Wegen Unterlassung
MEL-Anleger zeigt Staatsanwälte an
14.05.2010
Die Staatsanwaltschaft befindet sich in der Causa Meinl European Land (MEL, heute Atrium) nicht nur in der Schusslinie der Meinl Bank. Anlegervertreter Michael Poduschka hatte bereits im Herbst 2009 eine Amtshaftungsklage gegen den früheren Chefankläger Karl Schober eingebracht - und in 1. Instanz verloren. Nun wurden Schober und dessen Nachfolger Markus Fussenegger sogar persönlich angezeigt. MEL-Anleger Erich Halatschek wirft ihnen Unterlassung und Begünstigung vor. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Diesmal geht es um die Auflösung der Dienstleistungsverträge zwischen der ehemaligen MEL und der Meinl Bank bzw. deren Tochter Meinl European Real Estate Ltd. (MERE), die bei der Hauptversammlung am 16. Juli 2008 auf Jersey beschlossen wurde. Damit die bis zu 6 Jahre andauernden Kündigungsfristen nicht schlagend werden, erhielt die Meinl Bank für die Ablöse damals 280 Mio. Euro.
Scheinverträge zwischen MEL und Meinl Bank?
"Diese Dienstleistungsverträge sind jedoch großteils 'Scheinverträge'", meint der Unternehmer Halatschek in seiner selbst verfassten Strafanzeige, die er er am 16. April bei der Polizeiinspektion Perg abgegeben hat. Darin fährt er schwere Geschütze gegen Staatsanwalt Schober auf: Dieser "besaß das Wissen, dass es sich bei der "geplanten Vermögensverschiebung von ca. 280 Mio. Euro vermutlich um ein Untreuedelikt bzw. Betrugsdelikt handelt bzw. hätte dies wissen müssen".
Schober hätte nämlich nach Ansicht Halatscheks bekannt sein müssen, dass keiner der Verträge eine Kündigungsfrist von 6 Jahren beinhalte. Aus dem Kapitalmarktprospekt von 2007 ergebe sich ein Ablösebetrag von weniger als 10 Mio. Euro.
Anleger sieht Tatbestand der Unterlassung
Da Schober aber trotz wochenlanger Ankündigung der Vertragsauflösung in den Medien und trotz Aufforderung eines Anlegeranwalts nichts unternommen habe, "müsste vermutlich § 286 StGB (Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung) erfüllt sein", schlussfolgert Halatschek. Er wirft dem Staatsanwalt außerdem vor, dass er den Kapitalmarktprospekt nicht ins Deutsche übersetzen habe lassen, obwohl die Strafprozessordnung (StPO) das vorschreibe.
Dies deute "auf ein bewusstes Verheimlichen des Staatsanwaltes hin, um den
Beschuldigten eine ungehinderte Tatausführung zu gewährleisten. Auch nahezu
2 Jahre nach vermutlicher Tatvollendung hat Schober kein irrtümliches
Übersehen dieser Kündigungsbestimmungen eingewandt", heißt es in der
Strafanzeige.
Und weiter: "Falls die Meinl Bank
Dienstleistungsverträge, die Kündigungsfristen von 6 Jahren beinhalten und
daher einen Widerspruch zum MEL-Kapitalmarktprospekt 2007 bilden,
hervorzaubert, wären diese erste recht mit dem Makel einer vermutlichen
Untreuehandlung behaftet." Von der Meinl Bank hieß es dazu: Die Auflösung
der Verträge sei transparent und von der HV akkordiert, es sei alles "im
Rahmen des Rechts" geschehen.
Behörden-Tempo ärgert ebenso
Auch die Geschwindigkeit der Anklagebehörde ist Halatschek ein Dorn im Auge. Nachdem Schober knapp 1 Jahr lang "keinen einzigen polizeilichen Ermittlungsschritt" eingeleitet habe, "könnte auch § 299 StGB (Begünstigung) erfüllt sein", meint er. Wer jemanden, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, absichtlich der Strafverfolgung oder -vollstreckung entzieht, kann bis zu 2 Jahre hinter Gitter kommen, steht im Strafgesetzbuch.
Auch auf Fussenegger könnte der Begünstigungs-Paragraf laut dem Anleger
zutreffen. Seiner Meinung nach sind jene MEL-Zertifikateinhaber, die bei der
HV "trotz Kenntnis der wahren Kündigungsbestimmung" für die
Vertragsauflösung stimmten, "mutmaßliche Beihilfestraftäter".
Und
"die Weigerung des Staatsanwaltes Fussenegger, diese auszuforschen, erfüllt
vermutlich den § 299 StGB". In seinen Augen sollte die Anklagebehörde
dringend eine "Opferbefragung" durchführen, um herauszufinden, wieviel die
Anleger gewusst haben. Halatschek vermutet nämlich, dass manche Investoren
einen Wissensvorsprung hatten.
Halatscheks Anzeige ist mittlerweile auf dem Weg zum Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK). Dort wird aber zu laufenden Fällen keine Auskunft gegeben. Nur so viel: Prinzipiell versuche man, die zuständigen Staatsanwaltschaften möglichst frühzeitig einzuschalten. Im Falle von Korruptions- oder Amtsmissbrauchsverdacht wäre das die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Mit Halatscheks Anzeige wurde dem Vernehmen nach noch keine Anklagebehörde betraut.