICH: Wie würde das konkret aussehen?
Grasser:
Wenn man den Griechen 50 % der Schulden erlassen würde, wären sie bei einem
Verschuldungsgrad von 60 % des BIP und auf dem Weg einer nachhaltigen
Sanierung. Und es müssten jene, die vorher profitiert haben von höheren
Zinsen auf griechische Staatsanleihen, jetzt auch die Zeche zahlen. Banken
und Versicherungen etwa. Wer investiert, trägt das Risiko – das ist die
marktwirtschaftliche Verantwortungskette.
ÖSTERREICH: Jetzt müssen wir alle bezahlen.
Grasser:
Ja, und das ärgert mich enorm. Erstens ist das Problem nicht gelöst, sondern
die griechische Staatspleite nur nach hinten verschoben. Dass sich deren
Staatsschuld erhöht, liegt ja offen am Tisch. Und zweitens muss jetzt der
kleine Mann die Rechnung zahlen.
ÖSTERREICH: Glauben Sie, dass wir das Geld von den Griechen
zurück kriegen?
Grasser: Das ganze sicher nicht. Einen
Teil vielleicht.
ÖSTERREICH: Trotz der Milliarden-Rettungspakete fallen Börsen
und Euro weiter. Warum?
Grasser: Die Märkte glauben nicht an
diese Lösungsversuche, die eine Kette krasser wirtschaftspolitischer
Fehlentscheidungen sind. Nach dem Beschluss über die Griechenhilfe hat man
gesehen, dass das nicht reicht. Dann kam der 750-Milliarden-Rettungsschirm.
Was kommt als nächstes? Das 1.500-Milliarden-Paket, oder was?
ÖSTERREICH: Hätte eine Staatspleite Griechenlands denn die
Märkte stabilisiert?
Grasser: Was glauben Sie, was das
für ein Super-Stabilitätssignal gewesen wäre: schnelles Handeln, ein
g‘scheites Umschuldungskonzept und die Griechen raus aus der Eurozone. Da
wäre der Euro jetzt auf 1,40 Dollar, von Vertrauenskrise in die
Währungsunion wäre keine Rede mehr. Aber bankrotte Länder einfach
drüberretten, wie es jetzt passiert – das wird sich auch die Bevölkerung auf
Dauer nicht gefallen lassen. Wenn es in 2 Jahren heißt, jetzt haben wir so
viel Geld hergeschenkt, daher müssen wir bei uns mehr sparen...
ÖSTERREICH: Manche sagen, bei einer Griechen-Pleite hätten
wir ein neues Bankenrettungspaket gebraucht?
Grasser: Na ja.
Die österreichischen Banken haben in Griechenland ein Engagement von rund 5
Mrd. Euro. Bei einem 50-%igen Schuldenverzicht wären das 2,5 Mrd. Das halte
ich für verkraftbar. In Deutschland könnte es Banken härter treffen. Aber,
noch einmal: Die Banken wollten höhere Zinsen, dann sollen sie auch das
Risiko tragen.
ÖSTERREICH: Ist die Sorge um den Euro-Wechselkurs berechtigt?
Grasser:
Das ist eine Themaverfehlung, um Wechselkurs geht es nicht. Worum es geht:
Die Eurozone hat an Glaubwürdigkeit verloren. Wenn die EZB mit allen Regeln
bricht, selbst griechische Staatsanleihen kauft und damit jetzt den Euro
unterlegt – wundern wir uns da, dass der Kurs runtergeht? Aber der Kurs ist
nicht das Thema, die Frage heißt: Überlebt der Euro? Gibt es ihn in 5-10
Jahren noch?
ÖSTERREICH: Und? Glauben Sie daran?
Grasser:
Ich glaube nicht, dass man das heute seriös sagen kann. Ich hoffe es sehr.
Es hängt von den nächsten Monaten ab.