Schuld ist dem neuen Chef zufolge die schwarz-blaue Reform 2003.
Der neue ÖBB-Chef Christian Kern hat heute bei seiner "Antrittspressekonferenz" rund 100 Tage nach seinem Amtsantritt eine kritische Bilanz gezogen: Bei der Bundesbahn habe es schwere Managementfehler gegeben, die Bahnreform 2003 habe die Strukturen aufgespalten und die Verantwortlichkeiten zersplittert, es gebe kein Kostenbewusstsein und einen "Selbstbeschäftigungszirkus" durch interne Bürokratie. "Wir müssen die Altlasten vom Tisch schaffen und das Haus neu ordnen", gibt Kern dem Unternehmen einen neuen Kurs vor. Heuer erwartet das Unternehmen einen dreistelligen Millionenverlust. Bis zum Jahr 2013 solle die Bundesbahn eine "schwarze Null" schreiben, also aus den Verlusten kommen.
"Leistungskultur"
Um den Kurswechsel zu schaffen fordert Kern eine neue "Leistungskultur" bei der Bahn ein. Nicht die Mitarbeiter, sondern das frühere Management wird vom neuen Bahn-Chef gerügt: Unter Verweis auf angeblich zu großen politischen oder gewerkschaftlichen Einfluss habe es kein Kosten- und Leistungsbewusstsein gegeben. Kern ortet "unterlassene Managementleistungen", das Management habe sich nicht getraut Reformen anzupacken. Für ihn sei ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka, der die Bahn immer wieder kritisiert, "kein Maßstab", sondern sein Aufsichtsrat und das Aktienrecht gäben die Ziele vor, betonte Kern.
Kassasturz
Kern präsentierte nach dem gestrigen Aufsichtsrat einen Kassasturz: Die Bundesbahn befinde sich in einer ernsten Lage und sei heuer mit einem "signifikanten Ergebniseinbruch" konfrontiert. Das Halbjahresergebnis sei schlechter als geplant ausgefallen, für das Gesamtjahr erwarten die ÖBB einen "negativen dreistelligen Millionenbetrag". Das Betriebsergebnis (EBT) der ersten sieben Monate 2010 ist im Gesamtkonzern mit -46 Mio. Euro gegenüber der Vorjahresperiode um 49 Prozent schlechter ausgefallen. Der Teilkonzern Rail Cargo Austria belastet mit -77 Mio. Euro den Konzern, während der Personenverkehr mit +19 Mio. Euro sein EBT zur Vorjahresperiode (Jänner bis Juli 2009: 7 Mio. Euro) deutlich gesteigert hat. Die Infrastruktur blieb mit 21 Mio. Euro EBT hinter dem Vorjahr zurück (Jänner bis Juli 2009: 26 Mio. Euro).
Um die wirtschaftliche Lage zu verbessern und aus den roten Zahlen zu kommen fordert Kern eine Verbesserung um 500 Mio. Euro, um die Ergebnisziele zu erreichen. Die Maßnahmen, um dies zu erreichen, präsentierte der Holding-Chef heute: Ein "maßvoller Lohnabschluss" soll dazu beitragen, ein Ende der betriebsbedingten Pensionierungen schon im nächsten Jahr, 100 Führungskräfte weniger innerhalb von drei Jahren und der Abbau von 1.000 Verwaltungsjobs. Die hohen externen Beratungskosten sollen deutlich reduziert werden, Ziel ist eine Halbierung bis zum Geschäftsjahr 2011. Der Einkauf werde künftig von der Holding strategisch gesteuert, um bei Beschaffungen zu sparen.