Zeiler glaubt nicht an Erholung der Werbemärkte
07.10.2009
Düstere Prognosen für den TV-Werbemarkt kommen von RTL-Chef Gerhard Zeiler.
"Ich glaube schlicht und einfach nicht an eine rasche Erholung des Werbegeschäftes. Und ich glaube auch nicht, dass die Werbeeinnahmen in absehbarer Zeit auf das Niveau der Jahre 2006 oder 2007 zurückkehren werden", sagte der frühere ORF-Chef bei den Österreichischen Medientagen.
Auch die TV-Industrie unterstehe dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Derzeit gebe es eine Verbindung von geringer Nachfrage nach Werbemöglichkeiten und ein steigendes Angebot an TV-Sendern. Die Folge: "enormer Druck auf die Preise, enormer Druck auf Rabatte."
Was die Fernsehbranche in diesem Jahr erlebe, "sind keine Schwankungen, sondern eine nie dagewesene Abwärtsbewegung", erklärte Zeiler. "Wir erleben Veränderungen in einem Ausmaß wie ich sie in meiner 23-jährigen Fernsehtätigkeit noch nie erlebt habe." Der "dramatischste Effekt" dieses Umbruchs sei der Rückgang der Werbeeinnahmen im Fernsehen.
In ganz Europa das gleiche Bild: das Geschäft mit der Fernsehwerbung ist "um einen zweistelligen Prozentsatz zurückgegangen". Besonders schlimm habe es Zentral- und Osteuropa getroffen - vor einem Jahr noch die Wachstumsregion, liege man man nun bei minus 20 bis minus 30 Prozent. "Der Wert einiger Medienunternehmen in dieser Region ist auf bis zu einem Fünftel dessen geschrumpft, was noch vor zwei Jahren in den Bilanzen stand", berichtete Zeiler.
Verstärkt würden die Probleme der TV-Branche durch die nach wie vor fortschreitende Fragmentisierung der europäischen Märkte. Wegen der zunehmenden Digitalisierung wächst die Zahl der Fernsehangebote von Jahr zu Jahr. Dazu komme als weiterer "relevanter Umbruchfaktor" die Zunahme der non-linearen Fernsehnutzung. Die Zuschauer wollen immer öfter "selbst entscheiden, wann sie sich ihre Lieblingsprogramme ansehen".
Zeiler ist dennoch "Optimist" und "100 % der Überzeugung, dass die Fernsehindustrie diese Krise nicht nur bewältigen wird, sondern, dass sie auch in Zukunft eine relevante und dominante Position innerhalb der Medienindustrie einnehmen wird, wenn wir unsere Hausaufgaben machen".
Die TV-Sender müssten etwa ihr Angebot gegenüber der Werbewirtschaft verbessern. So könnte man etwa Sponsoren eines Fernsehprogramms anbieten, dass deren Logo während der Sendung im rechten oberen Eck - gleich gegenüber der Senderlogos - platziert wird.
"Pay-Strategie" nötig
Darüber hinaus brauche jedes Fernsehunternehmen eine "Pay-Strategie". Gewisse Inhalte, die derzeit im Free-TV laufen, werden laut Zeiler ins Bezahl-Fernsehen abwandern. Gegen den wachsenden Trend des non-linearen Fernsehverhaltens müsste wiederum jede große Fernsehgruppe ein eigenes Video-on-Demand-Portal im Internet etablieren. "Nur wenn es uns gelingt, aus dem zunehmenden Fernsehkonsum der Menschen ein Geschäftsmodell zu machen, das den abnehmenden linearen Fernsehkonsum kompensiert, werden wir auch in Zukunft eine wachsende Industrie sein."
Ein weiterer wesentlicher Strategiepunkt sei laut Zeiler die Kostenstruktur. "Alle großen Fernsehsender werden ihre Kosten signifikant reduzieren müssen." Mit signifikant meint Zeiler "nicht 3 oder 5 %", sondern "zehn, 15 oder sogar 20 %". Die RTL-Sender hätten in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und in England ihre Kosten im ersten Halbjahr 2009 um zwischen 10 und 15 % gesenkt - "und alle haben ausnahmslos ihre Zuschauermarktanteile gesteigert".
Weniger Geld bedeute nicht automatisch weniger Zuseher. "Der Erfolg hängt von Ideen ab, hängt von unserer Kreativität ab, von kluger Programmplanung und von dem Gespür für neue Trends, neue Chancen und neue Stars."
Ratschläge in Richtung ORF wollte Zeiler nicht erteilen. "Nicht, dass ich keine Ratschläge hätte - aber diese zu hören, bleibt meinem privaten Umfeld vorbehalten." Sein Auftritt in Wien sei "auch nicht als Bewerbung für die Position des ORF-Generalintendanten zu sehen", so Zeiler gleich eingangs. Der oberste RTL-Chef war von 1994 bis 1998 ORF-Chef und wurde in den vergangenen Monaten angesichts der schwierigen Situation des ORF immer wieder als potenzieller Kandidat für die Spitze des öffentlich-rechtlichen Senders gehandelt.