Der neue Impfplan des Obersten Sanitätsrates verringert die Anzahl der notwendigen Injektionen für Kleinkinder, insgesamt wurden aber mehr Impfungen generell in die Empfehlungen aufgenommen.
Jedes Jahr gibt es Änderungen im österreichischen Impfplan, der an neue Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien und an die Verfügbarkeit von Vakzinen angepasst wird. Der Impfplan 2010 enthält gegenüber den bisherigen Empfehlungen gleich mehrere signifikante Veränderungen. Hier die wichtigsten Veränderungen im Überblick:
- Reduktion der Dosen für die (in Österreich kostenlose) Sechsfach-Impfung
für Säuglinge bzw. Kleinkinder (gegen Diphtherie, Tetanus,
Pertussis, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae und Hepatitis B) von bisher
4 auf 3 (jetzt: 3. und 5. Lebensmonat sowie ab dem 12. Lebensmonat).
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Verringerung der Zahl der Dosen bei der Pneumokokken-Impfung (es
reichen offenbar 3 statt 4 Teilimpfungen auch aus).
- Die Impfung
gegen Meningokokken C-Infektionen wird für alle Kinder und
Jugendliche empfohlen (speziell gefährdet sind etwa Jugendliche bei Eintritt
in Gemeinschaftswohneinrichtungen).
- Generelle Empfehlung für die Varizellen-Impfung
bei Kindern (speziell vor Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen).
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Die FSME-Impfung wird generell empfohlen, ebenso die Hepatitis
A-Impfung. Hier gibt es seit langem Hepatitis A/B-Kombinationsvakzine.
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Die Auffrischungsimpfungen gegen Diphtherie/Tetanus bei Schulkindern
werden auf 1 Dosis reduziert (dafür aber eine als Vierfach-Impfung im
Volksschulalter, die auch gegen Keuchhusten und Kinderlähmung schützt).
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Erwachsene müssen sich nicht mehr gegen Poliomyelitis
(injizierbare Vakzine) auffrischen lassen, Senioren ab 65 wird nur noch eine Pneumokokken-Impfung
angeraten.
Wie gut viele Impfungen wirken, beweisen die Erfolge mit
der Säuglings-Immunisierung gegen Rotaviren, die schweren Durchfall auslösen
können: Seit Aufnahme der Impfung in das kostenlose Programm für Kinder ging
die Zahl der Spitalsaufnahmen wegen RV-Infektionen in Österreich innerhalb
von 18 Monaten um 74 % zurück.
Pneumokokken für Kinder könnte gratis werden
Zudem will das Gesundheitsministerium die Immunisierung gegen Pneumokokken - sie rufen auch lebensgefährliche Infektionen bei Babys und Kleinkindern hervor - in das kostenlose Kinder-Impfprogramm für Kinder der öffentlichen Hand aufnehmen. "Die Ausschreibung für den Impfstoff für alle Kinder läuft", so eine Sprecherin des Ressorts. Im Detail gibt es aber noch Hürden zu überwinden.
Der Hintergrund: Nach dem Start des kostenlosen Kinder-Impfprogramms in Österreich 1998 ging es in Österreich mit den - bei schwerem Verlauf - zum Teil lebensgefährlichen "Kinderkrankheiten" steil bergab (nur bei den Masern kommt es immer wieder zu Ausbrüchen). Nach der erfolgreichen Bekämpfung von Haemophilus influenzae-Infektionen im Rahmen der Aktion blieben vor allem Rotaviren (schwere Durchfallerkrankungen) und die Pneumokokken (Mittelohrentzündung, Lungenentzündung, Gehirnhautentzündungen, invasive Erkrankungen mit Sepsis). Hier stockte die Erweiterung des Programms.
Erst 2007/2008 wurde das Programm generell auf die Impfungen gegen die Rotaviren ausgedehnt. Sie hatten bis dahin pro Jahr zu rund 5.000 Spitalsaufnahmen von Kindern in Österreich geführt. Die Zahl der Hospitalisierungen ist mittlerweile um 74 % zurück gegangen. Das dürfte den Einsatz an finanziellen Mitteln (ehemals rund 20.000 Krankenhaustage pro Jahr) wahrscheinlich ausgleichen.
Bereits 2002 wurde die Aufnahme der Pneumokokken-Impfung in das Programm angekündigt - nach einer entsprechenden Empfehlung des Impfausschusses des Obersten Sanitätsrates. Doch es kam bloß zu einem Projekt für "Risikokinder", wobei Experten bezweifelten, ob man eine solche Gruppe definieren könne. Das Projekt mit den "Risikokindern" umfasst derzeit nur rund 10 % der Neugeborenen.
Zur Gefährlichkeit der Infektionen erklärte im Frühjahr 2009 Ingomar Mutz,
Vorsitzender des Impfausschusses des OSR: "Zwischen Februar 2001 und
Jänner 2009 gab es in Österreich 233 invasive Pneumokokken-Infektionen bei
Babys und Kleinkindern. 81 Fälle von Meningitis (Gehirnhautentzündung, Anm.)
wurden registriert. 21 oder ein Viertel dieser Kinder erlitten deshalb einen
bleibenden neurologischen Schaden. Es gab 8 Todesfälle."
Während
die Rotavirus-Impfung vor allem den Spitalserhaltern (Bundesländern) Kosten
spart - in den westlichen Industrieländern stirbt im Gegensatz zu den
Entwicklungsländern de facto kein Kind an einer solchen Infektion -, sind
die Pneumokokken wegen der schweren invasiven Krankheitsverläufe in manchen
Fällen noch immer lebensbedrohend.
Die "Wahl der Waffen"
Nach jahrelangen Forderungen der Experten bezüglich der Pneumokokken-Impfung kam schließlich im Oktober 2009 wieder Bewegung in die starre Situation. Die Pneumokokken-Impfung werde ab 2010 für die österreichischen Kinder bis zum fünften Lebensjahr gratis sein, erklärte OSR-Impfausschuss-Vorsitzender Ingomar Mutz Mitte September.
Nun geht es um die Bestellung der Vakzine. "Die Ausschreibung für den Impfstoff für alle Kinder läuft", erklärte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Damit geht es nicht mehr nur um die rund 8.000 "Risikokinder" (nach Frühgeburt, mit Immunstörungen etc.). Bei den Impfstoffen hat sich die Situation in der jüngeren Vergangenheit - medizinisch zum wahrscheinlich Besseren - "verkompliziert": In den vergangenen Jahren gab es ausschließlich eine Vakzine (Prevenar/Wyeth - nunmehr von Pfizer "geschluckt"), welche gegen sieben Stämme der Erreger schützte. Der Hersteller hat vor kurzem die Zulassung für eine Vakzine erhalten, welche 13 Stämme - 89 der in Europa vorkommenden - abdeckt. Zusätzlich erhielt GSK eine Zulassung für eine Pneumokokken-Vakzine für Säuglinge und Kinder, welcher gegen zehn Pneumokokken-Stämme schützt.
Der Hintergrund: Die Immunisierung gegen 7 Serotypen der Erreger führte in einigen Ländern dazu, dass Infektionen mit anderen Stämmen häufiger wurden. Die Pneumokokken wichen sozusagen der Impf-Attacke aus. Das soll durch breiter wirksame Impfstoffe verhindert werden.
Damit wäre ein Konkurrenzkampf bei der Ausschreibung möglich. Hier geht es um den Preis. Bevor aber die Vergabe nicht geklärt ist, kann nicht mit der Impfung aller Neugeborenen in den ersten Lebensmonaten begonnen werden. Vor einiger Zeit wurden die Kosten auf rund 11 Mio. Euro pro Jahr geschätzt.