Wiener Stadthalle
Ein Vorgeschmack auf den Abgesang
18.09.2018Bei der Präsentation des Stadthallenprogramms fiel erstmals das Wort "Nachnutzung".
60 Saisonen – und noch lange nicht Schluss? Auch wenn das Programm 2018/2019 wieder voller Highlights steckt und jährlich rund eine Million Besucher zu den Veranstaltungen in die Wiener Stadthalle pilgern, wird bereits über die neue "Multifunktionsarena", die am Stadtrand Wiens gebaut werden soll, laut nachgedacht. Die absoluten Top-Events würden über kurz oder lang aus der Stadthalle verschwinden. Der viel beschworene Mythos schwebt in Gefahr.
Prestigeprojekt
Der Plan für eine "Stadthalle neu" scheint ein Herzenswunsch des neuen Bürgermeisters Michael Ludwig zu sein, der so die Position Wiens als Veranstaltungslocation im europaweiten Wettbewerb absichern will. Während Ludwig seinen Traum von einer "High-Level-Multifunktionsarena" noch vor kurzem als sinnvolle Ergänzung zur Stadthalle bezeichnete, klang die Marschroute aus dem Mund der Wien Holding Geschäftsführung anders.
(Titelfoto ganz oben: Peter Hanke, Kurt Gollowitzer, Wolfgang Fischer bei der Programmpräsentation 2018/2019 der Wiener Stadthalle)
Rückblick
Bei der Programmpräsentation gab es neben der Bekanntgabe von zahlreichen Veranstaltungsterminen in den Hallen D, E und F auch einen Rückblick auf die Bedeutung der Wiener Stadthalle. Der Bau von Architekt Roland Rainer nimmt als kulturgeschichtlicher Ort einen hohen Stellenwert ein. Die denkmalgeschützte Stadthalle hat zwar schon über 60 Jahre auf dem Buckel, aber die Gebäudesubstanz ist in seinen Grundfesten nach wie vor gut in Schuss. Auch in punkto Veranstaltungstechnik ist man am neuesten Stand. Die Austragung des Song Contests 2015 wird zu Recht immer wieder gern zitiert, um darauf hinzuweisen, dass wirklich alles möglich sei in der Stadthalle.
Nachnutzung
Trotz guter Auslastung und schwarzer Zahlen ließ der neue Wien Holding-Geschäftsführer Kurt Gollowitzer bei der Programmpräsentation durchklingen, dass große Konzertereignisse und Sportevents "auf der grünen Wiese" effizienter durchführbar wären. Und bezog sich dabei auf die Pläne der Wiener Stadtregierung, eine neue Veranstaltungshalle für 20.000 Besucher bauen zu wollen. Top-Stars wie Helene Fischer und Andreas Gabalier müssten ihre Tourtrucks nicht mehr bis nach Wien Fünfhaus kutschieren lassen, sondern könnten über eine Autobahnabfahrt bequem einschwenken.
Stadthalle-Geschäftsführer Wolfgang Fischer wurde noch deutlicher und nahm das Wort "Nachnutzung" in den Mund, als er laut über die Zukunft der Wiener Stadthalle nachdachte. Er versicherte zwar eilig, dass das Gebäude sowieso denkmalgeschützt sei und erhalten bliebe, aber es wurde schlagartig klar, dass zwei große Hallen auch in der Zukunft nicht benötigt werden, um die Wiener und deren Gäste mit Indoor-Unterhaltungsangeboten ausreichend bei Laune zu halten.
It ain‘t over yet
Ob es tatsächlich schon bald den Spatenstich für die neue Halle geben wird, steht in den Sternen. Allerdings wird bereits offiziell nach passenden Standorten gesucht. Sofern nicht schon längst ein bestimmter ins Auge gefasst wurde. Dass die Stadt Wien in dieser Hinsicht ein gutes Händchen beweisen sollte, ist bestimmt allen Beteiligten bewusst. Bis die neue "Wiener Donauhalle" aufsperrt, würden aber ohnehin noch viele Jahre vergehen. Eine allfällig notwendige Revitalisierung des hernach unattraktiveren Stadthallenviertels müsste in den Kostenplan miteinkalkuliert werden, um die Wirtschaftlichkeit dieses Projekts rechtfertigen zu können.
Ist es das wert?
Falls es überhaupt so weit kommt. Die Halle D in der Stadthalle fasst 16.000 Personen, die Multifunktionsarena soll 20.000 Besucherinnen und Besucher beherbergen können. Statistisch betrachtet stammen 2/3 aller Besucher von Konzerten und Events in der Stadthalle aus Wien. Helene Fischer, die Masters of Dirt und viele andere Showacts könnten in einer nagelneuen Halle auf der grünen Wiese zwar noch höher und noch weiter fliegen, aber der neue Standort wäre nicht so zentral gelegen wie die Wiener Stadthalle im 15. Bezirk. Natürlich sprechen ebenso viele gute Argumente für den Neubau einer Multifunktionsarena. Aber davon auszugehen, dass diese vom Publikum als ebenbürtiger Ersatz für die Stadthalle akzeptiert wird, wäre riskant.
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