Das ist nicht wirklich neu: Kaum hat nach monatelangen Verhandlungen ein Konzept zur Sanierung der maroden Kassen das Licht der Welt erblickt, droht es auch schon wieder zu scheitern. Finanzminister Josef Pröll hat am 1. Juli das jüngste von Sozialversicherung und Ärztekammer ausverhandelte Sanierungspapier für nicht ausreichend befunden und Nachbesserungen gefordert. Damit sind auch die zur Entschuldung der Kassen gedachten Mittel vorerst blockiert. Streitpunkt ist wie so oft das Geld.
Pröll verkündete in einer Aussendung, was sich schon abgezeichnet hatte: Er sieht durch das Paket den Regierungsauftrag, ein Sanierungskonzept zu erarbeiten, "nur teilweise erfüllt". Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Kostendämpfung seien "zu wenig präzisiert". Auf Ablehnung beim Finanzministerium stoßen in erster Linie aber Zusatzwünsche im Papier, die laut Ministerium den Bund zusätzlich eine Mrd. Euro kosten würden.
"Keine nachvollziehbare Kalkulationen"
Das Ressort äußerte auch Zweifel am Einsparungspotenzial des Konzepts, das von 2,5 Mrd. Euro Kostendämpfung bis 2013 ausgeht. Es fehlen "nachvollziehbare Kalkulationen über die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen einzelner Maßnahmen sowie konkrete Zeitpläne zu deren Umsetzung". In Summe könne diese Vorgangsweise "im Sinne einer verantwortungsbewussten Budgetpolitik nicht akzeptiert werden", so das Finanzministerium.
Ein Streitpunkt ist der sogenannte Kassenstrukturfonds, der 2010 mit 100 Mio. Euro dotiert ist. Der Hauptverband war bei seinen Berechnungen mit weiteren 100 Mio. Euro auch für die Jahre 2011, 2012 und 2013 ausgegangen. Das stößt im Finanzministerium auf Widerstand. Das Sanierungskonzept war Voraussetzung für eben diese Gelder und weitere 450 Mio. Euro (dreimal 150 Mio. Euro 2010 bis 2012) zur Entschuldung der Kassen.
Bundeskanzler Werner Faymann sieht in dem Konflikt nun Pröll am Zug. Die Freigabe der Gelder zur Entschuldung stehe für ihn allerdings außer Frage, sagte Faymann im Gespräch mit der APA. Über die Differenz zwischen den Wünschen des Hauptverbandes und den Vorstellungen Prölls müsse der Finanzminister selbst verhandeln, "ich unterstütze ihn", so Faymann. Er betonte einmal mehr, es sei wichtig, dass auch die Ärzteschaft am Sanierungskonzept mitgearbeitet habe. Da müsse man auch einmal Danke sagen und nicht immer "das Haar in der Suppe suchen". Die Dotierung des Strukturfonds ab 2011 will Faymann später diskutieren.
Gesundheitsminister Alois Stöger und Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (beide S) beurteilten das Papier grundsätzlich positiv und sahen auch keinen Grund für eine Blockade der Entschuldungsgelder. Stöger stellte aber Präzisierungen des Hauptverbands in Aussicht und verwies darauf, dass "einnahmenseitige Maßnahmen" - also die Zusatzwünsche von Sozialversicherung und Ärzten - "nie Auftrag des Bundes waren".
Schelling: "Brauchen klare Aussage"
Hauptverbandschef Hans-Jörg Schelling forderte von der Regierung eine "klare Aussage" und verteidigte das Konzept. Dieses habe "Hand und Fuß". Die Verhandlungspartner hätten ihren Auftrag erfüllt, sagte Schelling im APA-Interview. Man sei aber bereit, in den Dialog zu treten und die einzelnen Maßnahmen zu erklären. Dazu gibt es am 3. Juli Gelegenheit, da hat Faymann die Verantwortlichen zu einem Gespräch geladen.
Dass Pröll nicht an das Einsparungsvolumen glaubt, liegt für Schelling an der "Komplexität" des Papiers. Das Einsparungspotenzial der verschiedenen Maßnahmen "mag für einen Außenstehenden vielleicht schwierig nachzuvollziehen sein". Deshalb stehe der Hauptverband zu seinem Angebot, Unklarheiten mit einem Gespräch auszuräumen.
Überraschte Ärzte
Ärztekammer-Präsident Walter Dorner reagierte "erstaunt". Das aktuelle Paket beinhalte wesentliche Weichenstellungen für die Zukunft. Es sei "unmöglich", innerhalb weniger Monate mit einem einzigen Reformkonzept die "Fehler der vergangenen Jahrzehnte" komplett beheben zu können.
Scharfe Kritik an Pröll übte der ÖGB. Das Gesundheitssystem sei "nicht für politische Machtspiele geeignet. Dafür ist es wirklich zu wichtig", sagte der Leitende Sekretär sowie Hauptverbands-Vize Bernhard Achitz. Kritik kam auch von der Opposition.