Ende der Ära Vasella soll zugleich Start einer neuen Wachstumsphase sein.
2013 wird für den schweizerischen Pharmariesen Novartis ein einschneidendes Jahr: Einerseits geht die Ära Vasella zu Ende, anderseits sieht sich der Basler Konzern vor einer neuen Wachstumsphase, die Mitte Jahr einsetzen soll. 2012 hat Novartis den Umsatz halten und den Gewinn steigern können.
Novartis gab den Rücktritt von Aufsichtsratspräsident Daniel Vasella am Mittwoch gleichzeitig mit dem Geschäftsergebnis 2012 bekannt. Nachfolger Vasellas wird Jörg Reinhardt. Der 56 Jahre alte Deutsche ist derzeit noch Chef der Pharmasparte von Bayer (Bayer HealthCare) und war zuvor lange Zeit bei Novartis tätig gewesen.
2010 unterlag Reinhardt im Rennen um die Nachfolge Vasellas als Konzernchef gegen Joe Jimenez. Dieser sieht dem Wechsel an der Spitze des Verwaltungsrats mit Zuversicht entgegen. Er und Reinhardt hätten schon früher gut zusammengearbeitet und würden sich gut ergänzen, sagte Jimenez vor den Medien. Strategische Veränderungen erwartet der Konzernchef nicht.
Vasella tritt bereits an der Generalversammlung im Februar aus dem Verwaltungsrat zurück. Bis Reinhardt voraussichtlich im August sein neues Amt antritt, wird Vizepräsident Ulrich Lehner interimistisch den Verwaltungsrat leiten.
Dass Daniel Vasella, der immer wieder wegen seines Lohns in zweistelliger Millionenhöhe in die Schlagzeilen geraten war, just kurz vor der Abstimmung über die Abzocker-Initiative aufhört, ist laut Jimenez ein Zufall. Ein Zusammenhang zwischen Vasellas Entscheid und der Abstimmung bestehe nicht, sagte Jimenez an einer Medienkonferenz.
Mit dem Abtritt von Vasella geht bei Novartis eine Ära zu Ende: Vasella wurde 1996 bei der Fusion von Sandoz und Ciba-Geigy der erste Konzernchef von Novartis. 1999 übernahm er zusätzlich das Präsidium des Verwaltungsrats und übte damit eine Doppelrolle aus, die oft kritisiert wurde.
2010 überließ Vasella den Chefsessel am Konzernsitz Joe Jimenez und konzentrierte sich auf das Verwaltungsratspräsidium. Vasella, der im August 60 wird, soll Ehrenpräsident von Novartis werden und als solcher auch in Zukunft über ein Büro auf dem Campus in Basel verfügen.
Dass künftig ein Amerikaner und ein Deutscher an der Spitze von Novartis stehen, habe auf den Sitz des Konzerns keine Auswirkungen, versicherte Jimenez. Maßgebend seien die Rahmenbedingungen, die in der Schweiz ausgezeichnet seien. Ein Ja zur Abzocker-Initiative könnte allerdings Probleme geben bei der Rekrutierung neuer Konzernleitungsmitglieder, gab der Konzernchef zu bedenken.
Der neue Verwaltungsratspräsident tritt sein Amt in einer Periode an, in der beim Konzern eine neue Wachstumsphase beginnen soll. So geht Jimenez davon aus, dass sich die Zahl der Blockbuster- Medikamente bis 2017 auf 14 erhöhen wird. Blockbuster sind Produkte mit einem Umsatz von über einer Milliarde Dollar (751 Mio. Euro). 2012 hatte Novartis acht solche Medikamente.
Starke Impulse werden auch von Wachstumsmärkten wie China oder Indien erwartet. Für 2014 und 2015 rechnet Jimenez mit einem Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich und einer überproportionalen Steigerung beim Gewinn. 2013 dürfte der Umsatz dagegen zu konstanten Wechselkursen noch stagnieren, weil durch den Verlust des Patentschutzes beim Blutdrucksenker Diovan Umsatzeinbußen von bis zu 3,5 Mrd. Dollar kompensiert werden müssen.
Im vergangenen Jahr hatte Novartis den Reingewinn um 4 Prozent auf 9,6 Mrd. Dollar steigern können. Der Umsatz sank um 3 Prozent auf 56,6 Mrd. Dollar, wäre aber währungsbereinigt stabil geblieben.
Dass der Umsatz trotz Patentabläufen gehalten werden könnte, führte Jimenez in erster Linie auf den Erfolg von Medikamente zurück, die erst in den letzten Jahren lanciert wurden und deren Patentschutz noch lange andauert. Der Umsatz mit solchen "jungen Produkte" nahm konzernweit um 13 Prozent auf 16,3 Mrd. Dollar zu, ihr Anteil am Gesamtumsatz stieg von 25 auf 29 Prozent.
Eine dieser erfolgreichen Neulancierungen ist Gilenya. Das 2010 eingeführte Medikament gegen Multiple Sklerose erreichte 2012 mit einem Umsatz von 1,2 Mrd. Dollar erstmals Blockbuster-Status.
Die fünf Novartis-Divisionen entwickelten sich 2012 unterschiedlich: Pharmaceuticals (Medikamente) und Alcon (Augenheilmittel) als mit Abstand wichtigste Standbeine brachten es auf einen Umsatz von 32,2 respektive 10,2 Mrd. Dollar. Währungseffekte ausgeklammert konnten sie sowohl den Umsatz wie auch das operative Ergebnis steigern.
Bei der Generikasparte Sandoz ging der Umsatz dagegen zu konstanten Wechselkursen um 4 Prozent auf 8,7 Mrd. Dollar zurück. Das operative Ergebnis schrumpfte um 24 Prozent auf 1,1 Mrd. Dollar.
Die Impfstoff-Division (Vaccines and Diagnostics) verharrte bei rückläufigem Umsatz in den roten Zahlen. Bei der Division Consumer Health brach das operative Ergebnis um 89 Prozent auf 48 Mio. Dollar ein. Der Umsatz mit rezeptfreien Medikamenten und Heilmitteln für Tiere sank um 16 Prozent auf 3,7 Mrd. Dollar.
An der Börse stieg der Kurs der Novartis-Aktie nach Bekanntgabe des Jahresergebnis, des Geschäftsausblickes und des Rücktritts von Daniel Vasella deutlich an. Unmittelbar bei Handelsbeginn wurde das Wertpapier 2,8 Prozent über dem Kurs des Vorabends gehandelt. Im Laufe des Tages stieg der Wert einer Aktie weiter an. Kurz vor 16 Uhr notierte sie 5,5 Prozent im Plus.