Der ORF-Publikumsrat hat in seiner Plenarsitzung das Programm von ORF 1 unter die Lupe genommen. Während die Publikumsräte das Programm "zu privat ausgerichtet" sehen und befürchten, dass das Engagement von Dominic Heinzl dies nicht gerade verbessern werde, skizzierte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz ORF 1 als Informations-, Sport-, Kinder- und speziellen österreichischen Show- und Satire-Sender. Als eines von zwei öffentlich-rechtlichen Vollprogrammen sei ORF 1 komplementär zu ORF 2 positioniert. Kritik musste sich Wrabetz aufgrund der Marktanteilsentwicklung anhören.
Die Marktanteile von ORF 1 in den Kabel- und Satellitenhaushalten seien von 20,6 Prozent im Jahr 1998 auf 15,6 Prozent im Vorjahr geschrumpft, rechneten die Räte vor. Wrabetz hielt dem entgegen, dass es vor zehn Jahren noch 642.000 terrestrische Haushalte nur mit ORF-Empfang gab, während sich diese Zahl heute auf 20.000 reduziert habe. Die Stabilisierung und Stärkung der Marktanteile sei aber dennoch Ziel für ORF 1.
Inhaltlich wolle der ORF mit seinen Sendern die komplette TV-Bevölkerung abdecken, um die Gebührenzahler möglichst breit mit Content zu erreichen, so Wrabetz. ORF 1 sei dabei besonders auf die junge Zielgruppe der 12- bis 49-Jährigen ausgerichtet und stehe daher in besonderer Konkurrenz zu den Privaten, die ausschließlich diese Zielgruppe erreichen wollen, räumte Wrabetz ein.
Andererseits unterscheide sich der Sender von den Privaten durch ein eigenständiges Profil, etwa mit den täglichen "ZiBs", eigenen Magazinen, Spezialprogrammen aus aktuellem Anlass (wie etwa im Vorfeld der Nationalratswahl) sowie der Übertragung von Ereignissen, die besonders für Jüngere interessant sind, wie etwa der Lifeball.
"Heinzel muss sich an Richtlinien halten"
Für Dominic Heinzl gelten im ORF die selben inhaltlichen Vorgaben, wie für alle, nämlich, dass er sich an das ORF-Gesetz und die Programmrichtlinien halten müsse. Auf den Einwand des Publikumsrats, das Engagement des bisherigen ATV-Society-Mannes käme den öffentlich-rechtlichen Sender teuer zu stehen, meinte Wrabetz, dass die Minutenkosten "deutlich unter jenen liegen, die ähnliche eigenproduzierte Formate" haben.
Wrabetz bekannte sich auch zu zugekauften Serien und Spielfilmen auf ORF 1: "Dass die besten Serien und Filme ohne Unterbrecherwerbung in Erstausstrahlung auf ORF 1 zu sehen sind, ist für viele eine Gebührenlegitimation", so der Generaldirektor. Überdies sei ORF 1 für Kinder und Sport, der Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags ist, zuständig.
Auf die Kritik aus dem Publikumsrat, dass der ORF zwar die Champions League, nicht aber die Europa-League ausstrahlt, bei der immerhin vier heimische Mannschaften vertreten sind, brachte Informationsdirektor Elmar Oberhauser zur Verteidigung vor, dass diese Entscheidung bereits im April dieses Jahres getroffen werden musste. Um ahnen zu können, dass sich österreichische Mannschaften für die Europa-League qualifizieren werden, hätte man "Hellseher sein" müssen. Bei der Championsleague habe man hingegen so gut verhandelt, dass man heute deutlich weniger zahle als früher, daher sei die Entscheidung für die Königsklasse des Fußballs klar gewesen. "Jetzt tut es mir auch leid, auch wenn ich glaube, dass die Entscheidung richtig war", räumte Oberhauser ein.
Für die Zukunft von ORF 1 möchte Wrabetz eine "noch klarere, stringentere Positionierung" erreichen. Der Sender müsse "dynamisch, urban und flexibel" und auf die Zielgruppe 12 bis 49 ausgerichtet sein. Der Servicecharakter müsse ebenso gestärkt werden wie der österreichische Charakter und die Marke des Senders.
Bei der Plenarsitzung des Publikumsrats wurde am Montag außerdem eine qualitative Studie zum Thema "Bildung, Beruf, Arbeitswelt und Karriere" vorgestellt. Demnach halten die Zuseher den ORF für einen interessanten Informationsanbieter in diesem Themenbereich. Allerdings werden mehr eigene Formate gewünscht, die einen Einblick in verschiedene Berufe geben. Diese Sendungen über verschiedene Berufe sollten über einen längeren Zeitraum zum Download zur Verfügung stehen.
Andreas Kratschmar, Vorsitzender des Programmausschusses, meint: "Junge Zielgruppen mit Serien und Society-Themen abspeisen zu wollen, ist zu wenig. Bildungsperspektiven und Berufschancen sind gerade jetzt ein Top-Thema. Mit innovativen Angeboten kann der ORF etwas für öffentlich-rechtlichen Mehrwert und für mehr Akzeptanz bei jungen Leuten tun." In einer Empfehlung legten die Publikumsräte der Geschäftsführung nahe, der Wissenschaftsberichterstattung im ORF verstärkt Augenmerk zu schenken und damit die Rolle des ORF als Wissensdienstleister zu stärken.