"Anschlag"
Das sagt oe24 zur Russen-Zensur
25.06.2024"Vergeltungsmaßnahme" für Verbot von vier russischen Staatsmedien seitens der Europäischen Union - Geschäftsträger der russischen Botschaft wird ins Außenministerium einbestellt
Russland hat als Reaktion auf das Ausstrahlungsverbot mehrerer russischer Medien in der Europäischen Union seinerseits 81 europäische Medienunternehmen auf eine Schwarze Liste gesetzt. Die Ausstrahlung der Programme und der Zugang zu den Internetseiten der Medien werde blockiert, teilte das russische Außenministerium am Dienstag auf seiner Homepage mit. Aus Österreich betrifft es oe24 und den ORF.
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"Anschlag auf die Medienfreiheit"
"Die Vergeltungsmaßnahme von Russland gegen europäische, unabhängige Medien zeigt einmal mehr das wahre Gesicht und ,Medienverständnis' des Kreml", erklärte Niki Fellner, Geschäftsführer der Mediengruppe Österreich. "Das ist ein Anschlag Russlands auf unsere europäische Medienfreiheit, der sich sowohl gegen private als auch öffentlich-rechtliche Medien richtet. Wir lassen uns mit oe24 jedenfalls nicht von dieser absurden Aktion einschüchtern und werden auch weiter kritisch und unabhängig über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und Menschenrechtsverletzungen in Russland berichten." Er sei sich sicher, das das auch die anderen Medien ebenso handhaben werden, so Fellner.
Seitens des ORF lag vorerst keine Stellungnahmen vor. Russland hatte der ORF-Korrespondentin Maria Knips-Witting Mitte Juni die Akkreditierung entzogen und sie zur Ausreise aufgefordert. Knips-Witting, die seit Jänner 2024 aus Moskau berichtet hatte, befindet sich mittlerweile wieder in Österreich.
81 Medien betroffen
Von den deutschen Medien sind "Der Spiegel", "Die Zeit" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" betroffen. Auch der deutsch-französische Sender Arte steht auf der Verbotsliste. Frankreich ist mit insgesamt neun gelisteten Unternehmen - darunter die Agentur AFP, der TV-Sender LC1, Radio France und die Zeitungen "Le Monde" sowie "Liberation" - der am stärksten von Moskau sanktionierte EU-Staat. Auch der Zugang zu den italienischen Sendern Rai und La7 sowie den Zeitungen La Repubblica und La Stampa wird blockiert. Gesperrt wurden auch die spanische Nachrichtenagentur EFE und der Sender RTVE sowie die Zeitungen "El Pais" und "El Mundo".
Deren Inhalte oder Sendungen seien auf russischem Territorium nicht länger verfügbar, hieß es. Das Moskauer Außenamt warf den Medien vor, "systematisch falsche Informationen" über den Ukraine-Konflikt zu verbreiten. Die EU-Staaten hatten im Mai Sanktionen gegen die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti, die Regierungszeitung "Rossiskaja Gaseta", die Plattform "Voice of Europe" sowie die kremlnahe Zeitung "Iswestija" beschlossen, zu der auch ein Fernsehsender gehört. Damit werden sie in der gesamten EU gesperrt. Nach Angaben der EU-Staaten dürfen die Medien und ihre Mitarbeiter aber weiterhin in der EU arbeiten. Die Sperrung ist am Dienstag in Kraft getreten.
Das Außenministerium in Moskau begründete die Sperrung der europäischen Medien einerseits als Reaktion auf die Maßnahme der EU, andererseits mit der angeblichen Verbreitung von Falschmeldungen über Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Sollte die EU die Beschränkungen gegen die russischen Medien aufheben, sei auch Moskau bereit, über eine Aufhebung der Blockade nachzudenken.
Außenministerium reagiert
In Russland sind viele Medien, die kritisch über die Politik von Kremlchef Wladimir Putin berichten sowie Tausende Webseiten im Internet blockiert. Sie sind - wie auch die gesperrten europäischen Medien - nur mit Hilfe eines VPN-Servers erreichbar, also über eine Netzwerkverbindung, die von außen nicht einsehbar ist und mit der Nutzer virtuell ihren Standort ändern können. Viele Journalisten sitzen in Russland wegen angeblicher Diskreditierung der russischen Armee in Haft. Der Prozess gegen den Journalisten Evan Gershkovich von der US-Tageszeitung "Wall Street Journal" wegen angeblicher Spionage beginnt am Mittwoch.
Das Außenministerium in Wien verurteilte die Ankündigung Russlands aufs Schärfste und kündigte an, es werde der Geschäftsträger der russischen Botschaft in Österreich ins Außenministerium zitiert werden. "Diese Entscheidung ist ein weiterer, wenn auch wenig überraschender Schritt Putins, die Medienvielfalt zu unterdrücken und so die eigene Bevölkerung im Dunkeln zu halten. Der ungehinderte Zugang zu unabhängigen Nachrichten, eine freie und demokratische Debatte sowie eine lebendige Zivilgesellschaft sind Grundpfeiler jeder pluralistischen Gesellschaft", betonte das Außenministerium in einer Stellungnahme.
Die USA sehen ein Zeichen für Moskaus Angst vor einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung. Die russische Regierung gehe hart gegen den Journalismus vor, "weil sie Angst davor hat, dass ihr eigenes Volk die Wahrheit über Russlands Vorgehen erfährt", sagte US-Außenamtssprecher Matthew Miller am Dienstag.
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, bezeichnete das Verbot als "unsinnige Vergeltungsmaßnahme". "Nein, von Russland finanzierte Propagandakanäle, die im Rahmen der russischen Militärdoktrin Desinformation verbreiten, sind nicht dasselbe wie unabhängige Medien", schrieb sie im Onlinedienst X. Italien, dessen staatlicher Sender Rai auf der Liste steht, nannte das russische Vorgehen "ungerechtfertigt".
Auch das italienische Außenministerium verurteilte die russische Entscheidung. "Wir bedauern die ungerechtfertigte Maßnahme gegen diese italienischen Sender und Zeitungen, die immer objektive und unvoreingenommene Informationen über den Konflikt in der Ukraine geliefert haben", hieß es in einer Erklärung.