568 Medikamente fehlen derzeit oder sind nur schwer verfügbar. Darunter Schmerzmittel und Antibiotika. Nächstes Jahr droht ein weiterer Engpass.
Die Versorgungssicherheit für Patienten ist in Gefahr, wenn die Politik die aktuelle Preisregelung für günstige biologische Nachfolge-Medikamente (Biosimilars) nicht verlängert, erklärten Mediziner und Branchenvertreter am Donnerstag in Wien. Biosimilars werden etwa bei Rheuma, Krebs, Diabetes, Morbus Crohn, Osteoporose oder Schuppenflechte eingesetzt.
Biosimilars würden aktuell mit erstem Jänner 2024 höhere Preisabschläge erfahren (das bedeutet, dass die Hersteller weniger Geld von der Krankenkasse für die Medikamente erhalten). Weil sich das Geschäft dann nicht mehr rentiere, würden die Firmen sich ganz aus Österreich zurückziehen.
"Mehrere internationale Firmen haben schon signalisiert, dass sie dann ihre Produkte nicht auf dem österreichischen Markt brächten", erklärte Sabine Möritz-Kaisergruber vom Biosimilarsverband Österreich. So etwa die Hersteller von neuen Biosimilars gegen Multiple Sklerose und schweren entzündlichen Hauterkrankungen, die jüngst von der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen worden sind.
Die Folge wäre: Nur noch Original-Medikamente wären zu deutlich höheren Preisen erhältlich. "Bei Problemen in der Lieferkette droht sogar eine echte Medikamentenknappheit", sagt die Sprecherin des Biosimilarsverband zu oe24.
Chronisch Kranke würden unter Engpass besonders leiden
Biosimilars sind gleichwertige Nachfolgeprodukte von Biopharmazeutika. Die Biopharmazeutika ermöglichen die Behandlung komplexer Erkrankungen wie Krebs oder Autoimmunerkrankungen und stellen in vielen Therapiefeldern die einzige therapeutische Option dar. Die Behandlung mit Biopharmazeutika ist jedoch teuer: Die geschätzten Behandlungskosten pro Tag sind im Schnitt um das 22-fache höher als die Therapie mit herkömmlichen niedermolekularen Wirkstoffen.
Der Biosimilarsverband erklärt: "Biosimilars sind gleichwertige Nachfolgeprodukte von bereits seit Jahren am Markt zugelassenen Biopharmazeutika, deren Patent abgelaufen ist und damit eine leistbare Alternative für teure Therapien. Ein Biosimilar hat dieselbe Wirkung, Qualität und Sicherheit wie ein vergleichbares Referenzprodukt. Sie bieten Patienten somit einen weiteren Zugang zu innovativen, biopharmazeutischen Arzneimitteltherapien. Ein vermehrter Einsatz dieser Arzneimittel trägt dazu bei, das Gesundheitsbudget rasch und finanziell nachhaltig zu entlasten."
Warnung vor 2024
Läuft die Biosimilars-Preisregel aus, dann fällt sie auf die alte Generika-Preisregel zurück. "Das könnte zu weniger Biosimilars-Medikamenten führen oder verspäteten Markeinführungen in Österreich", warnen die Firmen.
Die Regelung ist mit 31. Dezember 2023 befristet. Bei einem Rückfall auf die frühere Generika-Preisregel würden verpflichtende Preissenkungen für Biosimilars um über 60 Prozent anstatt derzeit über 50 Prozent schlagend werden. Die drohende Konsequenz wäre eine Reduktion des Angebots an Biosimilars in Österreich und damit auch der Einsparungsmöglichkeiten und eine Gefährdung der Versorgungssicherheit.
Die Unternehmen, die Biosimilars anbieten, nennen zwei Vorteile, wenn die Medikamente am Markt bleiben.
- Versorgungssicherheit: Biosimilars kurbeln den Wettbewerb an und sorgen für mehr Angebot am Markt. Das erhöht die Versorgungssicherheit in der Biologikatherapie.
- Einsparungen & breiter Patientenzugang: Durch Biosimilars können mit dem gleichen Geld doppelt so viele Menschen behandelt werden. Mit der bestehenden Biosimilars-Preisregel können rund 330 Millionen Euro bis 2027 eingespart werden. Bei Rückfall in die Generika-Preisregel reduziert sich das Einsparungspotenzial um 42 Prozent, das entspricht rund 140 Millionen Euro an Einsparungen.
Warum Biosimilars nicht wie Generika behandelt werden sollten, erklärt der Verband so: "Die Entwicklungszeit eines Biosimilars ist mit bis zu acht Jahren deutlich länger als bei Generika. Auch die Entwicklungskosten sind bei Biosimilars mit rund 200 Mio. Euro rund 20-mal so hoch als bei Generika."
"Daher müssen die vorhandenen Chancen genutzt und alles Mögliche von Seiten der Kassen unternommen werden, um die Biosimilars zu fördern, die dem Markt zur Verfügung stehen."
Der Biosimilarsverband Österreich fordert daher "eine Überführung der derzeit geltenden Biosimilars-Preisregel in Dauerrecht".
132 Millionen Euro Mehrausgaben drohen
"Unsere Studie prognostiziert für Österreich Einsparungen durch Biosimilars in Höhe von über 330 Millionen Euro für den Zeitraum von 2023 bis 2027", so Stefan Baumgartner-Bisschoff vom Marktforschungsinstitut IQVIA Austria, der eine Biosimilars Verbrauchsstudie durchgeführt hat.
"Diese Einsparungen könnten sich um mindestens 40 Prozent verringern, wenn die bestehende Regelung nicht aufrechterhalten wird und in Folge weniger Biosimilars auf den österreichischen Markt kommen." Dann müssten teurere Originalmedikamente verordnet werden. Mehr als 130 Millionen Euro Mehrausgaben würden so drohen.
Biosimilars sind Nachfolgeprodukte von Medikamenten mit biologischen Wirkstoffen, deren Patentschutz abgelaufen ist. Die meisten Biosimilars wirken gegen chronische Erkrankungen wir Rheuma, entzündliche Gelenks-, Haut- und Darmerkrankungen, neurologische Beschwerden wie Multiple Sklerose und Krebserkrankungen, sowie hormonelle Erkrankungen, berichtete die Wiener Rheumatologin Julia Fuchs. Die biologischen Medikamente vermögen oft, solche Krankheiten in Ruhezustand (Remission) zu bringen und ihr Fortschreiten aufzuhalten.