Darf ein ORF-Generaldirektor bei einer SPÖ-Veranstaltung applaudieren? ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon bezweifelt das.
Ein Auftritt von ORF-Generalintendant Alexander Wrabetz bei einer Parteiveranstaltung der SPÖ Niederösterreich sorgt für Kritik. ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon zeigt sich "besorgt über die Unabhängigkeit des ORF", wie er in einer Aussendung erklärte. "Wie passt die Unabhängigkeit des Unternehmens ORF damit zusammen, dass der Generaldirektor bei einer deklarierten Parteiveranstaltung applaudiert und ein Referat hält?", so Missethon.
ORF weist Vorwürfe zurück
Im ORF spielt man die Teilnahme Wrabetz' herunter und weist die Vorwürfe zurück. Der Generaldirektor habe als "externer Gastreferent" lediglich einen Vortrag zum Bildungsauftrag des ORF gehalten, sagte ein ORF-Sprecher.
Wrabetz mit Applaus für SPÖ-Konzepte
Laut ÖVP Niederösterreich war Wrabetz bei der "Landesbildungskonferenz der SP-NÖ" am vergangenen Freitagabend in Oberwaltersdorf als Hauptredner aufgetreten. Inmitten "hochrangiger SPÖ-Funktionäre" - die ÖVP nennt Landeshauptmann-Stellvertreterin Heidemaria Onodi, mehrere Landesräte und Nationalratsabgeordnete - habe der ORF-Generaldirektor Applaus für die SPÖ-Konzepte zur Gesamtschule gespendet. Auch die Wahl einer SPÖ-Parteifunktion, des "Landesbildungsvorsitzenden", sei am Programm gestanden. Auf der Internet-Seite der niederösterreichischen SPÖ seien am Sonntag auch gemeinsame Fotos mit der SP-Parteivorsitzenden zu sehen gewesen. "Wrabetz macht Parteipolitik", so der Vorwurf der niederösterreichischen Volkspartei. In Niederösterreich finden im Frühjahr 2008 Landtagswahlen statt, der Wahlkampf dafür ist bereits voll angelaufen.
ORF: Wrabetz war "externer Gastreferent"
Im ORF sieht man in der Teilnahme von Wrabetz an der SPÖ-Veranstaltung indes keinen parteipolitischen Hintergrund. "ORF-Generaldirektor Wrabetz war eingeladen, am vergangenen Freitag im Rahmen der Landesbildungskonferenz 2007 unter dem Titel 'education now' als externer Gastreferent ein Referat zum Bildungsauftrag des ORF unter dem Titel 'Bildungskrise - und was kann das öffentlich-rechtliche Fernsehen dagegen tun?' zu halten und sich der anschließenden Diskussion mit bildungsinteressiertem Fachpublikum zu stellen", erklärte ein Sprecher des öffentlich-rechtlichen Senders. "Bei den politischen Programmpunkten der Konferenz war Wrabetz gar nicht anwesend."
Der ORF-Chef nehme "jede Woche zwei bis drei Mal" an Veranstaltungen unterschiedlichster Organisationen teil, um in Referaten und Diskussionen die Standpunkte des ORF darzulegen. "Daraus kann beim besten Willen keine parteipolitische Stellungnahme abgeleitet werden. Entsprechende Vorwürfe sind zurückzuweisen", sagte der ORF-Sprecher. Einen ähnlichen Auftritt hatte Wrabetz etwa erst Ende August bei der Grünen Bildungswerkstatt in Niederösterreich.
Vergleich Lindner
In der ÖVP fühlt man sich hingegen an jenen Sturm der Entrüstung erinnert, als die frühere bürgerliche ORF-Chefin Monika Lindner im Nationalratswahljahr 2006 an einer ÖVP-Parteiveranstaltung teilnahm. Lindner lauschte damals Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssels Rede zur Lage der Nation in vorderster Reihe inmitten der Parteispitze und applaudierte dem damaligen VP-Obmann. SPÖ, Grüne, BZÖ und FPÖ kritisierten Lindners Verhalten scharf. Die Redakteure der "Zeit im Bild" stellten in Richtung ORF-Spitze fest, "dass sie den Auftritt von Mitgliedern der ORF-Geschäftsführung bei parteipolitischen Veranstaltungen - egal welcher Fraktion - kategorisch ablehnen und für ihre Arbeit als hinderlich und kontraproduktiv erachten". Kurze Zeit später wurde die Plattform "SOS-ORF" gegründet.
ÖVP-Kreuzfeuer
Das Verhältnis zwischen der ÖVP und dem als SPÖ-nahe geltenden Wrabetz gilt seit der Abwahl Lindners als nachhaltig gestört. Zuletzt hatte die Volkspartei den ORF-General nahezu täglich mit Kritik eingedeckt. VP-nahe Stiftungsräte monierten die mangelnde Publikumsakzeptanz der ORF-Fernsehprogramm nach der jüngsten Programmreform sowie die rückläufigen Werbeerlöse des Senders. Rund um den Fall Arigona und die aktuelle Asyldebatte stand darüber hinaus auch die Berichterstattung sowie die Einladungspolitik der Fernseh-Information im ÖVP-Kreuzfeuer.