Bundesbahnblues

ÖVP-Rückzug aus Bahn-Aufsichtsgremium

26.05.2010

Die ÖBB werden immer mehr zum politischen Zankapfel in der Koalitionsregierung: Bei der heutigen Hauptversammlung der ÖBB-Holding wurden die beiden der ÖVP zugerechneten Aufsichtsräte nicht wiederbestellt, weil diese aus "persönlichen Gründen" nicht mehr weiter tätig sein wollten, sagte eine Sprecherin des Verkehrsministeriums Mittwochnachmittag. Die sechs anderen Aufsichtsräte wurden wiederbestellt.

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Ob für die Sessel der zwei bisherigen ÖVP-Aufsichtsräte der Holding, Aufsichtsrats-Vizepräsident Franz Rauch und Christian Teufl (Vorstand bei Leipnik-Lundenburger Invest), nun andere nachnominiert werden oder die Plätze unbesetzt bleiben, sei noch offen, so die Sprecherin des Verkehrsministeriums, Susanna Enk. Laut Satzung müssten bei den ÖBB zwischen sechs und zehn Aufsichtsräten amtieren. Das Ministerium wolle die Motivation der nun nicht wiederbestellten Aufsichtsräte nicht kommentieren.

Wiederbestellt wurden Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker, Kurt Eder, Herbert Kasser, Maria Kubitschek, Leopold Specht und Paul Blumenthal.

Hintergrund ist offenbar der sich zuspitzende Streit zwischen den Regierungsparteien um die Bundesbahnen. ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka fordert von den ÖBB rigide Sparmaßnahmen beim Personal, die vom Konzern bisher zurückgewiesen wurden. Von ÖVP-Seite wird auch immer wieder das Pensionsantrittsalter der Mitarbeiter als zu niedrig kritisiert.

Durch den Rückzug der beiden ÖVP-Vertreter aus dem ÖBB-Holding-Aufsichtsrat bleiben nur mehr die Kapitalvertreter von SPÖ-Seite im obersten Aufsichtsgremium der Bundesbahnen.

Die ÖBB-Personalpolitik sei in den vergangenen Monaten zu "blutroten Festspielen" geworden, heiße es in der ÖVP. Und da sei es eine Zumutung für die Aufsichtsräte, die Haftung für Dinge zu übernehmen, auf die sie keinen Einfluss hätten. Ob die ÖVP weiter die Tickets der beiden Aufsichtsräte unbesetzt lasse sei nicht klar. Aus der ÖVP werde signalisiert, dass man die weitere Entwicklung in den ÖBB abwarten wolle - und notfalls zwei Kandidaten nachnominieren werde, schreibt die "Presse".

Laut Medienberichten liegt der Grund für den Rückzug der ÖVP-Vertreter auch in bereits länger währenden Postenstreitigkeiten zwischen den beiden Koalitionsparteien: Die ÖVP habe ihren Ex-Finanzstaatssekretär Helmut Kukacka als Nachfolger des zurückgetretenen Aufsichtsrats-Vizepräsidenten Eduard Saxinger durchdrücken wollen, die SPÖ habe dies aber abgelehnt und im Jänner Paul Blumenthal, einen ehemaligen Vorstand der Schweizer Bahngesellschaft SBB, bestellt.

Lopatka will Eisenbahnern weniger zahlen

ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka fordert für die ÖBB tiefe Einschnitte beim Personal. Es sei eine "völlig falsche Reaktion" von Infrastrukturministerin Bures, die Infrastruktur-Investitionen zurückfahren zu wollen - stattdessen sollten bei den ÖBB-Bediensteten hunderte Millionen Euro pro Jahr eingespart werden, so Lopatka.

Durch Personalabbau könnten die ÖBB rund 150 Mio. Euro pro Einsparen, so Lopatka - doch stattdessen sei das Personal 2009 sogar aufgestockt worden, kritisiert der Finanzstaatssekretär. Obwohl ein vom ÖBB-Vorstand in Auftrag gegebenes Roland-Berger-Gutachten bis 2015 ein Einsparungspotenzial von 3.000 Stellen sehe, seien im vergangenen Jahr 3.000 Leute neu eingestellt worden, während nur 1.890 in Pension gegangen seien.

Nulllohnrunde gefordert

Für die ÖBB-Bediensteten fordert Lopatka eine Nulllohnrunde - damit könnten nach Ansicht des VP-Staatssekretärs 55 Mio. Euro im Jahr eingespart werden, denn die Gehaltsabschlüsse bei den ÖBB würden seit Jahren über jenen der Beamten liegen.

Privilegien hätten die ÖBB sowohl bei den Betriebsräten als auch auf Management-Ebene, sagt Lopatka. Er fordert daher einerseits eine Halbierung der Anzahl der derzeit rund 100 Betriebsräte, was pro Jahr mindestens 2,5 Mio. Euro einsparen würde; Andererseits könnten 6 Vorstände eingespart werden - in allen Teilgesellschaften nur mehr Zweier-Vorstände - wodurch sich weitere 6 Mio. Euro jährlich an Einsparungen ergeben würden.

25 ÖBB-Manager verdienen mehr als der Kanzler

Von den 25 ÖBB-Spitzenmanagern würden 17 mehr verdienen als der Bundeskanzler. Trotz eines Verlustes von fast 1 Mrd. Euro hätte die Manager für 2008 teure Erfolgsboni ausbezahlt bekommen.

Zudem könnten durch eine Änderung der Pensionsbemessung (Nebengebühren) für künftige ÖBB-Pensionisten jährlich mehr als 100 Mio. Euro gespart werden und durch eine Reform des Dienstrechts - resultiertend in geringeren Gehaltssteigerungen - weitere 117 Mio. Euro im Jahr.

ÖBB: "Lopatka operiert wieder mit falschen Zahlen"

Die ÖBB haben Lopatkas Forderung nach tiefen Einschnitten bei den ÖBB-Bediensteten und -pensionisten zurückgewiesen. "Lopatka operiert wieder mit falschen Zahlen", sagt ÖBB-Sprecher Alfred Ruhaltinger. So habe Lopatka wider besseres Wissen behauptet, die ÖBB hätten 2009 ein sattes Mitarbeiterplus gehabt. "Er müsste sich nur die Bilanz anschauen. 2009 wurde die Anzahl der Mitarbeiter bei den ÖBB um über 960 verringert."

Zur Kritik an der ÖBB-Managementstruktur sagte der ÖBB-Sprecher, diese Struktur sei "seinerzeit unter Schwarz-Blau so geschaffen" worden und von Lopatkas Vorgänger Helmut Kukacka als die beste Management-Struktur bezeichnet worden, die die ÖBB jemals hatten.

Lohnkürzungen bei den ÖBB lehnt Ruhaltinger ab, bestehende Verträge seien einzuhalten. Der durchschnittliche ÖBB-Mitarbeiter verdiene wesentlich weniger als andere. Insgesamt seien Lopatkas Forderungen "nur polemisch, aber nicht inhaltlich nachzuvollziehen", so Ruhaltinger.

Gahr: "ÖBB verleugnet Personalmisere"

ÖVP-Rechnungshofsprecher Hermann Gahr kontert und kritisiert die mangelnde Einsicht von Seiten der ÖBB, was ihre überbordenden Personalkosten betrifft: "Das Roland-Berger-Gutachten, das der ÖBB-Vorstand unter Klugar selbst in Auftrag gegeben hat, beweist schwarz auf weiß, dass 3.430 Stellen bis 2015 eingespart werden können. Aus der Einsparung bei Personalkosten könnten 150 Mio. Euro lukriert werden."

"Die ÖBB kommen immer wieder mit dem Argument, dass überzählige Mitarbeiter nicht in Frühpension geschickt werden sollen, sondern dass sie durch einen ÖBB-internen Arbeitsmarkt untergebracht werden. Fakt ist aber, dass es 2009 rund 3.000 Neuzugänge gab, während 1.890 ÖBBler in Pension gingen. Für jeden, der rechnen kann, ergibt sich daraus ein sattes Mitarbeiterplus, das auch die ÖBB nicht wegleugnen kann", so Gahr. Der ÖBB-Vorstand ignoriert demnach die Empfehlung der eigenen Gutachten.

"Die Aussagen von Wilhelm Haberzettl entbehren einmal mehr jeder Wahrheit", betont Gahr und weist daraufhin, dass die Betriebsräte der ÖBB im Bundesbahnbetriebsgesetz geregelt sind, während in jedem anderen Betrieb das Arbeitsverfassungsrecht gilt.

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