Masernepidemie 2008 rekonstruiert
30.07.2009"Endabrechnung" der größten Masernepidemie in Österreich seht mehr als zehn Jahren: Fast 500 Erkrankungen wurden im Gefolge des Ausbruchs in einer anthroposophischen Schule in Salzburg registriert. 74 Patienten oder fast 17 Prozent der Erkrankten mussten ins Spital.
Das Virus - eingeschleppt von Schülern aus der Schweiz - sorgte in Bayern für 50 Fälle, zwei im deutschen Bundesland Baden-Württemberg und vier sogar in Norwegen. Dies geht aus einer Bilanz des Instituts für Virologie der MedUni Wien hervor.
"Im Jahr 2008 kam es in Österreich zu einem Masernausbruch in einem Ausmaß, mit dem wir seit mehr als zehn Jahren nicht konfrontiert waren", schrieb Spezialistin Heidemarie Holzmann vor kurzem in den Virusepidemiologischen Informationen des Instituts. In den Jahren zuvor war die Häufigkeit mit zehn bis 25 Fällen pro Jahr sehr niedrig gewesen. Eine Ausnahme war das Jahr 2003 mit 99 Fällen. Das Zurückdrängen der Masern war auf die Etablierung des kostenlosen Kinder-Impfprogramms in Österreich zurückzuführen.
Doch im Spätwinter 2008 war plötzlich alles anders. Die Expertin: "In der ersten Märzwoche besuchte eine anthroposophische Schülergruppe aus der Schweiz eine anthroposophische Schule in Salzburg Stadt. Während gemeinsamer Aktivitäten mit den Salzburger Schülern erkrankte am 7. März ein Schweizer Schüler an Masern. Da das Masernvirus hochinfektiös ist und fast keiner der Schüler durch eine Masernimpfung geschützt war, konnte sich diese Infektion rasch ausbreiten.
Trotz rascher und umfangreicher Maßnahmen seitens der lokalen und nationalen Gesundheitsbehörden nahm von dort eine Masernepidemie ihren Ausgang, die fast alle (österreichischen, Anm.) Bundesländer erfasste." In der Schweiz, einem Land ohne ein generelles Kinder-Impfprogramm, hatte es seit 2006 bereits rund 4.000 Masernfälle im Rahmen einer landesweiten Epidemie gegeben.
Salzburg am stärksten betroffen
Fazit laut der Virologin: "Am stärksten betroffen war nach Salzburg mit 241 gemeldeten Masernfällen vor allem Oberösterreich (146), gefolgt von Wien (22), Tirol (13) und Vorarlberg (10)." Das machte insgesamt 432 Fälle, im ganzen Jahr wurden in Österreich 443 Masern-Erkrankungen gemeldet. In der Jahresbilanz waren nur 21 Fälle im Jahr 2008 nicht auf den Ausbruch in Salzburg zurückzuführen. Es traten allein 168 Infektionen (knapp 38 Prozent) in der großteils ungeimpften anthroposophischen Gemeinschaft auf, in 123 Fällen davon waren Schüler bzw. Kindergartenkinder der anthroposophischen Institution in Salzburg Stadt betroffen.
Neben den österreichischen Fällen waren auch 50 Masernfälle in Bayern - ausgehend von deutschen Schülern, die auch die anthroposophische Schule in Salzburg besuchten -, zwei in Baden-Württemberg und vier Masernfälle in Norwegen direkt auf diesen Ausbruch zurückzuführen.
Die Epidemie gab auch Hinweise auf Impflücken in der österreichischen Bevölkerung, so die Expertin. So waren die meisten Erkrankungen außerhalb der ungeimpften Gruppe der anthroposophischen Gemeinschaft in der Altersgruppe der Zehn- bis 24-Jährigen aufgetreten. Dort scheint noch Nachholbedarf für Impfungen gegeben zu sein.
Die Masern sind - so Virologin Heidemarie Holzmann - keine harmlose Erkrankung: "74 Masernpatienten (= 16,7 Prozent) wurden aufgrund eines schwereren Krankheitsverlaufes oder Komplikationen hospitalisiert, die meisten davon in Oberösterreich und Wien. Dies entspricht der publizierten Komplikationsrate von bis zu 20 Prozent." Weil die Masern so infektiös sind, konnte der Ausbruch schließlich erst nach sechs Monaten unter Kontrolle gebracht werden.