Der Regierungsbeschluss zum neuen ORF-Gesetz sorgt weiter für Diskussionen. Vor allem die verstärkten Kontrollrechte der neuen Medienbehörde, die den ORF bei operativen finanziellen Managementaufgaben wie Restrukturierung- und Sparzielen prüfen soll, stießen auf Kritik und könnten bei einem endgültigen Beschluss im Parlament auch noch die Höchstgerichte beschäftigen, war in Medienkreisen zu hören.
Caritas-Präsident Franz Küberl, der als Kirchenvertreter sowohl im ORF-Publikumsrat als auch im ORF-Stiftungsrat vertreten ist, sprach von einer "Teil-Entmachtung des Stiftungsrats und der Geschäftsführung" und "ungewöhnlich vielen Kompetenzen" der neuen Medienbehörde. Die Regierung wolle "ungewöhnlich viel staatliche Kontrolle" einführen.
"Fragen des richtigen Mitteleinsatzes und der Restrukturierung werden normalerweise im Spannungsfeld Geschäftsführung-Aufsichtsrat geklärt. Dieses übliche Modell ist beachtlich ausgehebelt worden. Leider ist eine Tendenz zu einem Juristen- und Wirtschaftsprüfer-ORF erkennbar. Ich möchte keinen ORF, wo die Frage der Büroklammern-Menge von Wirtschaftsprüfern und vom Gesetzgeber vorgegeben wird", so der unabhängige Stiftungsrat zu den geplanten europaweit einzigartigen Kontrollkompetenzen der neuen Medienbehörde.
Die Reform des ORF-Gesetzes zeugt laut Küberl nicht gerade von Reformeifer der Regierung. "Die Frage, welchen ORF man in Zukunft will, wurde nicht wirklich beantwortet." Dass es darüber hinaus bei den ORF-Gremien zu keinen Änderungen kommen soll, stößt bei Küberl ebenfalls auf ein gewisses Unverständnis. "Wenigstens dem Publikumsrat hätte man die eine oder andere inhaltliche Kompetenz zumuten können."
Krammer: "Gut investiertes Geld"
Für den Leiter des SPÖ-Freundeskreises im Stiftungsrat, Karl Krammer, ist das ORF-Gesetz "sicher ein Fortschritt". Es sei wichtig, dass Klarheit punkto EU-Konformität herrsche, der öffentlich-rechtliche Auftrag unter anderem bei Online geklärt sei, eine Frauenquote geschaffen werde und die zwei Spartenkanäle erhalten blieben. Krammer begrüßte auch, dass der ORF nun 160 Mio. Euro aus der Gebührenrefundierung bekommen soll. "Das ist gut investiertes Geld in die Unabhängigkeit des ORF und in den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag."
Dass mit der Gebührenrefundierung eine enge finanzielle Kontrolle durch die neu zu schaffende Medienbehörde verbunden werden soll, kommentierte der SPÖ-Stiftungsrat differenziert: Es sei verständlich, dass die Regierung bei der Vergabe von öffentlichen Geldern Kontrolle einfordere. Er verwies allerdings darauf, dass der Stiftungsrat als oberstes Kontrollgremium bereits jetzt jährlich über rund 530 Mio. Euro Gebührengelder wache. "Es gibt bisher auch schon ganz klare Kontrollmechanismen", außerdem seien die Stiftungsräte die einzigen, die auch mit ihrem Privatvermögen für die wirtschaftlichen Geschicke des ORF haften würden.
Krammer verwies dazu auch auf eine Resolution vom April des Vorjahres. Der Stiftungsrat hatte Generaldirektor Alexander Wrabetz damals fast einstimmig strenge Finanzauflagen erteilt, gegen die Stimmen der fünf Betriebsräte hatten die Kapitalvertreter die Einleitung "sofortiger Einsparungsmaßnahmen mit dem Ziel eines bereits im Jahr 2010 ausgeglichenen Konzern-EGTs" eingefordert." Die Vorgabe einer "schwarzen Null für 2010" werde nun auch umgesetzt. Krammer warf außerdem die Frage auf, warum etwa die Weiterführung des Radiosymphonieorchesters (RSO) nur als Auftrag im Gesetz festgeschrieben und nicht - wie einst der Auslands-Kurzwellensender Radio Österreich International - vertraglich fixiert wird.
Filmwirtschaft reagierte positiv
Uneingeschränkt positiv fiel indes die Beurteilung der Filmwirtschaft aus. Danny Krausz, Obmann des Fachverbandes der Film- und Musikindustrie, begrüßte die Einigung. Mit den zusätzlichen Finanzmitteln für den ORF werde der österreichischen Programmvielfalt nachdrücklich Rechnung getragen werden können. "Gemeinsam sollte es uns nun gelingen, die erteilten Aufträge im Gesetz zu erfüllen und dem öffentlich rechtlichen Rundfunk in Österreich wieder eine Perspektive zu geben. Eine langfristige Absicherung wird nur daraus resultieren können", so Krausz.
Der Regierungsbeschluss zum ORF-Gesetz wird am Donnerstag auch eines der bestimmenden Themen einer Sitzung des ORF-Stiftungsrats sein. Caritas-Präsident Küberl will dabei auch den Rauswurf des langjährigen ORF-Personalchefs Wolfgang Buchner thematisieren. Buchner hatte zuletzt das ORF-Gremienbüro geleitet und wurde kürzlich von ORF-Chef Alexander Wrabetz wegen einer Beschwerde beim Bundeskommunkationssenat gegen die jüngste Publikumsratswahl dienstfrei gestellt.
Küberl ortet in diesem Zusammenhang eine "strukturelle Unvereinbarkeit", weil der Sekretär und Berater der Gremien dienstrechtlich dem Generaldirektor verantwortlich ist. "Es bedarf hier eine strukturellen Änderung. Wir sollten das Gremienbüro so gestalten, dass die beiden Vorsitzenden der ORF-Räte die Vorgesetzten des Gremienbüros sind."
Rettet den ORF" sieht Angriff auf ORF-Autonomie
Heftige Kritik an den Regierungsplänen zum ORF übt die Plattform "Rettet den ORF". Plattform-Sprecher Wolfgang Langenbucher sieht einen "unverschämten Durchgriff der großkoalitionären Parteien auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk", wie der emeritierte Kommunikationswissenschafter der APA sagte. Die Medienbehörde bekomme in der geplanten Konstruktion "Kontollrechte, die weit über das Normale hinausgehen".
Auch wenn diese Behörde weisungsfrei und unabhängig werden soll, lässt dies Langenbucher "trotzdem daran zweifeln, ob man sich nicht ein kleines handliches Organ geschaffen hat, mit dem man sich Zugriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sichert". Die Verknüpfung der Gebührenrefundierung mit bestimmten Programmauflagen sei "ein massiver politischer Eingriff und ein Angriff auf die Autonomie des ORF". Positiv sei hingegen, "dass dem ORF die Gebührenbefreiungen im Prinzip erstattet werden, damit er in gewisser Wiese zu den Gebühren kommt, die ihm eigentlich zustehen. Die Bedingungen, unter denen das geschieht, sind aber inakzeptabel".
Dass die vorgesehene Konstruktion der Medienbehörde aus den Auflagen der EU-Kommission resultierte, lässt Langenbucher nicht gelten: Die EU-Behörde habe Österreich lediglich aufgetragen, dass die Effizienz der Gebührengelder kontrolliert werden. Es steht ausdrücklich drinnen, dass es der Republik überlassen bleibe, "in welcher Form das geschieht".
Enttäuschend für die Plattform sei es, dass "die ganze Debatte, die fast ein Jahr lang ging, praktisch ohne Folgen ist". So seien zentrale Forderungen wie eine Verkleinerung der Gremien oder eine Reform des Programmauftrages nicht berücksichtigt worden. "Bei uns macht sich jetzt eine gewisse Resignation breit", sagte Langenbucher. "Es hat von keiner Seite der Medien einen Aufschrei gegeben und auch die Opposition scheint nicht wirklich begreifen zu wollen, dass es um Grundsatzfragen geht."