ORF-Chef Wrabetz schließt Änderungen unter Direktoren nicht aus
21.08.2009
Drei Jahre nach seiner Wahl zum ORF-General denkt Alexander Wrabetz nicht an ein vorzeitiges Ende seiner Amtszeit. Trotz Finanzdruck und "teilweise unerfreulicher Quotenentwicklung" will er Österreichs größten Medienkonzern noch mindestens 2,5 Jahre führen. In seinem Sparvorhaben sieht er sich auf Schiene, wobei er einräumt, dass dies "nicht ganz ohne Auswirkungen auf das Programm bleiben" kann. Ein großes Herbst-Event à la Starmania ist heuer nicht geplant, wohl aber Innovationen in ORF 1.
"Unerfreulich", so Wrabetz, seien für ihn die aktuellen Quoten. Im Juli lag der Marktanteil beider ORF-Programme - "trotz überlegener Marktführerschaft" - in den Kabel- und Satellitenhaushalten bei nur 34 Prozent. "In Deutschland würde man bei diesen Zahlen in Jubelschreie ausbrechen - ich bin damit nicht zufrieden.
Die Performance sollte teilweise besser sein", das werde auch mit den dafür verantwortlichen Fernseh-Direktoren, Programmverantwortlichen und Planungszuständigen erörtert. Auf die Frage, ob Wrabetz in dem Zusammenhang an einen Austausch einzelner Direktoren denkt, meinte er: "Man muss sehen, ob das Problem temporäre Ursachen hat oder ob es auch strukturelle und strategische Fragen gibt, wo wir uns besser aufstellen müssen. Bevor man über personelle Fragen nachdenkt, müssen die Strategien und Strukturen geklärt sein."
TV-Marktanteil "mittelfristig zwischen 30 und 35 Prozent"
An der Abwärtsbewegung der Quoten trage aber nicht zuletzt der durch die Digitalisierung veränderte Fernsehmarkt Schuld. So sei die durchschnittlich in KaSat-Haushalten empfangbare Anzahl an Sendern von 56 im Jahr 2007 auf derzeit 88 gestiegen, erklärte Wrabetz. Jahrelang galten 40 Prozent Marktanteil als Mindestflughöhe für die beiden ORF-TV-Sender.
Eine neue Schmerzgrenze will der ORF-Chef nicht ausrufen, er hält es aber angesichts der europäischen Entwicklung für realistisch, dass sich der Marktanteil "mittelfristig zwischen 30 und 35 Prozent einpendeln" werde.
2009 und 2010 werde man aber deutlich über diesen Werten liegen. Ziel sei es, dass der ORF auch langfristig mit jedem einzelnen Sender Marktführer in seinem Segment bleibt. International soll der ORF unter den fünf quotenstärksten Sendern Europas und substanziell über dem Durchschnitt der anderen öffentlich-rechtlichen Programme in Europa liegen, so Wrabetz.
Sparvorhaben auch im Programm
Dass der Sparstift auch im ORF-Programm zu sehen sein wird, ist laut Wrabetz nicht ganz zu vermeiden. Dennoch werde man trotz aller Sparnotwendigkeiten eine Reihe neuer Angebote wie die Gedankenleser-Show "Der Mentalist" oder den Ski-Promi-Event "Das Rennen" anbieten. Ein Herbst-Event nach dem Vorbild von "Starmania" oder "Dancing Stars" werde es aber nicht geben - man dürfe diese Formate nicht durch eine zu knappe Abfolge der Staffeln "totspielen". Auch 2010 habe der ORF trotz Sparkurs das umfassendste Programmangebot und die größte Programmvielfalt aller deutschsprachigen Fernsehgruppen, so Wrabetz.
Damit das Publikum vom Spardruck des Senders aber so wenig wie möglich mitbekommt, soll Verzichtbares ersetzt werden. Mittelfristig soll etwa die Formel 1 gegen österreichisches Programm eingetauscht werden. Der Spartensender ORF Sport Plus, den Informationsdirektor Elmar Oberhauser aus Kostengründen für nicht mehr tragbar erklärte, werde "aus heutiger Sicht erhalten bleiben, fraglich ist nur, in welchem Umfang."
Wrabetz verteidigt Programmreform 2007
Mit der umstrittenen Programmreform, mit der Wrabetz im Frühjahr 2007 seine Amtszeit einläutete, ist der ORF-Chef rückblickend zufrieden. "Es wurden zahlreiche Qualitätsakzente gesetzt, die natürlich auch zulasten der Quoten gingen." Der Großteil der neuen Formate wie "Heute in Österreich", "konkret", die ORF 1-Info-Leiste, der Kulturmontag, "Wir sind Kaiser", "Willkommen Österreich" oder auch die neue Kinderprogramm-Schiene "Okidoki" habe sich gut etabliert und sei beliebter Bestandteil des heutigen Programms.
Zufrieden ist Wrabetz mit der Arbeit der TV-Information. Die ORF-Nachrichten erreichten laut Wrabetz pro Tag 2,3 Mio. Seher - in der Primetime zwischen 19.00 und 20.00 Uhr versorgten die Sender plangemäß mehr Österreicher mit Information als zu Zeiten der durchgeschalteten "Zeit im Bild". Der Radio- und Online-Bereich entwickle sich ebenfalls überaus zufriedenstellend. Dort sei die starke Marktposition gehalten worden.
"Keine Veranlassung für gravierende Gesetzesänderungen"
Der anstehenden Gesetzesnovelle, von der es ursprünglich hieß, sie könnte einen Wechsel in der ORF-Geschäftsführung und eine Umwälzung der Strukturen mit sich bringen, sieht Wrabetz gelassen entgegen. Er werde sich in den kommenden Monaten dafür einsetzen, dass die Politik jene Rahmenbedingungen ermöglicht, mit denen der ORF in seinem derzeitigem Leistungsumfang erhalten bleiben kann. Dazu gehört nicht nur die Refundierung der Gebührenbefreiungen sondern auch das Verhindern von weiteren Erlösbeschränkungen im Werbebereich.
Für gravierende Gesetzesänderungen sieht Wrabetz derzeit auch keine Veranlassung. Im Rahmen des EU-Verfahrens seien die Bedenken der Kommission gegen das Finanzierungssystem des ORF ausgeräumt worden. Auch "die Form des Auftrages, den wir für ORF 1 und ORF 2 haben, wurde als hinreichend bestimmt anerkannt". In seinem Sparvorhaben sowie den Umstrukturierungen sieht sich der ORF-Chef auf Kurs. Trotz Konjunkturkrise, die auch am ORF und vor allem den Werbeeinnahmen des Senders nicht unbemerkt vorübergeht, will Wrabetz "mit entsprechenden Maßnahmen versuchen, so nah wie möglich an das für 2009 geplante Minus von 29 Mio. Euro zu kommen". Ohne Maßnahmen käme der Konzern auf ein Jahres-EGT von minus 53 Mio. Euro.
Abbau von 440 Mitarbeitern bis 2011
Mit dem Handshake-Programm, das Ende August abgeschlossen wird, habe der ORF "volumenmäßig erreicht, was wir wollten. Viele Führungskräfte gehen, wodurch Neustrukturierungen möglich werden." Allein in der Generaldirektion werden vier Hauptabteilungsleiterpositionen eingespart und die Strukturen gestrafft. Die Geschäftsführung rechnete ursprünglich mit rund 190 Mitarbeitern, die sich per Handshake aus dem Unternehmen verabschieden - "nach jetzigem Stand werden wir bei über 150 liegen". Das Ziel, bis 2011 etwa 440 Mitarbeiter abzubauen "werden wir erreichen". Bis zum Juni 2009 wurde der Mitarbeiterstand gegenüber Dezember 2007 laut Wrabetz bereits um 174 Vollzeitäquivalente gesenkt.
In Zahlen will Wrabetz nach eigenen Angaben von 2007 bis Ende 2009 kumuliert bereits 85 Mio. Euro eingespart haben, berücksichtige man "aufwandserhöhende nachhaltige Investitionen in den Wiedereinstieg in die Fußball-Bundesliga, die Einführung von DVB-H und HD-TV erhöht sich die Summe auf einen Netto-Einsparungs-Effekt von 120 Mio. Euro". Diese Einsparungen hätten sich vor allem durch maßvolle Lohnrunden, die Nicht-Nachbesetzung von Abgängen im Rahmen des sogenannten 250er-Programms und durch Reduktionen bei Sachkosten und in der Verwaltung ergeben. 2010 sollen weitere 80 Mio. Euro eingespart werden.
Wrabetz' Bilanz nach mehr als 2,5 Jahren im Amt: "Die Unabhängigkeit der Berichterstattung und die kritische gestalterische Offenheit in allen Programmen des ORF wird allgemein anerkannt. Wir haben einiges bewegt und in den sehr schwierigen zweieinhalb Jahren die Voraussetzungen für die Zukunft des ORF geschaffen. Die großen Herausforderungen, die unternehmensstrategisch angegangen wurden, will ich auch abschließen." Wrabetz' Ziel ist es, den ORF "in zweieinhalb Jahren EU-mäßig und in seinem Leistungsumfang für die nächsten 10 Jahre außer Streit zu stellen.
Standort-Entscheidung bis Jahresende
Der Strukturwandel soll bewältigt und ein neues ausgeglichenes Einnahmen- und Kostenniveau gefunden werden. Weiters soll das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Unternehmens und die Unverzichtbarkeit des ORF in der Bevölkerung auch in der Zukunft stark verankert bleiben." Schließlich soll bis Ende des Jahres die Entscheidung darüber getroffen sein, "wo und wie wir künftig produzieren". In Sachen Standortfrage evaluiert das ORF-Management derzeit eine eventuelle Nachnutzung des ORF-Zentrums am Küniglberg.