Der ORF muss gleich 30 Millionen Euro einsparen, um 2023 ausgeglichen zu bilanzieren.
Um heuer nicht in die roten Zahlen zu kommen, sind noch in etwa sieben Millionen Euro aufzutreiben. Von der APA kontaktierte ORF-Stiftungsräte sind von diesen Zahlen in Hinblick auf einen Unternehmensumsatz von rund einer Milliarde Euro noch nicht alarmiert. Dennoch erwarten sie sich von der Geschäftsführung in der Sitzung des obersten ORF-Gremiums am Donnerstag klare Ansagen und Pläne.
Thomas Zach, Leiter des ÖVP-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, sieht derzeit die "größte wirtschaftliche Herausforderung seit der Finanzkrise 2008-2009" gegeben. "Dass diese Einfluss auf den ORF hat, ist völlig klar", so Zach. "Programm und Digitalisierung müssen die Triebfedern unseres Handelns sein. Ich habe vollstes Vertrauen in die Geschäftsführung, uns dazu entsprechende Vorschläge und Überlegungen zu präsentieren", meinte der Vorsitzende des Finanzausschusses, der auch "Versäumnisse" aus der Vergangenheit beklagt. Die Digitalisierung des ORF sei nicht ausreichend vorbereitet worden.
Herausfordernde Situation
"Man kann derzeit nicht entspannt sein. Es handelt sich um eine herausfordernde Situation für das Unternehmen", meinte Sigrid Pilz, die für den Grünen-"Freundeskreis" spricht. Mit "großer Umsicht" müsse nun an allen Schrauben gedreht werden, um "möglichst kosteneffizient zu sein und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden". "Irgendwann wird man ins Tun kommen müssen", so Pilz.
"Der Worte sind genug gefallen", drängte auch Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises", auf Handlungen und Lösungen in Form einer "vernünftigen, sozialverträglichen, programmorientieren Reform". "Riesiges Sparpotenzial" sieht er etwa im Bereich der Leiharbeit gegeben. Viele der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter würden derzeit nicht nur zu Spitzenzeiten, sondern dauerhaft beschäftigt, was dem Unternehmen teurer käme, als sie einzustellen, so Lederer.
Produktivitätssteigernde Maßnahmen
Produktivitätssteigernde Maßnahmen wünscht er sich beim Einsatz der ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. In Zeiten des multimedialen ORF-Newsrooms sei zu prüfen, wie viele Teams man zur Berichterstattung über ein Event schickt, so Lederer. Dabei könne es aber nicht vorrangiges Ziel sein, die ORF-Reform durch Mitarbeiterabbau voranzutreiben. Dort, wo es aber anders nicht möglich sei, könne zu dieser Maßnahme gegriffen werden, meinte der Stiftungsrat mit Blick auf Hunderte anstehende Pensionierungen in den kommenden Jahren. 250 Arbeitsplätze seien vom obersten ORF-Gremium vor geraumer Zeit - damals noch mit Alexander Wrabetz als ORF-Chef - im Rahmen einer Mittelfristplanung für den Fall des Falles freigegeben worden.
Synergien aus dem neuen multimedialen Newsroom verspricht sich der von der FPÖ entsandte Stiftungsrat Niki Haas. "Zu einem Interview mit einem Minister kamen verschiedene Teams von Ö3, Ö1 oder auch der 'ZiB 2'. Wenn alle zusammenarbeiten, gibt es nun Einsparungspotenzial", so Haas, der "guter Dinge" ist, dass der ORF noch ausgeglichen bilanzieren wird.
Streaminglücke
"Es müssen nicht fünf Teams zu einer Pressekonferenz rennen, wenn es keinen Sinn macht. Aber wenn ein Thema unterschiedliche Beleuchtung braucht, muss das auch weiterhin zugelassen werden", meinte Pilz dazu. Binnenvielfalt müsse hochgehalten werden, die Logik des Fernsehens dürfe andere - wie Ö1 - nicht überrollen. "Der Bildungsauftrag von Ö1 ist in Zeiten der Wiederverzauberung der Welt ganz wichtig", so Pilz. Die ehemalige Wiener Patientenanwältin betonte, die speziell in Krisenzeiten wichtige Funktion des "unabhängigen, vielfältigen, wissensbasierten" ORF für die Gesellschaft. "Alle Menschen sollen Zugang zu seinem Programm haben. Eine Haushaltsabgabe könnte das leisten. Die ORF-Gebühr soll sozial gerecht und nicht nach Geräten organisiert werden. Wir wollen nicht vor der modernen Welt kapitulieren."
Eine Haushaltsabgabe würde dem ORF wohl finanziell gelegen kommen, wird doch die sogenannte "Streaminglücke" - die kostenlose Nutzung von ORF-Inhalten im Internet - größer. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat diese Möglichkeit der Nutzung als verfassungswidrig beurteilt. Bis Ende 2023 muss das ORF-Gesetz angepasst und damit die "Streaminglücke" geschlossen werden. Wie das erfolgt, sorgt für Rätselraten. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat sich bisher nicht festgelegt.