Über die ständig wechselnden Spritpreise an den Tankstellen wundern sich die meisten Autofahrer. Schuld an der für Laien undurchsichtigen Preisgestaltung sind angeblich auch die täglich wechselnden Rohölnotierungen am Spotmarkt in Rotterdam. Auffallend ist, dass die Gewinnspannen zwischen diesen Rohölpreisen und den Verkaufspreisen an der Zapfsäule großen Schwankungen unterliegen. Besonders stark schnellten die Margen heuer wieder zur Urlaubszeit empor - im Februar (Semesterferien) auf rund 10 (Benzin) bis 15 Cent (Diesel) je Liter, im April (Ostern) auf 9 bis 14 Cent und im Juli (Beginn der Sommerferien) auf 12 bis 13 Cent.
Seit 1. Juli dürfen die Preise im Tagesverlauf nicht mehr erhöht werden. Als Folge sind Benzin und Diesel nun morgens am teuersten - zu Senkungen, die ja nach wie vor erlaubt sind, kommt es meist am späteren Vormittag, am Nachmittag um etwa 15.00 Uhr und manchmal ein drittes Mal am Abend um etwa 19.00, stellte der Autfahrerclub ARBÖ fest.
"Die Autofahrer ärgern sich über diese willkürliche Preisgestaltung - die Preise ändern sich sogar im Tagesverlauf um 3 bis 7 Cent pro Liter", sagte die Sprecherin des Autofahrerclubs ARBÖ, Lydia Ninz, am Dienstag zur APA. Besonders deutlich fällt dieses Phänomen derzeit bei den Dieselpreisen auf - einmal kostet er über 1 Euro, einmal darunter.
"Die Kunden haben sich auf unseren Rat hin angewöhnt, am Abend zu tanken", so Ninz. Ähnlich der Tanktipp des ÖAMTC: Eher spätnachmittags oder abends sowie am Beginn der Woche, also montags oder dienstags, tanken. "Den Montags-Effekt gibt es ohnehin schon jahrelang, aber in den Ferien ist er verstärkt", sagte ÖAMTC-Spritpreisexpertin Elisabeth Brandau zur APA.
Preissensibilität steigt
Die Preissensibilität der Autofahrer ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. 82,5 Prozent der Autofahrer schauen sich die Preise laut einer ARBÖ-Umfrage sehr genau an - vor fünf Jahren waren es erst 68 Prozent.
Die Tankstellenpächter beklagen bereits spürbare Umsatzverluste in ihren Shops in der Früh. Viele sind laut ARBÖ einfache Angestellte eines Mineralölkonzerns und können die Preise nicht selbst bestimmen. "Die Konzerne verprellen die Leute und der Zusatzumsatz in der Früh ist weg, denn am Abend kauft sich keiner mehr ein Frühstückskipferl", so Ninz.
"Die Tankstellenkonzerne sagen, sie richten sich nach den Preisen in Rotterdam - das stimmt nicht, die gehen nicht jeden Tag um 7 Cent rauf", ärgert sich die ARBÖ-Sprecherin. Die Tagesnotierungen würden im holländischen Rotterdam am späteren Nachmittag so zwischen 16.00 und 17.00 in US-Dollar pro Tonne fixiert. Dafür zuständig sind zwei private Preisfindungsfirmen - Argus und Platts mit Sitz in London. Wem die Gesellschaften gehören, ist schwer festzustellen.
Rotterdam ist nicht alles
"Für die Preisgestaltung ist jede Tankstelle für sich selbst verantwortlich", entgegnet der Sprecher der Mineralölindustrie, Christoph Capek. Von den rund 2.800 Tankstellen in Österreich seien nur rund die Hälfte Agenturtankstellen. Zwischen Rotterdam und der Zapfsäule seien viele Händler, die ihre Preise kalkulieren müssten. Der Rotterdamer Preis gelte zwar als "Leitgröße", sei aber nur ein Teil der Preiskalkulation für die Firmen, nicht alles, so Capek. Die Margen-Rechnung des ARBÖ sei "eine zu vereinfachte Darstellung".
Um mehr Transparenz bei den Spritpreisen kümmern sich mittlerweile die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) sowie die EU-Wettbewerbsbehörde. "Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat uns im März eine europäische Marktuntersuchung mit Schwerpunkt auf die Preisgebarung in Rotterdam zugesagt", sagte ÖAMTC-Sprecherin Brandau. "Gleichzeitig hat die BWB ein Schreiben an Platts gerichtet, man möge erklären, wie das alles funktioniert."
Infolge der Wirtschaftskrise verzeichnet die Mineralölindustrie indes einen deutlichen Nachfragerückgang bei Diesel. Allein im ersten Halbjahr wurde an den Zapfsäulen um 4 bis 6 weniger Dieseltreibstoff getankt. Der Fachverband erklärt dies mit dem gebremsten Geschäft der Frächter, die durchwegs mit Dieselfahrzeugen unterwegs sind. Der Verbrauch von Benzin stagniere wie auch schon im abgelaufenen Jahr.