Bargeldlose Zukunft?

Große EU-Umfrage zu Bargeld: "Nur Bares ist Wahres"

25.09.2024

Ein europäisches Stimmungsbild zur Zukunft des Bezahlens zeigt: Bargeld am beliebtesten, große Skepsis und auch Angst gegenüber einer bargeldlosen Zukunft.

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Das kontroverse Konzept einer bargeldlosen Gesellschaft sorgt sowohl in den Medien als auch in der Bevölkerung immer wieder für Diskussionspotenzial.

Eine groß angelegte Studie des digitalen Markt-und Meinungsforschungsinstituts Marketagent mit 26.584 Befragten aus 10 europäischen Ländern, darunter auch Österreich, deckt nun auf, wie die Bürgerinnen und Bürger zu Bargeld stehen, ob sie sich ein Leben ohne Cash vorstellen könnten und wie sie auf einen Umstieg auf rein elektronische Zahlungsmethoden reagieren würden.

Bargeld bleibt die Nummer 1 bei Sympathie und Sicherheit

Auch wenn moderne Zahlungsmöglichkeiten immer stärker Einzug in den Alltag halten, bleibt das altbewährte Bargeld in Sachen Beliebtheit die Nummer 1.

Das zeigt eine aktuelle Umfrage von Marketagent unter mehr als 26.000 Personen aus 10 Ländern eines bunten Europa-Mixes (Österreich, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Polen, Spanien und Schweiz).

  • 8 von 10 Umfrageteilnehmer*innen finden Bares sympathisch (82%) und 9 von 10 empfinden es als sicher (92%).
  • Dicht dahinter im Ranking folgt die Kreditkarte, die von 81% als sympathisch und von 86% als sicher wahrgenommen wird.
  • Der direkte Vergleich mit den europäischen Brüdern und Schwestern zeigt, dass die Österreicherinnen und Österreicher ganz besonders bargeldaffin sind.
  • Der Sympathiewert von Münzen und Scheinen liegt hierzulande bei beeindruckenden 91%.
  • Zum Vergleich: die Kreditkarte schafft es in der Alpenrepublik nur auf 75%.

Krypto finden nur ein Viertel symphatisch und sicher

Neuere Zahlungsmethoden schneiden europaweit von West nach Ost dagegen deutlich schlechter ab. Mobile Payment, bei dem mittels Smartphone oder Smartwatch gezahlt wird, finden immerhin noch 6 von 10 Befragten sympathisch (61%) bzw. sicher (63%), Krypto- und digitale Währung können dagegen nur rund ein Viertel in Sachen Sympathie (21%) und Sicherheit (25%) überzeugen.

Viele zahlen noch bar

Es liegt somit nahe, dass ein bedeutender Teil aller Ausgaben auch heutzutage noch bar beglichen wird: Durchschnittlich 45% der alltäglichen Zahlungen werden mit einem Griff ins Börserl beglichen, die restlichen 55% entfallen auf elektronische Zahlungsmittel wie Kreditkarte, Onlineüberweisung und PayPal. Auch hier zeigen sich die heimischen Befragten wieder stärker mit dem Bargeld verbunden. Herr und Frau Österreicher bezahlen im Schnitt noch etwas mehr als die Hälfte (51%) ihrer Ausgaben in Cash.

Bargeld ist anonym

Länderübergreifend ist man sich einig - Bargeld hat Tradition (56 %). Neben pragmatischen Ansätzen, wie der dadurch gegebenen Anonymität (49%) und der praktischen, unkomplizierten Verfügbarkeit ( 44%), schwingt auch eine emotionale Komponente mit. 45% bekommen durch Bargeld das Gefühl vermittelt, etwas „Greifbares“ zu besitzen, für 41% vermittelt Cash „Unabhängigkeit“. Der Ländervergleich offenbart, dass der Faktor Anonymität für die Österreicher*innen (65% ) deutlich stärker wiegt als für die europäischen Nachbarn (49%).

Bares verspricht Akzeptanz, Anonymität und Trinkgeld

Was hinter der Vorliebe der Österreicher*innen für ihre „Mäuse“ steckt, wird bei einem Blick auf die damit verbundenen Vorteile deutlich. Sowohl in der Alpenrepublik (68%) als auch in den übrigen europäischen Ländern (63%) schätzen die Menschen an Bargeld vor allem, dass es nahezu überall akzeptiert wird und dank fehlender elektronischer Aufzeichnung die eigene Anonymität gewahrt wird ( Europa-Auswahl 55%; Österreich: 66%).

Ein weiterer, wahrscheinlich oft unterschätzter Vorteil ist für die heimischen Befragten aber auch, dass es mit Bargeld ganz einfach ist, Trinkgeld zu geben. Mehr als zwei Drittel der Österreicher*innen (68%) heben diesen Faktor positiv hervor (Europa-Auswahl: 53%).

Im Länder-Durchschnitt tragen nur 2% gar kein Bargeld bei sich 

Komplett ohne Bargeld verlässt man nirgendwo gerne das Haus. Im Länder-Durchschnitt tragen nur 2% gar kein Bargeld bei sich, im Mittel (Median) befinden sich quer über Europa aktuell 50 Euro im Portemonnaie. Die bargeldaffinen Österreicher*innen haben mit im Mittel 80 Euro ein paar mehr Scheine im Börserl.

"Nur Bares bleibt Wahres" - Skepsis gegenüber einer bargeldlosen Zukunft

Vor einigen Jahren waren die Geldtaschen wahrscheinlich noch praller gefüllt, schließlich geben 6 von 10 Befragten an, heute seltener bar zu zahlen als noch vor 10 Jahren. „ Auch wenn der Trend im Allgemeinen hin zu elektronischen Zahlungsmethoden geht, gilt für viele weiterhin der Grundsatz ‚Nur Bares ist Wahres‘. Mehr als die Hälfte (56%) kann sich eine bargeldlose Gesellschaft in ihrem Land nicht vorstellen. In Österreich halten dies sogar fast zwei Drittel ( 64%) für ausgeschlossen “, erläutert Thomas Schwabl, Gründer und Geschäftsführer von Marketagent.

Als realistischer Zeithorizont für die Umsetzung einer völlig bargeldlosen Gesellschaft wird das Jahr 2040 (Mittelwert) genannt. Mit großer Begeisterung dürfte in diesem Fall jedoch vermutlich nicht zu rechnen sein: Europaweit würden 58% diese Entwicklung wenig bis gar nicht begrüßen, lediglich jede*r Vierte outet sich als Befürworter*in (25%). Im Einklang mit den bisherigen Ergebnissen steht man in Österreicher einer bargeldlosen Gesellschaft besonders kritisch gegenüber: Fast drei Viertel (73%) würden diese ablehnen.

Skepsis gegenüber einer Abschaffung von Cash 

Trotz der Skepsis gegenüber einer Abschaffung von Cash glauben europaweit 57%, dass ihnen der Umstieg auf bargeldlose Zahlungen kaum Schwierigkeiten bereiten würde.

Die heimischen Befragten zeigen sich auch hier deutlich zögerlicher. 4 von 10 Österreicher*innen gehen davon aus, dass sie mit einem kompletten Verzicht auf Bargeld Probleme hätten. In Anbetracht dessen verwundert es kaum, dass Herr und Frau Österreicher ihren Scheinen und Münzen ganz besonders hinterhertrauern würden. 8 von 10 würden Bargeld vermissen (85%), davon 60% sogar stark. Im europäischen Ländermix hängt man zwar etwas weniger am Cash, doch auch hier würden 75% die Mäuse im Börserl fehlen.

Angst vor technischen Ausfällen, Kriminalität und Verlust der Anonymität

Abgesehen vom Trennungsschmerz wird der größte Nachteil einer bargeldlosen Gesellschaft darin gesehen, dass bei technischen Defekten der Zugriff auf das eigene Geld verwehrt wäre (60%, Österreich: 70%). 60% fürchten eine Zunahme von digitaler Kriminalität. Als kritisch wird zudem erachtet, dass die neuen Technologien speziell älteren Personen Schwierigkeiten bereiten können (55%). Auch die fehlende Anonymität (51%) sowie vollständige elektronische Erfassung (und mögliche Überwachung) aller Transaktionen (47%) tauchen hier wieder als Kritikpunkte auf. Jede*r zweite Österreicher*in würde es außerdem bedauern, wenn es nicht mehr möglich wäre, jemandem ein bisschen Geld zuzustecken (50%; Europa-Auswahl: 39%).

Trotz allem können der Vorstellung einer bargeldlosen Gesellschaft auch positive Seiten abgewonnen werden. Den größten Vorteil sehen 43% darin, dass sie nicht mehr in Gefahr laufen würden, Falschgeld zu erhalten. Für das Kassenpersonal würde die Umstellung auf rein elektronische Zahlungen eine Vereinfachung bedeuten (42%) und ebenso könnten Fehler beim Herausgeben von Wechselgeld vermieden werden (36%). Zudem finden 39% bargeldlose Bezahlung praktisch, einfach und schnell. Rund jede*r Sechste (16%) kann dem Verzicht auf Bares keinerlei Vorteile abgewinnen.

Werden die antizipierten Vor- und Nachteile einer bargeldlosen Gesellschaft gegeneinander aufgewogen, zeichnet sich ein klares Bild. In den befragten europäischen Ländern denkt fast die Hälfte (47%), dass die Nachteile überwiegen würden. In Österreich ist das Ergebnis noch deutlicher: hier rechnen 6 von 10 mit mehr Mängeln als Nutzeffekten. Die Bevölkerung scheint also nicht bereit, sich in naher Zukunft vollständig vom Bargeld zu verabschieden. Wer das Gegenteil fordert, sollte sich auf Widerstand und den berühmtberüchtigten "österreichischen Grant" gefasst machen.
 

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