Leitzins im Euro-Raum bleibt auf Rekordtief
08.10.2009
Trotz allmählicher Konjunkturerholung bleibt der Leitzins im Euro-Raum unverändert bei 1,0 %. Das entschied die EZB in Venedig.
Die Phase der Zinssenkungen ist mit dem Ende der Rezession nach einhelliger Meinung von Experten beendet. Für eine Verschärfung der Geldpolitik scheint es aber wegen der unklaren konjunkturellen Aussichten und der niedrigen Inflation noch zu früh. Ökonomen gehen davon aus, dass der Leitzins bis mindestens Mitte 2010 auf dem aktuellen Niveau verharrt.
Die Notenbank hatte den wichtigsten Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft wegen der Finanzkrise seit Oktober 2008 in mehreren Schritten um insgesamt 3,25 Prozentpunkte gesenkt, zuletzt im Mai. Niedrige Zinsen verbilligen Kredite für Verbraucher und Unternehmen und sollen der Wirtschaft einen Impuls geben. Die wirtschaftliche Erholung ist aus Sicht der EZB noch nicht nachhaltig.
EZB traut Konjunkturerholung noch nicht
"Wir haben Signale, dass der freie Fall der globalen Wirtschaft hinter uns liegt. Aber die Unsicherheiten bleiben weiterhin hoch und der Aufschwung bleibt holprig", betonte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Die EZB dürfe noch nicht davon ausgehen, dass die Schwierigkeiten überwunden sind.
Um die Banken mit zusätzlicher Liquidität zu versorgen und so die Finanzierung der Realwirtschaft zu garantieren, pumpt die EZB seit Monaten Milliarden an billigem Geld in den Markt. Die Notenbank könne aber jederzeit handeln, um die Preisstabilität zu gewährleisten, versicherte Trichet: "Wenn sich das Umfeld verbessert, wird der EZB-Rat die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die überschüssige Liquidität rechtzeitig vom Markt zu nehmen."
Auch angesichts der niedrigen Inflationsraten, die im Euro-Raum zuletzt sogar vorübergehend ins Minus gerutscht sind, besteht kein akuter Handlungsbedarf für die Notenbank, an der Zinsschraube zu drehen. In den kommenden Monaten erwartet Trichet aber wieder positive Inflationsraten. Mittel- und langfristig stehe die Inflation im Einklang mit dem Ziel der EZB von eine Rate "unter, aber nahe 2 %".
Ein Anzeichen für die langsame Stabilisierung der Wirtschaft im Euro-Raum sieht Trichet auch in der deutlich geringeren Nachfrage nach dem zweiten Jahrestender Mitte September. Mit gut 75 Mrd. Euro musste die EZB deutlich weniger an die Banken der Eurozone zuteilen als beim ersten Jahrestender vom Juni, als 442 Mrd. Euro nachgefragt wurden. "Das könnte ein Signal dafür sein, dass die Märkte allmählich wieder normaler funktionieren", sagte Trichet.
Im Dezember wird die Notenbank ihr drittes und letztes Refinanzierungsgeschäft über diesen ungewöhnlich langen Zeitraum von zwölf Monaten durchführen. Nachdem die ersten beiden Geschäfte jeweils zum Leitzins bei voller Zuteilung vorgenommen wurden, kamen zuletzt Spekulationen über einen möglichen Zinsaufschlag auf. Trichet sagte dazu am Donnerstag, die Notenbank werde die Konditionen rechtzeitig bekanntgeben.
Trichet appellierte erneut an die Geschäftsbanken, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die niedrigen Zinsen sowie das billige Geld an die Realwirtschaft weiterzugeben. "Wir tun unser Möglichstes, dass es nicht zu einer Angebotsklemme bei den Krediten kommt", betonte er. Nun müssten auch die Geschäftsbanken ihre Bilanzen sanieren und die Realwirtschaft unterstützen.
Bisher sieht die EZB die schwache Kreditvergabe in den vergangenen Krisenmonaten aber vor allem durch die geringe Nachfrage der Unternehmen und Privathaushalte begründet.
Gleichzeitig ermahnte Trichet die Regierungen im Euro-Raum, ihre Haushalte baldmöglichst im Einklang mit dem europäischen Stabilitäts-und Wachstumspakt zu konsolidieren. Dies müsse angesichts der hohen Haushaltsdefizite und der damit verbundenen Zinslasten vor allem durch Kürzungen der Ausgaben erfolgen.
Bank von England hält an ultraexpansiver Geldpolitik fest
Großbritanniens Notenbank hat wie erwartet ihren Leitzins bei 0,5 % belassen. Auch das Volumen des Ankaufsprogramms für Staatsanleihen von 175 Mrd. Pfund (189 Mrd. Euro) wurde nicht angetastet.
Experten gehen davon aus, dass sich die Notenbanker bis zum nächsten Inflationsbericht im November mit geldpolitischen Manövern Zeit lassen werden. Dann halten einige Ökonomen sogar eine Ausweitung der Ankäufe etwa auf Unternehmensanleihen und andere Wertpapiere für möglich, nachdem sich Gouverneur Mervyn King bisher auf Staatspapiere konzentriert hat.
Die Bank of England fährt damit einen etwas anderen Kurs als die Fed, die sowohl Staatstitel als auch diverse andere Anleihen kauft, oder die EZB, die versucht, den europäischen Pfandbriefmarkt durch den Kauf von Covered Bonds zu beleben.