80.805 Versicherte der Salzburger Gebietskrankenkasse nahmen im vergangenen Jahr Psychopharmaka - hochgerechnet sind das 20 Prozent oder jeder fünfte - aller in dem Bundesland lebenden Menschen. Die Kosten dafür betrugen allein vergangenes Jahr 10,6 Mio. Euro. Die Zahl der Personen, die diese Medikamente schlucken, stieg in den vergangenen Jahren um zehn bis zwölf Prozent jährlich an, wurde bei einem Pressegespräch in Salzburg erklärt.
Nicht selten liegen die Wurzeln psychischer Beschwerden im Arbeitsumfeld der Betroffenen. Arbeiterkammer (AK), ÖGB und Gebietskrankenkasse (GKK) starten heuer die Kampagne "I schau auf mi UND di". Sie soll aufklären, enttabuisieren und dafür sorgen, dass in Betrieben nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die seelische Belastung der Mitarbeiter geachtet werde. "Das geht nur in Zusammenarbeit mit den Betrieben. Wir liefern das Werkzeug dazu", so die Initiatoren unisono.
Der größte Anteil der Psychopharmaka entfällt auf die Gruppe der Antidepressiva (56,1 Prozent) - rund 45.000 SGKK-Versicherte erhalten von ihrem Arzt derartige Verschreibungen. 16,8 Prozent entfallen auf Tranquilizer (Beruhigungs- und Schlafmittel), 13,6 Prozent auf Antidementiva für Demenzpatienten und 13,4 Prozent auf Psycholeptika (zum Beispiel zur Behandlung von Schizophrenie, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen). Antidepressiva werden vor allem von Menschen zwischen 40 und 60 Jahren genommen. Knapp mehr als die Hälfte der Antidepressiva (56 Prozent) werden Männern verschrieben. Tranquilizer - hauptsächlich Schlafmittel - verordnen Ärzte vor allem älteren Menschen über 60 Jahren und dort überwiegend Frauen.
Vorbeugung vor allem am Arbeitsplatz nötig
"Es ist ein Zeichen für einen extrem fragwürdigen Zustand unserer Lebens- und Arbeitswelt, wenn jeder fünfte Salzburger Psychopharmaka braucht - oder zu brauchen glaubt", stellte der Obmann der SGKK, Siegfried Schluckner zu diesen Medikamentenstatistiken fest. "Wir müssen mit der Vorbeugung dort ansetzen, wo die Menschen einen Großteil ihres Lebens verbringen - und das ist der Arbeitsplatz."
"Denn gerade im Arbeitsprozess der heutigen Zeit erscheinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch verschiedene Faktoren in ihrer psychischen Gesundheit deutlich gefährdeter als früher", ergänzte Primar Manfred Stelzig vom Kuratorium für psychische Gesundheit. Durch zunehmende Privatisierung der Betriebe, Forcierung der freien Marktwirtschaft und Globalisierung erfahre jeder einzelne Mitarbeiter einen wesentlich höheren Druck.
Jeder Mitarbeiter müsse sich bewusst werden, dass Burnout möglich ist. "Wenn Menschen im Feuereifer des Arbeitseinsatzes den gesunden Ausgleich mit Familie und Freizeit auf dem 'Arbeitsaltar' opfern, laufen sie Gefahr mit negativen Disstress-Symptomen zu reagieren. Sie sind die Folge eines Missverhältnisses von Anforderung und Leistungsvermögen. Die eigenen körperlichen und seelischen Reserven erschöpfen sich: Burnout. Das bedeutet Antriebslosigkeit, Erschöpfung, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörung, Libidoverlust, Schlafstörung und unspezifische Schmerzen bis hin zu Angststörungen und Depression", so Stelzig.