Die Kläger gehen davon aus, dass MEL zwar auf der Kanalinsel Jersey registriert gewesen sei, ihren tatsächlichen Sitz aber in Österreich gehabt hat.
Die Klageflut in der Causa Meinl European Land (MEL, heute Atrium European Real Estate) ebbt nicht ab. Geschädigte Investoren können ihre Schadenersatzansprüche nur mehr bis zum Ende der Verjährungsfrist - voraussichtlich Ende Juli - gerichtlich geltend machen. Vor wenigen Tagen hat Anlegeranwalt Eric Breitenender rund 60 Klagen gegen die Meinl Bank eingebracht. Das Hauptargument: Die MEL sei zwar auf der Kanalinsel Jersey registriert gewesen, habe ihren tatsächlichen Sitz aber in Österreich gehabt. Für die Anleger gelte daher österreichisches Recht, wodurch der Weg für Schadenersatz geebnet sei. Die Meinl Bank weist alle Vorwürfe "aufs Schärfste" zurück, für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Breiteneder zieht außerdem in 90 Fällen gegen MEL-Vermittler vor Gericht.
Streitfrage
Darüber, welches Recht in der Causa MEL anzuwenden ist, streiten Meinl Bank, Anleger, Gutachter und Gerichte schon seit Jahren. Die Frage ist deshalb so relevant, weil das österreichische Recht Kleinanlegern mehr Schutz bietet als die Rechtsordnung der Steueroase Jersey.
Schadensersatzklagen
Breiteneder argumentiert in seinen Schadenersatzklagen, dass die MEL durch die Meinl Bank in Österreich nicht nur "intensiv" beworben worden sei, sondern auch "tatsächlich und effektiv vom Inland aus durch die beklagte Partei (Meinl Bank, Anm.) gesteuert und verwaltet wurde". "Die Anleger glaubten, ein österreichisches Finanzprodukt zu kaufen", sagte der Rechtsvertreter.
Die MEL habe zwar ihren Registersitz in St. Helier (Jersey) gehabt, die operative Tätigkeit sei jedoch de facto in Österreich - "mehr oder weniger am Bauernmarkt" (Sitz der Meinl Bank in Wien, Anm.) - erfolgt. Auf der Kanalinsel sei die MEL nur als Briefkastenfirma registriert gewesen, die Steuerfreiheit genießt. Und Voraussetzung für diesen "tax exempt company status" sei, dass die Gesellschaft auf Jersey selbst nicht tätig wird, so Breiteneder.
"Alte Vorwürfe"
Meinl-Bank-Sprecher Thomas Huemer verwies heute, Montag, erneut auf die österreichische Übernahmekommission (ÜbK). Diese "hat eindeutig festgestellt, dass die MEL ihren Sitz in Jersey hatte." Es sei "seltsam, dass immer wieder Anwälte auftreten und die alten Vorwürfe in eine neue, absurde Verpackung geben".
Anlegeranwalt Breiteneder hat im Strafakt gegen Julius Meinl V. laut Eigenangaben "genügend Beweise" dafür gefunden, dass das Tagesgeschäft der Immobilienholding MEL, etwa die Steuerung der über 80 Tochtergesellschaften oder die Akquisition von Liegenschaften, "in letzter Konsequenz in Händen von Organen oder Mitarbeitern der Meinl Bank AG" gelegen sei.
Schlüsselrolle
Beispielsweise habe Stephan Visy, damals wie heute Mitarbeiter der Meinl Bank, seine E-Mail-Korrespondenzen unter der Angabe "Chief Financial Officer" (Finanzvorstand) der MEL geführt. Eine weitere Schlüsselrolle habe die Meinl-Bank-Mitarbeiterin Nadine Gilles gespielt, die ebenfalls von Österreich aus agiert habe. Auf Jersey habe es jährlich nur zwei bis sechs Treffen des MEL-Boards gegeben.
Meinl-Bank-Vorstand Peter Weinzierl etwa sagte bei seiner Beschuldigtenvernehmung vor der Staatsanwaltschaft Wien laut Klage: "Anmerken möchte ich, dass es auch Treffen in Wien gab und ich gefragt werde, wo diese stattfanden, so gebe ich an, in meinem Büro in der Meinl Bank." Für die Auswahl der Investmentprojekte seien Weinzierl und das damalige MEL-Boad-Mitglied Wolfgang Lunardon zuständig gewesen. Aus einer E-Mail von Gilles an die damaligen MEL-Direktoren Heinrich Schwägler und Georg Kucian am 1. März 2006 gehe hervor, dass Weinzierl selbst einen Vertrag über die Akquisition eines MEL-Projekts in Moskau endverhandelt habe, wobei kein "Vertreter der MEL" anwesend gewesen sei, zitiert Breitenender aus dem Strafakt.
Von der Bank hieß es heute dazu: "Wenn man Mails aus dem Zusammenhang reißt und sie auf eine bestimmte Art und Weise montiert, ist das ein alter Trick, den wir zurückweisen."