Medizin-Nobelpreis 2009 für Telomerase-Entdecker
05.10.2009
Drei US-Forscher erhalten den mit rund 900.000 Euro dotierten Medizin-Nobelpreis des Jahres 2009.
Es handelt sich um Elizabeth H. Blackburn (Universität von Kalifornien/San Francisco), Carol W. Greider (Johns Hopkins Universität/Baltimore und Jack W. Szostak (Howard Hughes Medical Institute/Harvard University, Boston). Ihre Entdeckung, so das Karolinska-Institut in seiner Begründung: "Wie Chromosomen durch Telomere (Endkappen von Chromosomen) und das Enzym Telomerase (baut Telomere auf) geschützt werden".
Elizabeth Blackburn wurde 1948 in Hobart in Tasmanien (Australien) geboren, Carol Greider (geboren 1961) ist gebürtige Amerikanerin, Jack Szostak (geboren 1952) stammt aus London. Die Forschungen der drei Wissenschafter haben direkte Auswirkungen auf die Erkenntnisse rund um Alternsprozesse und Krebs.
Blackburn, Greider und Szostak konnten auf jahrzehntelange Forschungen aufbauen: Bereits in den 1930er Jahren hatten Hermann Muller (Nobelpreis 1946) und Barbara McClintock (Nobelpreis 1983) bemerkt, dass die Strukturen an den Enden der Chromosomen der Zelle, die Telomere, davor schützten, dass sich benachbarte Chromosomen miteinander verbinden. Allerdings blieb es ein Rätsel, wie das funktionierte.
Elizabeth Blackburn entdeckte schließlich in frühen Arbeiten, dass sich in einem einzelligen Organismus (Tetrahymena) an den Enden der Chromosomen der Erbsubstanz eine Gensequenz - CCCCAA - wiederholte. Ihre Funktion war zunächst unklar. Die Wissenschafterin und Jack Szostak arbeiteten schließlich zusammen: Sie isolierte CCCCAA aus dem einzelligen Organismus, der Forscher koppelte sie an ein Minichromosom von Erbsubstanz und fügte dieses in Hefezellen ein.
Was sich herausstellte: CCCCAA schützte die eingefügte Erbsubstanz vor dem Abbau. Carol Greider - damals noch Studentin - und Elizabeth Blackburn bauten wiederum auf diesen Erkenntnissen auf: Am Christtag 1984 entdeckte Carol Greider, dass in Telomeren offenbar eine Enzym-Funktion steckt. Und dieses Enzym hatte auch die Gensequenz CCCCAA in sich. Das Enzym wurde Telomerase genannt. Es kann die "Kappen" von Chromosomen wieder aufbauen.
Funktion an menschlichen Zellen bewiesen
Szostak und seine Arbeitsgruppe konnten schließlich aufklären, dass die schützenden "Kappen" der Chromosomen im Rahmen von Alterungsprozessen immer kürzer und fragiler werden. Haben sie einen bestimmten Wert erreicht, können sie sich nicht mehr teilen. Elizabeth Blackburn und Carol Greider zeigten die Funktion der Telomerase: Wird dieses Enzym aktiviert, baut es die Telomere wieder auf. Es schützt daher vor der Alterung. Carol Greider zum Beispiel bewies dies auch an menschlichen Zellen.
Doch es blieb nicht bei der Forschung rund um Alterungsprozesse von Zellen. Das Karolinska-Institut: "Die meisten normalen Zellen teilen sich nicht häufig. Deshalb sind ihre Chromosomen kaum in der Gefahr einer Verkürzung, sie brauchen keine hohe Telomerase-Aktivität. Im Gegensatz dazu haben Krebszellen die Fähigkeit, sich unendlich oft zu teilen - und sie behalten trotzdem ihre Telomere (an den Enden der Chromosomen). (...) Eine Erklärung dafür wurde offenbar, als man entdeckte, dass bösartige Zellen oft eine verstärkte Telomerase-Aktivität aufweisen." Mittlerweile wird das bei zumindest einem Krebsmedikament - ein Telomerase-Hemmer - genützt.
Innsbrucker Forscherin: "Wichtige Arbeiten"
"Für die Alternsforschung waren die Entdeckung der Telomere und der Telomerase und ihre Funktionen wesentliche Erkenntnisse" erklärte unmittelbar nach der Bekanntgabe der Medizin-Nobelpreisträger, die Direktorin des Instituts für Biomedizinische Alternsforschung, Beatrix Grubeck-Loebenstein.
"Jede Zelle hat Telomere an den Chromosomen. Sie werden mit jeder Zellteilung immer kürzer. Schließlich kann sich die Zelle nicht mehr teilen. Sie stirbt. Man weiß aber auch, dass bestimmte Faktoren, zum Beispiel oxidativer Stress, diesen Prozess noch schneller ablaufen lassen", sagte die Expertin. Somit ist die Verkürzung der schützenden "Kappen" der in Chromosomen angeordneten Erbsubstanz DNA auch eines der hauptsächlichen Merkmale der Zellalterung.
Das System funktioniert allerdings im Laufe der Entwicklung eines Lebewesens in unterschiedlicher Intensität und Form. Grubeck-Loebenstein: "Die Telomerase wird im Embryonalstadium praktisch in allen Zellen exprimiert. Nach der Geburt ist das nur noch in geringem Ausmaß der Fall. Höhere Konzentrationen an Telomerase gibt es noch in Keimzellen." Auch in gewissen Immunzellen werde die Telomerase noch in niedriger Quantität produziert.
Ganz anders ist das, wenn Zellen oder Zellverbände in einer späteren Entwicklung in Richtung Bösartigkeit und Krebs "marschieren". Die Wissenschafterin: "In Tumorzellen wird die Telomerase wieder exprimiert. Sie können die Zellteilung für immer aufrechterhalten."
Die Verbindung zwischen Alternsprozessen und Krebs ist deshalb gerade in Sachen Telomere und Telomerase ziemlich klar. Beatrix Grubeck-Loebenstein: "Man sagt, dass die Seneszenz und Krebs die zwei Seiten einer Medaille sind."