Milchbauer Hans-Peter Barth hat in der Krise eine süße Chance entdeckt. Weil er für seine Milch zu wenig Geld bekommt, verkauft er sie in gefrorener Form. Mit Bauerneis direkt vom Hof bessern der Landwirt und seine Familie in Tyrlaching bei Altötting ihr mageres Einkommen auf. Vanille, Stracciatella, Schoko, Haselnuss, außerdem Sorbet von Erdbeere und Himbeeren aus eigenem Anbau - das Geschäft läuft gut.
"Es macht gescheit viel Arbeit - aber es macht Spaß, weil die Leute begeistert sind", sagt der Landwirt. Kommt er in den Stall, holt ihn der Frust ein. "30 Kühe - das ist zum Leben zu wenig", erläutert er. "Deshalb haben wir etwas anderes gesucht." Die Eisproduktion würde er inzwischen eher weitermachen als die Milchviehhaltung, sagt er.
Das Konzept stammt von einer holländischen Firma. Insgesamt 2.800 Rezepte, Zutaten wie Schokopaste und Eismaschinen vertreibt "Bauernhofeis" mit Sitz in Hooge Mierde im Soft-Franchise-System. "Es ist die Absicht, dass so viel wie möglich Zutaten verwendet werden, die in der Region wachsen", sagt Marketingmanager Rienus Heij.
Deshalb gebe es auch speziell regionale Rezepte: Kürbiskern-Öl-Eis für die Steiermark, Goldmelissen-Eis für das Emmental, Sauermost-Eis für die Region Salzburg und Wein-Eis für die Region Bordeaux. Besonders das letztere sei ein "kulinarisches Erlebnis", schwärmt Heij. Das Andechser Doppelbock-Bier-Eis gehört naturgemäß in den Münchner Raum, Spargel-Eis mit Frankenwein eher nach Nordbayern.
Landwirte in 18 europäischen Ländern sind Eisbauern
Hunderte Landwirte in 18 europäischen Ländern sind schon Eisbauern, vom Eisland Italien bis ins kühle Skandinavien. Seit dem Absacken des Milchpreises verzeichnet Bauernhofeis einen Boom. Die Zahl der Anfragen habe sich im vergangenen halben Jahr im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht, sagt Heij. "Es ist kaum zu bearbeiten." Das Geschäft mit der kühlen Leckerei ist auch zukunftsträchtig: Die Menschen essen immer mehr Eis. Ob das mit dem Klimawandel und steigenden Temperaturen zusammenhängt, sei unklar, sagt Heij.
Dass Bauernhofeis mit frischen Zutaten ohne Konservierung, Farbstoff und künstliche Aromen besser schmeckt als Supermarkt-Eis, können Hans-Peter Barth und seine Frau an ihren drei Kindern feststellen. "Wenn wir irgendwo anderes Eis kaufen, müssen wir es selber essen." 6 Euro pro Liter sei zwar hochpreisig. "Aber wer das Eis einmal kennt, der kauft es immer wieder."
Bayerns Agrarminister Helmut Brunner (CSU) ist froh über solche Initiativen seiner Bauern. Seit er im Amt ist, ruft er sie auf, sich breiter aufzustellen. "Mit ihrer Kreativität haben die Bauern einen bunten Strauß von Möglichkeiten geschaffen", lobt er. Auch der Bayerische Bauernverband begrüßt das Eis als einfallsreiche Vermarktungsidee, mit der sich die Wertschöpfung steigern lasse.
Bis zu 150 l Eis in der Woche gehen bei den Barths bei schönem Sommerwetter über die Theke. Viel verkaufen sie in Kugeln auf Märkten, oft wird auch für Feste oder die Gastronomie bestellt. Eine ungewöhnliche Eis-Variante stellt der Ehrwalder Ziegenhalter Peter Senftlechner her: Sein Eis ist aus Ziegenmilch. Es ist damit nicht nur biologisch, sondern auch für Allergiker geeignet, die Eiweiß aus Kuhmilch oder Laktose nicht vertragen.
Kosmetik aus Milch
Eine andere Vermarktungsidee für Milch hatte vor einigen Jahren eine Milchprinzessin aus Bayern. Sie kreierte Kosmetik aus Milch, von einer Joghurt-Feuchtigkeits-Emulsion über ein Buttermilch-Kräuterbad bis zur Apfel-Sauerrahm-Maske, was recht essbar klingt. Das Projekt wurde offenbar nicht weiterverfolgt. Vielleicht war das Problem die Haltbarkeit - Milch verdirbt schnell.
Die Lösung fand eine Firma für Milchkosmetik in Erlensee bei Hanau mit der Fermentierung der Milch. "Seit Jahrtausenden ist Milch ein Schönheitselixier", sagt Geschäftsführer Knut Brekle. Die Idee zu der Kosmetik entstand in einer früheren Milchkrise, zu Zeiten der Butterberge und Milchseen. "Da hat man sich Gedanken gemacht, was man noch mit der Milch machen kann." Der Effekt für den Milchmarkt blieb allerdings gering: Ein paar Tonnen des Rohstoffs brauche die Firma für die Herstellung. "Das sind für die Molkereien Peanuts."
Ähnlich ist es freilich beim Eis: "Es bringt wenig - beim Kas geht mehr Milch drauf", sagt Eis-Bäuerin Roswitha Leitner in Tittmoning (Landkreis Traunstein). Auf 1.500 l Eis schätzt sie die Jahresmenge - das bedeute nur den Verbrauch von mehreren hundert Litern Milch. Jetzt schmiedet sie Pläne für ein Hof-Cafe mit selbst gemachtem Schmalzgebäck, Kuchen - und natürlich Eis.