Michael Frenzel hinterlässt seinem Nachfolger einige Herausforderungen.
Anschleichen kann sich Friedrich Joussen nicht: Bevor man den Zwei-Meter-Mann sieht, ist er meistens schon zu hören. Dank seiner lauten Stimme und eines unverkennbaren Ruhrpott-Zungenschlags ist er überall auszumachen. Verstecken ist auch nicht seine Art, dafür hat er in den mehr als zwanzig Jahren, in denen er den Mobilfunk in Deutschland mit aufbaute, auch zu viel Selbstbewusstsein gesammelt.
Dieses Selbstbewusstsein braucht er in seinem neuen Job als Chef des Reisekonzerns TUI: Es ist eine der schwierigsten Manager-Positionen, die in Deutschland zu haben ist. Der 49-jährige übernimmt am Mittwoch auf der Hauptversammlung in Hannover die Brücke bei TUI - und der Konzern steckt in unruhiger See.
Joussens Vorgänger Michael Frenzel, der TUI knapp 20 Jahre leitete, hinterlässt seinem Nachfolger nach einem strategischen Zick-Zack-Kurs einige Herausforderungen. TUI hat eine komplizierte Holdingstruktur, bei der das Hauptgeschäft mit den schönsten Wochen des Jahres bei der Tochter TUI Travel in Großbritannien gebündelt ist. Verwaltungen gibt es daher gleich zwei Mal: in Hannover und bei London. Zudem schiebt TUI noch eine Beteiligung an der Reederei Hapag-Lloyd vor sich her, die Verluste lasten auf der Bilanz. Und dann lauern im Internet noch zahlreiche große und kleine Konkurrenten darauf, Pauschalurlauber von TUI weg und in ihre virtuellen Reisebüros zu locken.
Joussen schrecken die Herausforderungen offensichtlich nicht. Den Großteil seiner Karriere musste er jeden Tag überlegen, wie er mit dem kleinen Mobilfunk-Startup Mannesmann gegen die übermächtige Deutsche Telekom bestehen kann. Denn Joussen, der eigentlich nur Fritz genannt werden will, fing Ende 80er Jahre bei Mannesmann an und wechselte dort 1990 in den Mobilfunk. Unter dem Namen des Mannesmann D2 brachte der Düsseldorfer Konzern das zweite deutsche Handynetz an den Start und profitierte seit Anfang der 90er von einem beispiellosen Boom. Joussen war immer vorne mit dabei und propagierte etwa die Einführung von Textnachrichten. Später erfand er die Dual-SIM-Karte, dank der das Handy und Autotelefon die gleiche Nummer haben und gleichzeitig klingeln. Ein Idee, die ihm noch immer Geld in Kassen spült. 1997 stieg er in die Mannesmann-Geschäftsführung auf. Die spätere Übernahme durch Vodafone überstand er nicht nur unbeschadet, sondern machte weiter steil Karriere: 2005 wurde er Chef von Vodafone Deutschland. Dort musste er wichtige Entscheidungen wie den Kauf des Festnetzanbieter Arcor stets bei der Londoner Zentrale anmelden. Das letzte Wort hatte er nie - deshalb der Wechsel zu TUI.
Doch auch dort wird es nicht einfach haben, da machtvolle Großaktionäre endlich eine höhere Rendite für ihr Geld sehen wollen. Joussen, der sich seit Herbst bei TUI einarbeitet, kennt seine Mission. Im Dezember sagte er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt für das Unternehmen auf die Frage nach dem größten Unterschied zwischen Vodafone und TUI wie aus der Pistole geschossen: "Die Margen - da muss TUI noch viel tun." Der Konzern aus Hannover fuhr im vergangenen Geschäftsjahr 2011/2012 (bis Ende September) eine operative Marge (Ebitda) von 5,6 Prozent ein - im Mobilfunk sind es locker 35 Prozent.
Komplett hat sich der Manager noch nicht aus seinem alten Leben verabschiedet. Er hat eine Wohnung in Hannover, pendelt am Wochenende aber nach Duisburg zu seiner Frau und seinen vier Kindern.