Türkische Medien unter Beschuss

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Von kleinen pro-kurdischen Tageszeitungen bis zum größten Medienkonzern des Landes - in der Türkei stehen Zeitungen und Fernsehsender verschiedenster Provenienz derzeit unter heftigem Beschuss der Regierung, der Militärs und der Gerichte. Staatstreue Medien wie die Zeitung "Hürriyet" sind ebenso betroffen wie die armee-kritische Tageszeitung "Taraf". Beobachter sehen in den Entwicklungen einen "Besorgnis erregenden Trend" für das EU-Bewerberland.

Spektakulärstes Beispiel für den staatlichen Druck auf die Medien ist ein milliardenschweres Bußgeld des Finanzamts gegen den Medienkonzern des Unternehmers Aydin Dogan. Das Unternehmen soll umgerechnet rund 1,4 Mrd. Euro an Strafe zahlen, weil es bei Transaktionen in den Jahren 2005 und 2007 hohe Summern an Steuern hinterzogen haben soll.

Dogan ist nicht irgendjemand in der Türkei. Mit "Hürriyet", anderen Zeitungen sowie Fernsehsendern wie CNN-Türk ist Dogan einer der reichsten Männer der Türkei und der mit Abstand wichtigste Medienunternehmer des Landes. Mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan liegt die Dogan-Gruppe seit etwa einem Jahr im Clinch.

Damals brachten Dogan-Medien die Regierung Erdogan mit einem Spendenskandal um eine türkische Organisation in Deutschland in Zusammenhang. Erdogan erklärte, Dogan wolle damit die Regierung unter Druck setzen, um die Genehmigung für ein millionenschweres Immobiliengeschäft in Istanbul zu erhalten.

Im Verlauf der vergangenen Monate eskalierte der Streit zwischenzeitlich so weit, dass Erdogan seine Anhänger öffentlich aufrief, Dogan-Medien zu boykottieren. Deshalb vermuten Kritiker nun, das Milliarden-Bußgeld habe weniger mit Steuervergehen Dogans als mit dem Zorn des Ministerpräsidenten zu tun. Die Regierung wolle ihre Gegner fertigmachen, erklärte der türkische Journalistenverband CGD. In Brüssel ließ die EU verlauten, angesichts eines Bußgeldes, das die wirtschaftliche Existenz eines ganzen Konzerns gefährde, stehe die Pressefreiheit auf dem Spiel.

Das ist möglicherweise nicht nur bei Dogan der Fall. Am vergangenen Freitag gab der Generalstab der türkischen Armee in Ankara bekannt, er habe bei einer Istanbuler Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen einen Reporter der Tageszeitung "Taraf" erhoben.

"Taraf" ist eine Rarität in der türkischen Medienlandschaft: In einem Land, in dem die Militärs von vielen Medien immer noch verherrlicht werden, hat sich das Blatt mit einer armee-kritischen Berichterstattung einen Namen gemacht. Fast zeitgleich mit der Anzeige der Militärs erhielt "Taraf"-Chefredakteur Ahmet Altan vergangene Woche zusammen mit dem italienischen Mafia-Experten Roberto Saviano und dem kroatischen Enthüllungsjournalisten Dusan Miljus den Leipziger Medienpreis.

Wegen "Beleidigung der Streitkräfte" vor Gericht

Bei der Anzeige gegen "Taraf"-Reporter Mehmet Baransu geht es um einen Bericht der Zeitung vom Juni. Damals warf das Blatt den Militärs vor, im Generalstab einen Geheimplan zur Destabilisierung der, wegen ihrer islamistischen Wurzeln von den Generälen mit Argwohn betrachteten, Regierung Erdogan angefertigt zu haben.

Die Militärs haben die Existenz des Plans dementiert - und jetzt soll Baransu wegen "Beleidigung der Streitkräfte" vor Gericht. Die Anzeige beruft sich auf den berüchtigten Strafrechtsparagrafen 301, der schon Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk einen Prozess einbrachte. Nach dem auf Druck der EU nachgebesserten Gesetz muss das Justizministerium in Ankara entscheiden, ob Baransu angeklagt werden darf.

Wesentlich schneller ging es vor wenigen Wochen, als Istanbuler Gerichte kurzen Prozess mit zwei kleinen pro-kurdischen Zeitungen machten. Sie verboten "Günlük" und "Özgür Ortam" für einen Monat, weil sie angeblich Propaganda der PKK-Kurdenrebellen verbreitet hatten. Auch diese Entscheidung wurde international kritisiert.

Insgesamt ergebe sich "von kleinen Unternehmen bis ganz rauf an die Spitze" der Medienlandschaft ein bedenklicher Trend, sagt Anthony Mills vom Wiener Pressefreiheits-Institut IPI. Noch sei nicht absehbar, wohin die Entwicklung führen werde. Klar sei aber, dass die EU die Aufgabe habe, die türkische Regierung an die europäischen Normen im Umgang mit der Presse zu erinnern.

Offenbar will die EU genau dies tun: Ein Kommissionssprecher in Brüssel kündigte an, die jüngsten Entwicklungen würden Auswirkungen auf die Zensuren für die Beitrittskandidatin Türkei im neuen Fortschrittsbericht haben, der im Oktober vorgestellt wird.

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