Offiziell wird über die Nachfolge von Franz Bittner als WGKK-Chef erst im Herbst entschieden, die Gerüchteküche brodelt jedoch schon längst: Wie sich nun mehr und mehr abzeichnet, dürfte das Los auf Ingrid Reischl von der GPA-djp fallen. Wie die APA aus gewöhnlich gut informierten Kreisen erfuhr, sollen bereits Sozialminister Rudolf Hundstorfer (S), ÖGB-Präsident Erich Foglar und Wiens Bürgermeister Michael Häupl (S) ihre Zustimmung zu Reischl als künftige Kassenobfrau signalisiert haben. Auch GPA-djp-Boss Wolfgang Katzian und Bittner hätten ihr Okay bereits gegeben, hieß es.
Reischl leitet derzeit die Grundlagenabteilung in der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier. Sie war bereits in den vergangenen Wochen in diversen Medienberichten als mögliche Nachfolgerin an der Spitze gehandelt worden. Auch Namen wie vida-Chef Rudolf Kaske, Metaller-Boss Rainer Wimmer oder Bernhard Achitz, Leitender ÖGB-Sekretär und Hauptverbands-Vize, tauchten im Zuge der Spekulationen vereinzelt auf.
Sollte Reischl tatsächlich als erste Frau an der Spitze der Wiener Gebietskrankenkasse stehen, muss sie zuerst einmal in den WGKK-Vorstand gehievt werden. Wann dies erfolgt, ist noch offen. Jedenfalls muss der neue Obmann beziehungsweise die neue Obfrau aus dem Kreis dieses 15 Mitglieder umfassenden Gremiums kommen. Durch den Abgang Bittners Ende Juni war ein Vorstandsposten frei geworden. Dieser muss nun spätestens bis zum 29. September nachbesetzt werden. Für dieses Datum ist nämlich eine Vorstandstagung anberaumt, im Zuge derer auch die Wahl der obersten Kassenposition erfolgt.
Häupl weiß nichts
Häupl wollte am Dienstag die angeblichen Reischl-Entscheidung nicht bestätigen. Er habe damit nichts zu tun: "Ich bin Bürgermeister, nicht Gott." Er sitze in keinem relevanten Gremium und werde auch nicht über die Abläufe informiert. "Ich halte Frau Reischl für eine sehr fähige Frau. Ob das schon reicht für eine Entscheidung, weiß ich nicht", so das Stadtoberhaupt vor Journalisten.
Franz Bittner hatte Mitte Juni seinen Rückzug aus der Sozialversicherung bekanntgegeben. Gleichzeitig gab er bekannt, auch seinen Brotberuf zu wechseln, also als Dienstnehmer beim ÖGB auszuscheiden und in die Privatwirtschaft zu wechseln. Seine Stellvertreter-Position in der GPA-djp hat er jedoch beibehalten. Da Bittner auch Vorsitzender der Trägerkonferenz im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger war, in der alle Obmänner und Stellvertreter sitzen, muss auch dieser neu bestimmt werden. Als nächster Termin dafür würde sich das Treffen des Gremiums am 6. Oktober anbieten.
Ingrid Reischl: Seit 19 Jahren in der Gewerkschaft
Nach fast 20 Jahren in der Gewerkschaft dürfte Reischl (50) nun kurz vor dem bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere stehen. Sie gilt als klare Favoritin für die Nachfolge Franz Bittners an der Spitze der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK). Derzeit leitet die studierte Politikwissenschafterin die Grundlagenabteilung in der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp).
Mit der GPA-djp verbindet die im Dezember 1958 geborene Wienerin bereits eine lange Vergangenheit. Nach einigen Jahren als Erzieherin bei der Gemeinde Wien fing sie 1990 im Sekretariat der Gewerkschaft der Privatangestellten an und stieg vier Jahre später zur Leiterin des Grundsatzreferats auf. Im Sommer 2000 wurde sie zur stellvertretenden Geschäftsbereichsleiterin Backoffice/Support berufen - eine Tätigkeit, die sie bis Ende 2006 ausübte. Unmittelbar danach trat sie ihre jetzige Position an.
Gleichzeitig verdiente sich Reischl auch Sporen im wissenschaftlichen Bereich. Seit 1993 ist sie Universitätslektorin am Institut für Staats- und Politikwissenschaften in Wien, wobei ihr Schwerpunkt in der österreichischen Regimelehre (Sozialversicherung, Finanzwissenschaften) liegt. Vor allem in den 1990er Jahren war sie zudem an zahlreichen Publikationen etwa zu den Themen atypische Arbeitsverhältnisse, "Stabilitätspolitik und Arbeitsversicherung" oder Globalisierung beteiligt.
Zusätzlich ist Reischl seit 2006 Vorsitzende der Kontrollversammlung der AUVA und hatte zuvor bereits einige Funktionen im Hauptverband der Sozialversicherungsträger beziehungsweise der Wiener Arbeiterkammer inne. Auf ihrem Weiterbildungsweg absolvierte sie unter anderem "Französisch für Gewerkschafter". Sollte Reischl bei der WGKK-Vorstandstagung am 29. September nun tatsächlich zur neuen Kassenchefin gekürt werden, wäre sie die erste Frau in dieser Position. Die wahrscheinliche Bittner-Nachfolgerin ist geschieden und hat zwei Kinder.