22 Jahre nach seiner Gründung immer noch Lateinamerikas wichtigstes Wirtschaftsbündnis.
Am kommenden Wochenende treffen einander rund 60 Staats- und Regierungschefs zum EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel in Santiago de Chile. Dabei werden werden die lateinamerikanischen Staaten erstmals als "CELAC", also "Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten" auftreten. Die EU gilt als eines der Vorbilder für die erfolgreiche Zusammenarbeit auf einem Kontinent, auch in Lateinamerika ist Integration ein wichtiges Thema. Eine wichtige Komponenten dabei ist neben "CELAC" der "Mercorsur".
Der Mercosur ("Mercado Comun del Sur" - "Gemeinsamer Markt des Südens") ist 22 Jahre nach seiner Gründung weiterhin das bedeutendste Integrationsbündnis Lateinamerikas. 1991 wurde er mit dem Vertrag von Asuncion in der Hauptstadt Paraguays von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay aus der Taufe gehoben. Mittlerweile wurde Venezuela ebenfalls aufgenommen, die Mitgliedschaft Paraguays wegen der umstrittenen Amtsenthebung von Präsident Fernando Lugo im Juni 2012 hingegen suspendiert. Paraguay wurde auch nicht zum EU-CELAC-Gipfel nach Santiago eingeladen.
Assoziierte Mitglieder sind Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien und Peru und Venezuela. Zwischen der EU und Mercosur existiert bereits seit 1995 ein Assoziierungsabkommen, Verhandlungen über die Errichtung einer Freihandelszone scheiterten aber bisher.
Dabei gibt es zwischen der EU und dem Mercosur zahlreiche Parallelen. Wie auch die EU startete der "Gemeinsame Markt des Südens" als Friedensprojekt der historisch verfeindeten Nachbarn Argentinien und Brasilien, die so den Wettstreit um die Vorherrschaft in Südamerika beenden wollten. Dennoch stand das Integrationsbündnis von Anfang an unter dem Primat der Wirtschaft, der Vertrag von Asuncion zielte vor allem auf den Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse ab.
In der Anfangszeit war der wirtschaftliche Erfolg des Mercosur unumstritten. Bis 1994 wurden die Binnenzölle für 90 Prozent aller Produkte abgeschafft, für 85 Prozent wurde ein gemeinsamer Außenzoll gegenüber Nicht-Mitgliedern vereinbart. Der Anteil des Handels zwischen den Mercosur-Partnern erreichte 1998 einen Spitzenwert von 25,3 Prozent des gesamten Außenhandelsvolumen, obwohl er 1990 noch bei 8,9 Prozent lag.
Danach geriet der Integrationsprozess ins Stocken. Bis heute ist es etwa nicht gelungen, die Ausnahmeregelungen in der Zucker- und Automobilindustrie völlig abzubauen auch wenn 2010 der doppelte Außenzoll abgeschafft wurde, der zuvor entrichtet werden musste, sobald ein von außen importiertes Produkt innerhalb des Mercosurs erneut eine Landesgrenze überquerte.
Auf einen Tiefpunkt gelangte der "Gemeinsame Markt des Südens" mit der unter anderem durch die Abwertung des brasilianischen Real 1999 ausgelösten Wirtschafts- und Finanzkrise in Argentinien 2001. Es folgte eine schrittweise wirtschaftliche Desintegration, die das anteilige Außenhandelsvolumen innerhalb des Mercosur bis 2002 auf 11,4 Prozent sinken ließ.
Die Mitgliedsstaaten antworteten mit einer Reihe politischer Integrationsmaßnahmen, die das Erscheinungsbild des Mercosur nachhaltig verändern sollten. So wurde 2006 ein eigenes Parlament gegründet, dessen Mitglieder künftig in freien, geheimen und direkten Wahlen - ähnlich jener des EU-Parlaments - bestimmt werden sollen.
Eine Kommission ständiger Repräsentanten wurde ebenso geschaffen wie ein Strukturfonds im Umfang von 100 Milliarden Dollar (75 Milliarden Euro) pro Jahr, der die gewaltigen wirtschaftlichen Asymmetrien zwischen den Mitgliedsstaaten ausgleichen soll. Zuletzt geriet Argentinien ins Zwielicht, weil die Regierung der Wirtschaftsmisere im Land mit strengen Importrestriktionen und Devisenkontrollen begegnete.
War die Anfangszeit des "Gemeinsamen Marktes des Südens" von neoliberalen Ansätzen geprägt, änderte sich dies parallel zur zunehmenden Bedeutung linker Regierungen in Lateinamerika. Heute steht nicht länger der für die 1990er so typische "offene Regionalismus" im Vordergrund, der sich durch eine hohe wirtschaftliche Offenheit gegenüber Dritten auszeichnete, sondern das Primat der Politik.
Die aus dieser neuen Geisteshaltung entstandenen neuen lateinamerikanischen Integrationsbündnisse wie ALBA (Venezuela, Kuba, Bolivien, Ecuador und Nicaragua), UNASUR (Mercosur + assoziierte Mitglieder und Surinam und Guyana) oder CELAC (alle Länder Lateinamerikas und der Karibik) konnten den Mercosur bisher jedoch noch nicht verdrängen, vielmehr scheint sich auch der "Gemeinsame Markt des Südens" in Richtung mehr politischer Integration zu bewegen.